Karosseriebau Frankreich vs. Italien 50er Jahre – Vergleich

Die blühende Karosseriebau in Frankreich war bereits Mitte der 1950er Vergangenheit. Firmen wie Saoutchik, Figoni & Falaschi und Marcel Pourtout waren so gut wie verschwunden. Anders war es zu der Zeit in Italien. Karosseriebauer wie Bertone, Pinin Farina und Touring feierten große Erfolge und wurden weltweit Marktführer im Automobildesign.

Strukturelle Probleme in der französischen Automobilindustrie

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die französische Autoindustrie Probleme. Die Autohersteller hatten ihre führende Position in Europa mit 199.000 Pkw verloren. Auch Großbritannien lag mit 348.000 und Deutschland mit 281.000 PKW weit vor den Franzosen. 1939 wurden in Frankreich die gleiche Anzahl PKW hergestellt wie 1929! In den USA lag die Produktion bei 2.126 Millionen PKW.

Ursache für diesen Rückgang

Es gab zu viele kleine Autohersteller in Frankreich. Auf der Paris Motor Show 1938 präsentierten 32 französische Marken ihre Produkte. Die meisten Firmen hatten nicht genügend finanzielle Mittel, um in neue Modelle und moderne Produktionsmethoden zu investieren.

Figoni & Falaschi Carossiers
Figoni & Falaschi Carossiers
Die Hersteller von exklusiven Modellen wie Bugatti, Delahaye, Delage, Hotchkiss, Panhard, Talbot und Voisin kämpften, um mit ihren britischen, deutschen und vor allem mit amerikanischen Massenprodukten wie Cadillac, La Salle und Chrysler zu konkurrieren.

Das französische Steuersystem besteuerte große, leistungsstarke Motoren und bestrafte damit die französischen Eigentümer und verhinderte damit auch den Absatz dieser Hersteller. Das waren Gründe, warum der Heimatmarkt für Luxusautomobile dramatisch schrumpfte. Auch wurde die Konkurrenz gegenüber den exklusiven Modellen der französischen Massenhersteller in den letzten Jahren größer und führte zu weiteren Problemen.

Warum sollte der Käufer 68.000 Franken für eine 15 CV Talbot Berline oder 82.000 Franken für ein Delahaye mit einem Standard-Wagenkasten von Chapron ausgeben, wenn man für 36.000 Franken einen 6-Zylinder-Citroën 15 oder für 41.500 Franken ein Peugeot Eclipse-Cabrio mit Hardtop kaufen konnte?

Rationalisierung der französischen Automobilproduktion

Frankreich war nach seiner Befreiung 1944 mit vielen Problemen konfrontiert. Ein Großteil seiner Infrastruktur und eine große Zahl seiner Fertigungsanlagen wurden durch die Kämpfe, Bombardierungen oder den Diebstahl der Maschinen zerstört. Der Mangel an Allem war überall sichtbar und fühlbar.

Paul-Marie Pons war der Directeur Adjoint der Abteilung des Industries et Mécaniques Électriques (DIME) im Ministerium de la Production Industrielle. Sein Chef war Minister Claude Monet. Der „Pons Plan“ versuchte ab 1945 die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Automobilindustrie durch Rationalisierung ihrer Produktion zu verbessern. Dieser Plan war autokratisch. Er begünstigte die größeren französischen Autohersteller, Berliet, Citroën, Ford Frankreich, Panhard, Peugeot, Renault und Simca.

Panhard wurde nach viel Lobbyarbeit noch in den engen Kreis aufgenommen. Peugeot musste mit Hotchkiss, Latil und Saurer bei der Produktion zusammen arbeiten. Der Lkw-Hersteller Berliet musste sich mit Isobloc und Rochet-Schneider verbinden. Da Louis Renault der Kollaboration mit den Deutschen verdächtigt wurde, was nie bewiesen wurde, wurde Renault zur Regie Nationale des Usines Renault verstaatlicht.

Claude Pourtout, der Sohn des französischen Carrossier Marcel Pourtout in Rueil Malmaison, der einer der Vizepräsidenten der Fédération Française de la Carrosserie war, erzählte, dass er die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen in Paris versucht hatte, aber dass es nicht gelang.

Export oder Konkurs

Der „Pons Plan“ hat, möglicherweise absichtlich, die Interessen der kleineren französischen Hersteller von Luxusautos vernachlässigt. Die Verteilung des Stahls an die Industrie hing von der Fähigkeit ab, Autos zu exportieren! Zu der Zeit war der Export von Automobilen nicht einfach. Kein Staat förderte den Kauf teurer Autos und der Markt in der Schweiz war zu klein.

Die Technik der Chassis und die technischen Merkmale der französischen Luxus-Autos stammten aus der Zeit vor dem Krieg und waren für die 50er Jahre überholt.

Situation Großbritannien

Eine Parallele zeigte sich auch bei den britischen Autos aus der Nachkriegszeit, obwohl die industrielle Situation in Großbritannien viel besser als in Frankreich war. Die meisten der Autofabriken waren an der Produktion für den Krieg beteiligt und es waren viele moderne amerikanische Maschinen und Anlagen vorhanden. Die Briten hatten auch den Vorteil einer gemeinsame Sprache Englisch für den Verkauf ihrer Autos auf dem wohlhabenden nordamerikanischen Markt.

Situation in Italien

Italien hatte vor dem Zweiten Weltkrieg noch eine überwiegend landwirtschaftlich geprägte Wirtschaft, mit einer Demografie mit viel Analphabetismus, Armut, raschem Bevölkerungswachstum und damit einem hohen Anteil an Jugendlichen. Im Jahr 1938 lag die Produktion von Pkw in Italien bei 59.000 und lediglich 30% der in Frankreich. Autos gab es in Italien vor dem Krieg rund 374.000 und im Vergleich zu 1.817.600 in Frankreich.

Anfang der 1950er Jahre war die Situation der vielen italienischen Karosseriebauer fast so verzweifelt wie die ihrer Kollegen in Frankreich. Doch die Italiener hatten einige Vorteile wie der Bau von Kleinserien auf Basis der Technik von Alfa Romeo, Fiat und Lancia. Traditionell war die Fertigung sportlicher Modelle und Cabrios bereits vor dem Krieg auf Fachkarosseriebauer ausgelagert. Das war auch bei kleineren Modellen wie Lancia Aprilia und dem Fiat 1100 und 1500 üblich. Die italienischen Carrozzerias hatten daher auch Erfahrungen mit der Serienproduktion. Die französischen Carrossiers lebten im Gegensatz von der Einzelanfertigung von Luxus-Produkten.

Die italienischen Karosseriebauer, vor allem diejenigen in der Region Turin und Mailand, waren daran gewöhnt, zusammen zuarbeiten. Wenn einer von ihnen zu viele Aufträge hatte, engagierte er seinen Kollegen, um die Aufträge zu erfüllen.

Gut ausgebildete Arbeitskräfte

Italien hatte eine große Anzahl von erfahrenen Handwerkern auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Während der Kriegsjahre wurden viele Landarbeiter wie Mechaniker, Schweißer und Karosseriebauer ausgebildet, um in der Luftfahrtindustrie zu arbeiten. Dies stand im Gegensatz zu dem Zustand in Frankreich. Hier wurden viele Handwerker gezwungen als Landarbeiter oder Sklavenarbeiter in deutschen Fabriken zu arbeiten.

Wichtige Durchbrüche

Zwei wichtige Ereignisse trugen auch dazu bei, dass sich die Italia Carrozzerias schneller von den Kriegsereignissen erholten.

Das im Jahr 1951 vorgestellte Cisitalia 202 Coupé, gebaut von Pinin Farina, nach einem Prototyp vom Flugzeugkonstrukteur Giovanni Savonuzzi, wurde vom New Yorker Museum of Modern Art im Rahmen einer Ausstellung über Automobildesign als besondere Meisterleistung für damals modernes Automobildesign ausgewählt. Pinin Farina hatte eine gute Hand für Öffentlichkeitsarbeit und meist hervorragende Designer beschäftigt. Deren Formensprache kam beim Publikum sehr gut an.

Bertone hatte erste Erfolge nach dem Krieg im Jahr 1952 mit dem Bertone Arnolt-MG. Ein weiterer wichtiger Durchbruch war, als Alfa Romeo 1955 entschied, dass Bertone das Giulietta Sprint Coupé bauen sollte. Später wurde die Produktion der Giulietta Spider Pininfarina überlassen. Diese beiden kleinen Sportfahrzeuge waren gute Botschafter für italienisches Design.

Turin und Mailand – Modezentren der Automobilindustrie>

Es ist nicht verwunderlich, dass eine große Zahl von nicht-italienischen Automobilherstellern die Dienste von Bertone, Pininfarina, Ghia, Touring und ein paar kleineren Carrozzerias wie Vignale und Zagato für Ihre Modelle engagierten. Einige nutzen auch die Dienste der Stylisten wie Giovanni Michelotti, Pietro Frua und Giorgetto Giugiaro, um ihre „Brot und Butter Autos“ zu gestalten. Zu den Kunden für italienischen Karosserie-Stil zählten: Aston Martin, British Motor Corporation (Austin, MG, Morris, Wolseley und Riley), BMW, Bristol, DAF, Glas, GM, Peugeot, Triumph und Volkswagen.

Zwischen 1950 -1960, aufgrund der Abwertung der italienischen Lira waren die Dienstleistungen der italienischen Designer für Auftraggeber, die mit US-Dollar zahlten, sehr günstig.

Weiterhin haben viele Hersteller Technik nach Turin oder Mailand geschickt, um sie mit modischen Karosserien zu versehen.

Die 50er Jahre waren der Beginn eines Booms für die italienischen Carrozzerias. Es ist schade, dass in den letzten Jahren die meisten Unternehmen verschwunden oder einfach nur um ihr Überleben kämpften. Doch das ist eine weiteren Beitrag wert.