Wanderer „Puppchen“ Baujahre 1911 – 1926

Der Wanderer „Puppchen“ wurde von 1911 – 1926 gebaut. Doch ein wenig Geschichte vorweg. Die Wanderer-Werke vormals Winklhofer & Jaenicke AG wurden im Jahr 1885 gegründet. Begonnen wurde mit wenigen Mitarbeitern. Die Firma wechselte mehrmals in andere Gebäude in Chemnitz. 1885 (245 Mitarbeiter) wurde begonnen Fahrräder zu bauen. 1890 wurde die Werkzeugmaschinenfertigung, nicht nur für den eigenen Bedarf, aufgenommen. Im Vorort Schönau wurde ein neues großes Werk errichtet und 1895 bezogen. 1902 wurde der Bau von Motorrädern begonnen.

Wanderer Werke Logo am Modell 5/12PS  1911
Wanderer Werke Logo am Modell 5/12PS 1911 © Fotoquelle und Bildrechte: oldtimer-veranstaltung.de

Drei Jahre später begann die Firma mit der Produktion von Continental Schreibmaschinen und 1912 (1800 Mitarbeiter) wurde eine neue Abteilung «Motorwagenbau» ergänzt. Als erstes Fahrzeug wurde der Wanderer 5/12 PS gefertigt. Er wurde später im Volksmund «Puppchen (1)» genannt, da das Automobil sehr klein war und als Bühnendekoration für ein Theaterstück diente. 1914 hatten die Wanderer Werke über 3000 Mitarbeiter.

Gerhard Winklhofer, der Enkel des Gründers der Wanderer Werke, erzählt die Geschichte des Wanderer 5/12PS:


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Der im Video gezeigte grüne Wanderer 5/12PS ist heute im Eigentum von Gerhard Winklhofer. Das Fahrzeug hatte seine erste Zulassung am 1. Juli 1911 und der Motor hat 1130 ccm und 12 PS mit einem Leergewicht von 590 kg. Der Bruder Hubert Winklhofer ist Eigentümer des roten Wanderer mit versetzter Sitzanordnung. Der Wanderer 5/15 PS, Typ W8 mit geschlossenem Dach im Audi Museum entstammt der letzten Serie. Dieses Fahrzeug wurde 1923 nach Australien exportiert und kam mit den Originalpapieren 1996 nach Deutschland zurück. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen war er in einer verschlossenen Kiste, als Bausatz, unbenutzt in einer Lagerhalle seit 1923 eingelagert gewesen. Heute steht der kleine Wanderer in einer Glasvitrine im Audi Museum in Ingolstadt.

Die Sitze im Fahrzeug waren zunächst hintereinander, später versetzt angeordnet. Als Zubehör gab es für das «Puppchen» eine Scheibe für den hinten sitzenden Mitfahrer, um ihn vor Schmutz während der Fahrt ein wenig zu schützen. Übrigens die damaligen «Kotflügel» über den Reifen sollten vermeiden, dass auf den Wegen und Straßen liegender Dreck die Insassen erreichte. Der Begriff «Kotflügel» hat sich bis in die jüngste Zeit erhalten!

Es wurden etwa 3500 Exemplare gebaut, zuletzt mit einem Motor, der 15 PS bei 2000 U/min. mit 1307 ccm leistete.

Logo der Wanderer Werke und Auto-Union Chemnitz
Logo der Wanderer Werke und Auto-Union Chemnitz

Die Wanderer Werke wurden im Juni 1932 mit den Zschopauer Motorenwerk J. S. Rasmussen (DKW) mit seiner Tochtergesellschaft Audiwerke AG Zwickau, dem Horchwerk AG (ebenfalls Zwickau) zur Auto-Union AG Chemnitz fusioniert.

Alle Werke wurden 1945 entschädigungslos enteignet. Zu diesem Zeitpunkt waren bei Wanderer 10000 Mitarbeiter beschäftigt.

(1) Das Wanderer «Puppchen» hatte eigentlich die Typenbezeichnung W3 und W8. Der W3 bzw. W8 hat seinen Namen nach dem Lied aus der gleichnamigen Operette von Jean Gilbert, die 1912 in Berlin uraufgeführt wurde. In dem Moment, als der Sänger „Puppchen, du bist mein Augenstern …“ anstimmte, wird ein Wanderer W3 auf die Bühne geschoben. 14 Jahre baute Wanderer das «Puppchen».