Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mischten auch ehemalige Flugzeugbauer in der britischen Automobilprodduktion aus der damaligen Not heraus mit. Zu ihnen zählte die Bristol Aeroplane Company. Um seine Arbeiter und Angestellten nicht auf die Straße schicken zu müssen, entschied sich das Unternehmen, eine Autoabteilung zu gründen. Mit Aerodynamik und Maschinen kannte man sich ja aus, und bereits zu Kriegszeiten hatte Bristol mit Autos experimentiert, die Pläne aber verworfen.
Die Kapitulation der Deutschen war erst wenige Wochen alt, da begann Bristol damit, eng mit dem englischen Sportwagenproduzenten AFN Ltd. (Adlington, Frazer-Nash) zu kooperieren. Von 1934 an hatte dieses Unternehmen die Exklusivrechte für den Import von BMW-Modellen für das gesamte britische Empire bekommen, was Bristol nun die Tür zu BMW Konstruktionsplänen der Vorkriegszeit öffnete. Auf welche Weise diese allerdings legal den Ärmelkanal überquert hatten, ist bis heute umstritten.
Diebstahl in den Nachkriegswirren? Kriegsreparationen? Manche Historiker vermuten, dass BMW die Unterlagen aus Eisenach vor den Russen in Sicherheit bringen und sie lieber in westliche Hände geben wollte. Eine andere These besagt, dass BMW mit der Preisgabe der Pläne möglichst rasch die Erlaubnis zur Wiederaufnahme der eigenen Autoproduktion zu erhalten hoffte. Dafür spricht, dass die Münchner nichts dagegen einzuwenden hatten, dass Bristol bis weit in die 1950er Jahre die BMW typische Doppelniere als Kühler verwendete, während sie gerichtlich verbieten ließen, dass im beschlagnahmten Werk in Eisenach weiterhin Autos mit dem Namen BMW produziert wurden.
Wie auch immer: Fest steht, dass Harold John Aldington, einer der Besitzer von AFN Ltd., schon 1934 Lizenzen für BMW-Modelle erworben hatte, die in Großbritannien als „Frazer-Nash BMW“ verkauft wurden. Durch die enge Zusammenarbeit zwischen Bristol und AFN nach dem Krieg konnte sich der Senior-Partner Bristol nun die Neuentwicklung eines eigenen Autos sparen. So stellte das Unternehmen bereits 1946 mit dem Bristol 400 einen ersten Prototyp auf die Räder. Ihm folgte wenig später ein zweiter mit der Fahrgestellnummer 400/1/102, reif genug für eine Präsentation auf dem Genfer Automobil Salon. Dieses Fahrzeug kaufte zuvor Aldington.
1947 erblickte der erste Bristol mit zwei Achsen und vier Rädern das Licht der Welt. Er glich dem BMW 327, der von 1937 bis 1941 in Eisenach vom Band gelaufen war.
Treibende Kraft vor und hinter den Kulissen und Käufer des allerersten Bristol 400 war der Rennfahrer, Autohändler, Air Force-Pilot und Cambridge-Absolvent Tony Crook, später einige Zeit alleiniger Inhaber und Chef der Bristol Cars Ltd. Crook personifizierte das, was Festland-Europäer unter einen schrulligen Briten alter Tradition verstehen. Ein Händlernetz für Bristol-Fahrzeuge und Werbung hielt er für neumodische Dekadenz, eine e-Mail-Adresse überflüssig und Computer überhaupt für Zeitverschwendung.
Potenzielle Kunden sollten gefälligst persönlich in seinem Büro in der Londoner Kensington High Street vorsprechen und einen Antrag einreichen. Von Journalisten ließ er sich nur äußerst ungern stören. Ende der 1970er Jahre fertigte er einen Redakteur des Magazins „Auto, Motor und Sport“ mit dem Wunsch nach einem Testwagen mit den Worten ab: „Die Flugzeitschrift Flight bekommt ja auch keine Concord zum Testen.“ Diese Marotten hielt Crook bis 2007 aufrecht, dann wurde er drei Jahre vor der Insolvenz seiner Firma im Alter von 87 Jahren „wegen unüberbrückbarer Gegensätze die Zukunft von Bristol Cars betreffend“ entlassen.
Während Crook seinen Bristol in der Garage einsperrte, präsentierte Aldington den Seinen in Genf. Dessen Reihensechszylindermotor fußte auf einer BMW-Konstruktion aus den späten 1930er-Jahren, der für den BMW 328 entwickelt worden war: zwei Liter Hubraum, 55 kW oder 75 PS, 160 km/h. Das zweisitzige Cabriolet war Ende 1946 bei Pininfarina in Turin entstanden und trug zunächst den Namen Fraser Nash Bristol. Erst später, als sich die beiden Unternehmen wieder trennten, hießen die Nachfolgemodelle Bristol 2 Litre.
Harold John Aldington besaß nicht nur einen Direktorenposten bei Bristol, sondern zeichnete sich – wie Crook – darüber hinaus als erfolgreicher Rallyefahrer aus. Mit seinem Bristol belegte er 1948 und 1949 bei einigen Wettbewerben vordere Plätze, 1949 war sein Wagen bei der „Alpine Rally“ der einzige Bristol, der ohne Blessuren das Ziel erreichte. Später vervollständigte das Auto die Sammlung eines britischen Exzentrikers, der Prototypen und außergewöhnliche Fortbewegungsmittel schätzte. Er benutzte den Wagen für alltägliche Fahrten ebenso wie für Wettbewerbe.
1989 war eine Verjüngungskur für den Bristol 400 überfällig. Doch kurz nachdem er bei Spencer Lane-Jones, dem renommiertesten Bristol-Restaurator auf der Insel angekommen war, segnete sein Besitzer das Zeitliche. Jetzt kaufte Christine Lane-Jones, die finanzkräftigen Mutter des Restaurators, den Oldtimer. Hier verbrachte er die folgenden zehn Jahre und wurde nach und nach unter der Maßgabe „Geld spielt keine Rolle“ in einen neuwertigen Zustand zurückversetzt.
Erneut fand ein Besitzwechsel statt, diesmal an einen Amerikaner. Erneut wurde der Wagen viel bewegt und lernte Straßen in Europa ebenso kennen wie Highways in den USA. Kein Wunder, dass der Bristol 400 danach eine Reihe von Preisen bekam und gern gesehener Gast bei Oldtimer-Treffen war wie etwa beim Louis Vuitton Concours im exklusiven Londoner Hurlingham Club oder dem Villa d’Este Concours d’Elegance am Comer See.
In Mai 2016 fand erneut ein Besitzerwechsel statt. Bei einer Versteigerung von Sotheby’s in Monte Carlo wurden 224.000 Euro für den Wagen bezahlt.