Fahren im aktuellen Verkehr mit Autos aus der Vorkriegszeit

Über das Fahren mit “Vorkriegsautos” im heutigen Verkehr macht sich Frank Schädlich Gedanken.

Die Klassifikation von historischen Fahrzeugen

Ja, die Zeiten ändern sich heutzutage recht rasant! Das man derzeitig noch am täglichen Straßenverkehr mit einem Oldtimer „ungestört“ teilnehmen darf, muss man schon als Glück bezeichnen. Wie lange das noch möglich ist steht in den politischen Sternen. Sei‘s drum. Ich erlaube mir speziell als Fahrer von sogenannten Vorkriegsautos (VK) etwas zu den Möglichkeiten, Gefahrenquellen und Fahreigenschaften dieser Automobile beizutragen. Vielleicht hilft‘s dem Einen oder Anderen diese Fahrzeuge, deren Fahrer und Fahrverhalten besser einschätzen zu können.

Vorab, die eigenwillige Unterteilung der Oldtimer-Fahrzeuge in Vor- bzw. Nachkriegsfahrzeuge geht mir persönlich etwas auf das Gemüt. Was heißt schon Vorkrieg? Vor 1918 oder vor 1945? Der damit gemeinte Zweite Weltkrieg ging bis 1945. Also wäre Vorkrieg richtigerweise vor 1939. Dazwischen kommt nix und ab 1945 Nachkrieg. Die Kennezichnung ist wenig präzise. Abgesehen davon das Fans von sogenannten “Messingautos” mit Vorkrieg sowieso den Ersten Weltkrieg meinen ist dann bis 1945 Nachkrieg und dann kommen Gebrauchtwagen. Youngtimer kommen gar nicht vor. Das ist also genauso unsinnig. Die Klassifikation der FIVA bietet uns eine klare und Aussagekräftige Definition:

Klasse A: bis 31.12.1904 (Ancestor)
Klasse B: bis 31.12.1918 (Veteran)
Klasse C: bis 31.12.1930 (Vintage)
Klasse D: bis 31.12.1945 (Post Vintage)
Klasse E: bis 31.12.1960 (Post War)
Klasse F: bis 31.12.1970
Klasse G: nach 1.1.1971

However, bleiben wir der Einfachheit halber bei den lieb gewordenen Begriffe Vor- und Nachkriegs Oldtimer.

Veteran Cars
Veteran Cars

Gedanken zur History

Wie kann man es auf den Punkt bringen: “Ohne Geschichte, keine Gegenwart” oder so ähnlich. Vorkriegsfahrzeuge haben nun einmal im Gegensatz zu Nachkriegsfahrzeugen meistens eine sehr “persönliche” Geschichte. Ein Auto das 10x, 100x oder auch nur 1000x mal von Stellmachern und Karosserieschneidern auf Wunsch des Kunden in Manufakturen konfektioniert wurde, hatte nun mal damals einen höheren Stellwert als die Massenprodukte der Nachkriegszeit. Diese Wagen wurden gehegt, gepflegt und als quasi Familienmitglied lange Zeit im Besitz der selbigen gehalten. Was man von den Schiffladungsweise in die US verkauften kleinen Engländern der Nachkriegszeit nun wahrlich nicht behaupten kann. “Glücklich”, wenn diese in den 90ern des letzten Jahrhunderts von eifrigen Restaurieren aus den Kalifonischen Sanddünen gezerrt und wieder straßenreif gemacht wurden.

Horch 710
Horch 710

Fahrzeuge der “Vorkriegszeit” hatten neben dem hohen Prestigewert für die Besitzer in Ihrer Zeit auch einen hohen realen Wert. Autos im Allgemeinen galten vor 1945 als blankes Luxusgut. Wer sich solch ein Fahrzeug leisten konnte war schon Jemand. Schauspieler, Adelige, Industrielle waren das Käuferpotential für die größeren Fahrzeuge. Höhere Beamte, Ärzte, Selbständige fuhren bereits damals schon in Stückzahlen hergestellten Fahrzeuge wie beispielsweise Opel, DKW oder Adler. Und so etwas schmeißt selbst der gut betuchte Besitzer nicht so einfach auf den Schrott. Manche dieser Fahrzeuge verschwanden nach ihrer aktiven Dienstzeit in Scheunen und Remisen sofern Sie nicht beim Militär endeten. Man erzählte sich noch lange in der Familie Geschichten über dieses nun museumsreife Stück. Selbst wenn das Fahrzeug veräußert wurde, gab der Vorbesitzer, die die Historie des Fahrzeuges möglichst weiter gaben.

Ein Grund warum noch heute in England Scheunenfunde keine Seltenheit sind. In Deutschland ist ein echter Scheunenfund heute genauso selten wie ein 6er im Lotto. Der Eindruck welcher bei Oldtimer-Veranstaltungen entsteht, Vorkriegsfahrzeuge waren nur dicke Mercedes, Horch oder Wanderer, täuscht schlichtweg. Autos, die es damals bereits in größeren Serien produziert wurden sind während des Krieges requiriert und gingen an den diversen Fronten unwiederbringlich verloren.

Scheunenfund mit Rost und Dreck
Scheunenfund mit Rost und Dreck

Der Kampf mit der Technik

Zur Technik, ja da können wir doch wieder mitreden? Kennen wir uns doch aus oder? Stimmt und stimmt auch wieder nicht. Die überlebenden Fahrzeuge haben aus unserer Sicht eine einfache und überschaubare Technik. Kunststück, haben wir nicht unsere Weisheiten schon in der Grundschule aufgesaugt? Vergaser, 4-Takt, 6 Zylinder usw. stellen für uns heute keine Geheimnisse mehr dar. Hand aufs Herz wer von uns hat schon mal selbst etwas erfunden, konstruiert und der Allgemeinheit zugänglich gemacht? Der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig, selbst Otto hat den Benzinmotor nicht erfunden, er hat lediglich den 4. Takt zu den bereits bekannten 3 Takt Motoren “hinzugefügt”. Aber das ist aus heutiger Sicht unwichtig. Wichtiger zu wissen ist das Fahrzeuge bis ca. 1945 teilweise erheblich von unserem heutigen technischen Verständnis abweichen können. Demzufolge ist das auch bei der Bedienung und dem Fahrverhalten der Fall. Irrwege der technischen Entwicklungen sind ebenso inbegriffen wie auch Erfindungen die es schon in den 20ern gab, wie oben liegende Nockenwelle, Vierventiler, hydraulische Bremsen und dergleichen mehr. Der Spruch “es geht nichts über Hubraum” kommt aus eben dieser Zeit. Aber weniger weil die Ingenieure nicht wussten, dass es Drehzahl auch tun würde, sondern die Beschränkungen aus der Materialbeschaffenheit und -güte, welche bei der Konstruktion hohe Drehzahlen einfach nicht zuließen. Kompressoren sollten Abhilfe schaffen. Nun bei Mercedes hatte man das in den Griff bekommen, zumindest für eine kurze Betriebsdauer. Bei Bentley, die berühmten Blower, war das schlicht ein Flop, diese brachten in Renneinsätzen nie die gewünschte Leistung.

Schauen wir uns einmal vollkommen unvoreingenommen die wichtigsten Komponenten eines Autos der damaligen Zeit an. Geändert hat sich am Prinzip bis heute fast nichts.

Bugatti
Bugatti

Der Motor klar, das ist auch heute noch das wichtigste. Da wird getuned, gemacht, getan und betrogen. Das war damals auch schon so. Nur das Alles was man probierte absolutes Neuland war. Dabei war der Benzin-Motor neben Elektro- und Dampfmotor nur eine der möglichen Lösungen. Bis weit in die 20er hinein konnte sich Fahrzeuge mit bedienungsfreundlicherem Elektromotor durchaus erfolgreich behaupten. Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich dann der Verbrennungsmotor endgültig in Deutschland durch. Die unwissende Landbevölkerung, die bis dahin die Fahrzeuge als “Teufelswerk” ablehnend gegenüber stand hatte die Segnungen der Technik (Tanks, Marne Taxis, Truppentransporter, Lazarettwagen) im Krieg zu spüren bekommen und akzeptierte mehr und mehr motorisierte Fahrzeuge.

Die Entwicklung des Motors machte in dieser Zeit große Fortschritte. Es ist dabei ein himmelweiter Unterschied ein Fahrzeug in der Zeit um 1920 oder eines um 1935 zu fahren. Die Weiterentwicklung der Technik ist fast mit “Händen” zu greifen. Von der großvolumigen Antriebseinheit bis hin zum immer schneller drehenden Motor wurde alles ausprobiert und hat für unsere heutigen Motoren den Weg bereitet. Die Nebenaggregate des Motors wie Anlasser, Lichtmaschine, Kühler, Wasserpumpe oder Thermosiphonkühlung und hydraulische Bremse wurden lange Zeit vernachlässigt und setzte sich erst nach und nach in der heutigen Zuverlässigkeit durch. Selbst in manchen Nachkriegsautos ist noch eine Möglichkeit zum Anlassen per Kurbel alternativ noch vorgesehen (Beispiel Renault R4 von 1961), also so ganz traute man dem elektrischen Anlasser wohl immer noch nicht.

In der Zeit vor 1945 war es einfach: große, teure Wagen hatten genügend Motorleistung zur Verfügung, kleinere, billigere weniger bis fast nichts.

Der Gefühlvolle Umgang mit dem Getriebe

Kommen wir zum Getriebe eines VK Fahrzeuges. Ein schwieriges Thema für die damaligen Konstrukteure. Es galt die teilweise vorhandene hohe Motorleistung auf die Straße zu bringen. Ich selbst hatte einmal das Glück in einem Mercedes Simplex mit 14 Liter Hubraum, volle Leistung bei einer Drehzahl zwischen 500 und 1000 Umdrehungen, mitzufahren. Der Fahrer schaltete das unsynchronisierte Getriebe mit einer wahren Meisterschaft und brachte mühelos die überlegene Leistung des Motors auf die Straße. Moderne Autos wurden gnadenlos “platt gemacht”.

Nur und das muss man ehrlich sagen diese Virtuosität mit einem nicht synchronisierten, schwergängig zu schaltenden Getriebe ist heutzutage nur den Wenigsten gegeben. Ich schließe mich da nicht aus. Es gab sogar einen amerikanischen Wagen der ganz ohne Getriebe auskam. Angefahren wurde mit dem Anlasser, den Rest erledigte ein Drehmoment starker Motor. Glücklicher waren die Besitzer eines Pre-Selektor Getriebes. Da wird ähnlich wie in der heutigen Formel 1, ein Gang vorgewählt und beim Tritt auf die Kupplung eingerückt. Das geht natürlich problemlos. Ansonsten ist das sogenannte Zwischengas und Kupplung betätigen angesagt.

Die Jüngeren werden eh’ damit nichts anfangen können, daher hier kurz erklärt. Hochschalten: Kupplung treten, eingelegter Gang raus, waren bis Motordrehzahl merklich sinkt, erneut Kupplung treten neuer Gang rein. Wenn man die Drehzahl richtig getroffen hat, dann schieben sich die Getriebezähne Geräuschlos ineinander. Wenn nicht, Crashbox! Runterschalten: Kupplung treten, Gang raus, Gas Stoß geben damit Motor hoch dreht, Kupplung treten neuer Gang rein. Wenn man das Runterschalten zur Drehzahlreduzierung (Motorbremse) nutzen will ist das nicht gerade einfach. Vor starken Gefällen sollte man tunlichst vorher herunter schalten. Ach ja, und so nebenbei muss noch der Zündzeitpunkt für langsame Fahrt und bei schneller Fahrt per Hand gefühlvoll verstellt werden. Vergisst man das verliert der Motor Leistung. Das passiert natürlich auch beim Zurückschalten.

Klar, die Fahrer kannten das damals nicht anders und haben das auch problemlos bewältigt. Nur heute ist das schon eine starke Umstellung. Das Anfahren an Ampeln gestaltet sich dabei besonders “lustvoll”, abgesehen davon dass man möglichst versucht eine grüne Welle zu erwischen, um das Wiederanfahren nebst Schaltvorgängen zu vermeiden. Also ständiger nervöser Blick auf die Ampel möglichst wenn der Querverkehr rot bekommt schon mal den Gang reinwürgen und “Drinnen”, gut. Wenn nicht wird verzweifelt zwischen Rückwärts- und Vorwärtsgang hin und her geschaltet um den Ersten rein zukriegen. Ansonsten Anfahren mit dem Zweiten, geht bei genügender Leistung und viel Hubraum (Drehmoment) ja auch. Dann Gas geben und anfahren, bereits auf der Kreuzung nach einigen Metern den Zweiten mit Zwischenkuppeln rein usw.. Ein hohes Ausdrehen des Motors bringt nichts, da die Drehzahl beim Hochschalten ja wieder runter muss. Möglichst schnell auch den Dritten hinein und wenn es den geben sollte, dann den Vierten Gang einlegen.

Auf einer einsamen Landstraße mit einer kaum benötigten Ampel für querende Fahrradfahrer ist das kein Thema. In der Stadt ist das eine Tortur für den Fahrer und natürlich für die hinter ihm stehenden modernen Fahrzeuge. Man kann von deren Lenkern ja nicht unbedingt erwarten das Sie sich freuen, wenn Sie bei jedem Schaltvorgang ausgebremst werden und maximal drei weitere Autos über die Ampel kommen. Spätestens beim 2. Ampelstopp werden diese versuchen in den unmöglichsten, ja oft gefährlichen Stellen, zu überholen.

Leider kommt das vor, manches Mal wird noch auf der Kreuzung überholt! Dass dieses für alle Beteiligten höchst gefährlich ist, braucht ja wohl nicht extra betont zu werden. Dann endlich hat man die Kiste am “fliegen”. Innerhalb kürzester Zeit läuft man dann auf die Fahrzeuge auf, welche es vorher so eilig hatten und gefährlich überholten. Man erscheint Format füllend in deren Rückspiegel. Wahrscheinlich denken die Fahrer dieser Autos man wäre komplett nicht bei Trost, erst wie eine Schnecke los fahren und dann Gas geben und halten mit langem Bremsweg.

BMW 328 Getriebe
BMW 328 Getriebe System Hurth © Fotoquelle und Bildrechte:BMW Group Classic

Einen kühlen Kopf bewahren

Die Technik unseres Vorkriegswagens ist nie für Ampeln gebaut worden, sondern einfach nur um zu fahren. Fahren erzeugt nun mal Fahrtwind und genau den brauchen viele der ganz Alten. Gerade im Bereich der Vorkriegs-Oldtimer war die Thermosiphonkühlung neben anderen Bauarten sehr häufig anzutreffen. Im Wesentlichen ein Kühlsystem ohne Wasserpumpe. Die Wasserumwälzung erfolgt durch den Temperaturunterschied des Wassers vom Motor zum Kühler.

Was das im täglichen Verkehr bedeutet kann ein unbedarfter heutiger Fahrer kaum nachvollziehen. Der kleinste Stillstand sei es an einer Ampel, ein Stau oder die stockende Einfahrt zu einer Oldtimer-Veranstaltung führt sofort zu einer erhöhten Wassertemperatur des Motors. Damit nach einiger Zeit zur Überhitzung des Motors (und des Fahrers) und einem kapitalen Motorschaden, meist wegen defekter Zylinderkopfdichtung.

Die Möglichkeit versteckt einen modernen Lüfter einzubauen kann aber je nach Bauart leider nicht immer genutzt werden. Noch dazu kommen in vielen Fällen die schön anzuschauenden Wassertemperaturinstrumente auf dem Einfülldeckel des Kühlers. Nicht immer sind diese exakt oder können im Sonnenlicht gut abgelesen werden. Mithin ist der Vorkriegsfahrer immer einem gewissen Stress ausgesetzt die aktuelle Temperatur zu beobachten und mit entsprechender Fahrweise diese zu stabilisieren. Ein probates Mittel ist durchaus mit offener Motorhaube zu fahren. Für heutige Beobachter ein vollkommen irritierendes Verhalten. Da wird durchaus unterstellt es mit einem gewissen “Protzgehabe” zu tun zu haben. Im aller größten Notfall sofort rechts heranfahren, um einen Motorgau zu vermeiden. Natürlich in der Hoffnung das der nachfolgende moderne Verkehr die Notsituation erkennt. Spätesten bei einem qualmenden Kühler kommt dann sicher die Erleuchtung.

Von Schleichern und Bremsern

Fahren, genau das wollen wir ja, nur wird der heutige Verkehr auch von vielen „Schleichern“, rücksichtslosen und unsicheren Fahrern dominiert. Wenn ich mit einem normalen Fahrzeug unterwegs bin, dann überhole ich einfach. Das geht mit dem Oldtimer aber häufig nur als “Überraschungs-Coup”. Denn, wenn Schleicher merken, dass man überholen will dann geben die natürlich sofort Gas in Erinnerung unseren letzten Ampelstarts. Das ist verständlich. Mithin ist man jetzt auf Teufel komm raus gezwungen hinterher zufahren obwohl man mehr Leistung zur Verfügung hätte.

Dann kommt aber auch gleich die nächste Restriktion eines Vorkriegsfahrzeugs, die Bremsen. Man ist beim Hinterherfahren in Kolonnen immer gut beraten einen ausreichenden Bremsabstand zu halten. Die Bremsen packen zwar beherzt zu, aber manchmal etwas unkontrolliert. Ist ja bei Gestänge- und Seilzugbremsen selbst bei bester Wartung nicht anders zu erwarten. Bei manchen sehr alten Fahrzeugen werden auch nur die Hinterräder gebremst. Das Fahrzeug muss während des Bremsvorganges meistens etwas korrigiert werden. Selbst hydraulische Trommelbremsen aus der Zeit verziehen immer etwas. Also muss man falls eine unerwartetes Stoppen ansteht immer genügend Raum haben.

Nur wird heutzutage der sorgsam zum Vordermann gehaltene Abstand des Oldies als “Schwäche” ausgelegt und als Aufforderung zum Überholen betrachtet. Moderne Fahrzeuge überholen und schließen gnadenlos die Lücke. Jetzt wütend zu hupen bringt wenig, der Döskopp weiß gar nicht, dass er gerade mit seinem Leben gespielt hat. Vor einigen Jahren kam es im Taunus zu einem schweren Unfall als ein Golf rücksichtslos in eine Lücke drückte. Da hilft Ihm auch kein technischer Schnickschnack wenn zwei Tonnen hinten in das vorausfahrende Fahrzeug reinkrachen. Da ist seine Knautschzone weg wie nix, denn unter einem großen Vorkriegswagen verbirgt sich meisten ein schweres, sehr, sehr stabiles Fahrgestell.

Dann gibt es da auch noch die gnadenlosen “im letzten Moment Abbieger”. Dieser Typus ist unberechenbar und noch gefährlicher als der Lückenspringer. Ich selbst habe schon einige Vollbremsungen hart an der Grenze wegen derartig rücksichtslosen Fahrern machen müssen. Man fährt in moderater Geschwindigkeit (80 – 90 km/h) auf der Landstraße an eine Kreuzung heran. An welcher, wir sehen es schon von weitem, ein zum Abbiegen bereites Auto steht. Wird er rausfahren oder nicht? Er steht und steht, nur um im letzten Moment vor uns heraus zu fahren. Die Schaltvorgänge in diesen Hirnen sind mir unverständlich. Aber wahrscheinlich registrieren Sie im letzten Moment das ein Oldtimer kommt und ein Oldtimer ist ja nun wohl langsam. Oder? Also schnell noch vor dem raus. Wenn die dann noch Beschleunigen würden, wäre ja alles ok. Nur tun die das aber meistens nicht, sondern glotzen mit offenem Mund in den Rückspiegel was da so kommt. Hin und wieder habe ich das Glück dann bei freier Straße auf den letzten Meter aufzufahren und “vorbeizudonnern”. Wenn dann noch ein „Blondi“ neben dem jugendlichen Formel 1 Aspiranten sitzt kann man sich das sofort angesetzte Retourkutsche-Überholmanöver vorstellen. Man glaubt gar nicht wie “breeeeit” so ein Vorkriegsauto auf einer Landstraße dann plötzlich werden kann…

Optische Prüfung Stossdämpfer
Optische Prüfung Stossdämpfer

Herausforderung Straßenbelag

Eine Anmerkung zum “breit” werden auf der Landstraße. Fahrwerk, schmale hohe Reifen und Lenkung lassen mitunter gar keine andere Fahrweise zu. Bei Oldtimer Rallyes werden ja mit Vorliebe die kleinsten möglichen Strässchen ausgesucht. Das ist gut so und macht Spaß. Nur bringt es den Fahrer eines alten Gefährtes zuweilen arg in Bedrängnis. Das Fahrzeug wird hin- und hergerissen von den schlechten Belägen der Fahrbahn und springt von Schlagloch zu Schlagloch wie ein junges Fohlen wegen der nur bescheidenen Leistung der Reibungsstoßdämpfer. Dabei ist der Fahrer im höchsten Maße gefordert, da er das natürlich mit der meist schwergängigen und ungenauen Lenkung ausgleichen muss. Jetzt in ein Loch im Randstreifen zu kommen würde unweigerlich den Ausstieg zur Folge haben. Also was tut der Fahrer, er versucht sich möglichst in der Mitte der Fahrbahn zu halten. Bei Rallyes kann er bestenfalls auf Verständnis der anderen Verkehrsteilnehmer hoffen, im normalen Verkehr jedenfalls nicht. In der damaligen Zeit waren die Straßenbeläge noch wesentlich schlechter. Nur man fuhr auch langsamer und der Verkehr war natürlich deutlich geringer, so das Ausweichen eigentlich kein Thema war, wenn nicht gerade der unwillige Lenker eines Fuhrwerks mit seinen scheuenden Pferden entgegen kam.

Angeraten wäre es heutzutage jedem modernem Auto welches auf enger Landstraße überholen will möglichst kurz zu hupen damit der Fahrer des Oldtimers die Situation erkennen kann und Platz macht. Hupen ist übrigens als Warnsignal beim Überholvorgang erlaubt. Weiß aber kaum einer mehr. Der Oldtimer-Fahrer wird dann auch willig beiseite fahren, aber an einer Stelle die für Ihn gefahrlos erscheint. Denn wenn man glaubt, dass der Fahrer eines so alten Autos ständig im Rückspiegel den Nachfolgenden Verkehr beobachtet, der täuscht sich da gewaltig. Der Mann hat genug damit zu tun das Fahrzeug auf der Straße zu halten.

Auf der Fahrt zum Bäcker

Für vergleichsweise normale Fahrten zum Brötchen holen beim Bäcker sind derartige Vorkriegsfahrzeuge schlichtweg vollkommen ungeeignet. Mit einem Nachkriegsoldie geht das meistens problemlos. Diese sind ja de facto fast schon moderne Autos. Garage auf, Schlüssel drehen und los geht’s.

So einfach ist es mit einem Vorkriegswagen nicht. Eigentlich nie. Einige Vorbereitungen müssen meistens getroffen werden. Genug Benzin im Tank (nicht jeder hat eine Tank Uhr), Wasser ok, Zündung richtig auf Start gestellt, Benzin in den Vergaser vor gepumpt, etwas Startpilot nach langer Standzeit, Choke und Start. Noch etwas aufwendiger ist natürlich der Start mit einer Kurbel. Einige Minuten, wir wissen das ist nicht so gut für die Maschine, im Leerlauf töckeln lassen, Choke langsam zurücknehmen, Zündverstellung nach führen und los geht‘s. Die 500 Meter zum Bäcker hätten wir zu Fuß jetzt inklusive Einkauf schon hinter uns gebracht. Sei’s drum.

Haben wir unser Ziel erreicht, stellt sich immer die Frage des Parkplatzes. Zu eng darf’s auf keinen Fall sein sonst kommen wir beim losfahren durch andere Knapp-Parker eventuell nicht wieder aus der Lücke. Ein großer Wendekreis trägt zu diesem Dilemma zusätzlich noch bei. Außerdem wollen wir ja auch die “beliebten” Türschmarren gedankenloser Zeitgenossen vermeiden. Haben wir dann endlich unseren Einkauf getätigt, können wir uns „lustvoll“ im Interesse herumstehender Passanten räkeln. Bei einem Nachkriegsoldtimer ist es ja auch so ganz lustig. Aber je älter das Fahrzeug, desto größer die Schar der Interessierten inklusive der beliebten Fragen nach Kaufpreis und Benzinverbrauch des Wagens. Letztere in Zeiten der Klimaschutzdiskussionen eine heikle Frage. Dann auch noch einen flüssigen Start hin zulegen ist schon problematisch. Auf solche Showeinlagen kann ich persönlich verzichten, mir ist das eher unangenehm. Lässt sich aber von der Sache her nicht vermeiden.

Schon aus diesen Gründen kann man sagen ein Vorkriegsauto ist nur noch bedingt alltagsfähig. Der Aufwand um von A nach B zu kommen, ist nur lohnenswert wenn es sich um eine größere Entfernung oder eine Veranstaltung handelt. Natürlich kann man mit einem Autohänger zu einer Veranstaltung fahren nur um dann dort einige AvD oder ADAC behütete Kilometer abzuspulen. Na ja, mit dem ursprünglich Gedanken des Automobiles hat das dann allerdings weniger zu tun. Selbst in den Urlaub fahren kann man mit so einem Gerät nur bedingt, es dauert einfach zu lange. Außerdem braucht man bei Übernachtungen eine sichere Parkgelegenheit. Mit sportlichen Beifall kann man diejenigen bedenken, die trotz dieser Hindernisse auf eigener Achse zu Veranstaltungen fahren, an dieser teilnehmen und sich Sonntagsabend wieder auf den Rückweg mit Ihrem Vorkriegs Oldie machen.

Der Spaßfaktor an und für sich

Nun werden wieder einige Menschen sagen, warum tut man sich diesen Akt mit den uralten Kisten überhaupt an? Die Antwort ist klar: “weil’s eben Spaß macht”. Der Fahrer eines “normalen” PKW der diese Frage auch einem Nachkriegsoldtimer Fahrer stellt, würde sicherlich die gleiche Antwort bekommen!

Der Spaßfaktor einen Oldtimer zu bewegen ist schlicht unabhängig vom Baujahr des Fahrzeuges. Nur sind eben die Rahmenbedingungen durch Baujahr und Bauart bedingt stark unterschiedlich. Man kann mit einem Oldtimer aus den Zeiten vor den Kriegen bei 80 km/h genauso ins Schwitzen kommen wie mit einem vergleichsweise modernen Oldtimer der in flotter Fahrt auf dem Nürburgring bewegt wird.

Vauxhall-20:60-Hurlingham_1a

Natürlich trifft man in „freier Wildbahn“ und außerhalb einer Veranstaltung Vorkriegsfahrzeuge eher selten an. Und wenn dann grüßt man diese Fahrzeuge voller Bewunderung fast automatisch. Etwas enttäuschend ist bisweilen die nicht erfolgende Reaktion des Fahrers. Aber hier muss man zur deren Ehrenrettung vermerken, dass der Betrieb dieses Fahrzeuges eben im heutigen Verkehr oft die volle Aufmerksamkeit erfordert. Gedanken wie: „Wird der vor mir etwa bremsen, wie ist die Temperatur…?“ überwiegen da bei weitem und lassen das freundliche zurück Grüßen in den Hintergrund treten.

Meine Bitte wäre, freut Euch doch über jede alte Kiste die Euch begegnet, wenn Ihr in Eurem schnellen Fahrzeug unterwegs seid. Seht den Autos und Ihren Fahrern – die manchmal fast selbst das Alter Ihres Fahrzeuges erreicht haben – Ihre kleinen Altersbedingten Schwächen nach. Freut Euch lieber drüber das hier historisches Material trotz aller Erschwernisse im heutigen hektischen Verkehr bewegt wird.

Text: Frank Schädlich