Wer öfters eine Oldtimer-Messe besucht und sich für rare Fahrzeuge interessiert, der wird manchmal fündig. Es erinnert ein wenig an das Briefmarkensammeln in der Kindheit. Am Stand der Alt-Ford-Freunde in Stuttgart hat ein Brütsch 1200 gstanden.
Wann und Wie Alles begann
Der Schöpfer dieser Limousine, Egon Brütsch, (1904-1988) war der Kunststoff-Pionier im deutschen Automobilbau.
Als Sohn eines wohlhabenden Strumpffabrikanten im hohenzollerschen Jungingen konnte er früh schon Motorrad- und Autorennen recht erfolgreich bestreiten. Nach dem Krieg ermöglichte ihm der Tauschhandel mit den begehrten Textilien sogar den Eigenbau eines Rennwagens mit Maserati-Motor. „EBS“ hieß dieser, was für Egon Brütsch, Stuttgart, stand. Regeländerungen und die Währungsreform hätten ihn 1948 zum teuren Bau eines neuen Modells gezwungen – eine Ausgabe, die der mittlerweile 44-Jährige scheute. Stattdessen baute er den Rennwagen als Spielzeug für Kinder aus reichem Hause im Maßstab 1:2, mit einem kleinen Zweitaktmotor. Das Modell sorgte für Furore. Die Bilder eines reichen Engländers, der das Modell für seinen Sprössling mit dem Privatflugzeug abholte, gingen damals im Jahr 1950 durch die Presse.
Bald jedoch versuchte sich Brütsch an einem kleinen Auto für Erwachsene. Erst ein-, dann zweisitzig, zeigten zwar verschiedene Investoren Interesse, eine Produktion kam jedoch nicht zustande. Anschließend nahm Brütsch einen 400er Lloyd-Motor und baute ein schnittiges Coupé. Als er allerdings behauptete, er hab dem Motörchen erst einmal das viel belächelte Heulen abgewöhnt, reagierte der Bremer Konzern-Chef Carl Borgward ziemlich sauer und setzte einen Anwalt auf ihn an.
Drei Karossen aus Blech von Wendler, eine aus Kunststoff von Wacker
Im April 1954 dann der nächste Coup: Egon Brütsch nahm die Mechanik eines verunfallten Weltkugel-Taunus 12m, konstruierte ein eigenes Chassis und ließ bei Wendler in Reutlingen eine elegante Karosserie aus Blech darüber setzen: Zwei Coupés und ein Cabriolet entstanden so.
Neue Ideen und Projekte von Brütsch
Zur gleichen Zeit kam ihm eine Idee. Auf der Autobahn grübelte Brütsch über neue Wege, wie man teure Pressgesenke für Stahlblech vermeiden konnte. In den USA gab es seit 1952 verschiedene Autos mit Kunststoff-Karosserie, den Woodwill Wildfire, den Glasspar Roadster, Kayser Darrin und natürlich die Chevrolet Corvette, seit 1953 auf dem Markt. Brütsch erweiterte den Gedanken wie ein Bootsbauer, ähnlich dem Schokoladen-Ei der Kinder-Überraschung: Eine obere und eine untere Hälfte aus glasfaserverstärktem Kunststoff wurde mit einer umlaufenden Flanschfläche verklebt. Fertig ist die Karosserie!
So experimentierte er mit Matten und Töpfen von BASF in Ludwigshafen und baute den „Spatz 200“, einen dreirädrigen Roadster im Westentaschenformat. Dieses Konzept konnte er an Investoren verkaufen – es war der Urtyp des Victoria Spatz, aber das ist eine andere Geschichte. Prototypen und Kleinstserien folgten, Kuriositäten wie die Mopetta und Rollera, Pfeil und V2. Aber alle Modelle zusammen wurden keine hundertmal bei Brütsch gebaut! Lediglich der Spatz brachte es, allerdings vom legendären Tatra-Konstrukteur Hans Ledwinka komplett umkonstruiert und mit Zentralrohrrahmen versehen, auf 1588 Exemplare. 859 entstanden als Spatz 200 bei der Bayerischen Autowerke GmbH in Nürnberg, anschließend noch 729 Stück bei Victoria.
Autombilbau Brütsch Ende
Im Herbst 1958 war das Abenteuer Automobilbau für Brütsch vorbei. Es hatte ihm jede Menge Ärger und Kosten gebracht. Der „Motor-Reporter“ aus der Schweiz sagte damals: „Wäre der Publikumserfolg bei Ausstellungen ein Wertmesser für den finanziellen Erfolg, müsste der Mann schon längst Millionär sein.“ Egon Brütsch nutzte seine Erfahrung in der noch neuen Kunststoffverarbeitung und wurde eine Pionier des Fertighauses. Davon konnte er gut leben.
Ja, und dann war da noch der Brütsch 1200, mit seinen drei Stahlblechkarosserien von Wendler. Und weil Brütsch 1954 gerade mit der Glasfaser experimentierte, entstand ein vierter „1200“ mit Kunststoffkarosserie beim Fahrzeugbau Wacker in Pforzheim.
Text und Fotos: Achim Gandras