Seit 2014 gibt es in Frankreich wieder einen Concours d’Elegance, der an die mondäne Tradition der Vorkriegszeit anknüpft – die Arts & Elegance auf Schloss Chantilly bei Paris. Man wundert sich, dass es so lange gedauert hat, bis die sonst so lebendige französische Klassikerszene nachgezogen hat. In England, Italien und Deutschland gibt es schließlich seit vielen Jahren etablierte Concours-Veranstaltungen, die die schönsten Autos aus aller Welt anziehen. Am 6. September 2015 war es nun auch in Frankreich wieder so weit und der Verfasser hat auf dem Weg zum Goodwood Revival in England der zweiten Auflage des Concours in Chantilly beigewohnt.
Eines vorab: Was die Örtlichkeit angeht, haben die Franzosen eine exzellente Wahl getroffen. Das Barockschloss Chantilly nördlich von Paris liefert mit seiner grandiosen Architektur und dem riesigen Park eine ideale Bühne für die Präsentation edler Karossen. Auf dem Areal werden traditionell auch hochklassige Pferderennen abgehalten, weshalb die Anlage auf viele tausend Besucher ausgelegt ist.
Die Concours-Autos werden auf ausgedehnten Rasenflächen vor dem Schloss mit viel Abstand zueinander präsentiert. Dadurch lassen sich die meisten Fahrzeuge aus allen Richtungen genießen, ohne dass gleich der nächste Wagen ablenkt. Die Anordnung erlaubt auch Blickbezüge zum Schloss und schafft so hervorragende Gelegenheiten zum Fotografieren aus reizvollen Perspektiven.
Die meisten Concours-Fahrzeuge waren eine Augenweide, boten aber kaum größere Überraschungen. Neben diversen Ferrari, Maserati und Mercedes-Benz, die man andernorts schon gesehen hat, wurden einige Wagen kleiner Marken wie OSCA und SIATA geboten. Die britischen Edelmarken Rolls-Royce und Bentley waren mit auffallend wenigen Exemplaren repräsentiert. Im französischen Sektor waren dagegen etliche herausragende Fahrzeugen aus feinen Häusern wie Bugatti, Delahaye und Voisin zu bewundern.
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Eine besondere Aura strahlte ein hervorragend erhaltener, unrestaurierter Voisin C14 von 1930 aus, der seinem erneuerten Gegenüber die Schau stahl. In der Patina-Fraktion traten außerdem Vorkriegs-Grandprixwagen von Bugatti und Alfa Romeo an. Von den in Frankreich einst zahlreichen kleineren Marken der Vorkriegszeit war mit Ausnahme eines Ballot und eines herrlichen Turcat-Mery allerdings wenig zu sehen. Stattdessen wurde gleich eine ganze Armada an Sonderversionen der legendären DS von Citroen aufgeboten. Keine davon konnte jedoch nach Ansicht des Verfassers mit der einzigartigen Linie des Originals mithalten, die seinerzeit vom Ausnahmetalent Flaminio Bertoni gestaltet wurde.
Die ausgedehnten Parkareale abseits der Concours-Fläche boten reichlich Platz für Clubs und angemeldete Gäste, die dort in entspannter Atmosphäre hunderte weitere Wagen präsentierten. Dabei dominierten eindeutig Fahrzeuge von Prestigemarken wie Jaguar, Rolls-Royce, Mercedes und Porsche. Vertreten war außerdem die US-Car-Fraktion mit gängigen Typen wie Chevrolet Corvette und Ford Thunderbird. Interessanter für den deutschen Besucher war hier die umfassende Präsenz französischer Oberklassemarken wie Bugatti, Delahaye, Delage und Hotchkiss.
Auffallend war allerdings das völlige Fehlen von Autos weniger bekannter Marken, die es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Frankreich zu hunderten gegeben hat. Auch in der populären Cyclecar-Klasse hat der Verfasser lediglich einen Amilcar registriert. Selbst von den Serienfahrzeugen der Vorkriegszeit von Citroen und Peugeot war kaum etwas zu sehen. Nicht einmal das grandiose Eclipse-Cabriolet des Peugeot 402 war vertreten. Man hat den Eindruck, dass in Chantilly vorwiegend Fahrzeuge versammelt waren, die aus Investorensicht eine „sichere Bank“ darstellen, sodass der Klassiker-Gourmet mit Sinn für das Besondere kaum auf seine Kosten kam.
Positiv zu vermerken ist das durchweg angenehme Erscheinungsbild des Publikums, das sich der Klasse der Fahrzeuge und der Örtlichkeit würdig zeigte. So blieben einem die hierzulande bei Großveranstaltungen verbreiteten geschmacklichen Entgleisungen wie Dreiviertelhosen und Tätowierungen erspart. Die Damen warteten teilweise mit Pariser Chic auf, zum Anlass passende Retro-Mode blieb aber die Ausnahme. Bei den Herren dominierten klassische Hemden und informelle Jacketts, oft mit einem legeren Hut kombiniert. Dies erleichtert nicht zuletzt das Fotografieren, da die Besucher nicht als störendes Beiwerk empfunden werden. Insgesamt war die Veranstaltung vorrangig auf die Concours-Teilnehmer zugeschnitten, die in jeder Hinsicht Exklusives geboten bekamen. Für die Besucher am Sonntag gab es – abgesehen von der herrlichen Anlage und den Automobilen natürlich – wenig Abwechslung. Vermisst hat der Verfasser passende Musikdarbietungen, auch das kulinarische Angebot könnte umfangreicher sein, wenngleich die Qualität nichts zu wünschen übrig ließ.
Fazit: Wer sich zum Zeitpunkt der Veranstaltung in der Nähe von Paris aufhält, sollte diese nicht verpassen, die Örtlichkeit ist grandios und man kann eine Menge edler Fahrzeuge in aller Ruhe studieren und genießen. Für den Concours eigens nach Chantilly zu fahren, lohnt sich dagegen kaum, da viele der Fahrzeuge auch andernorts zu sehen sind. Speziell der etablierte Concours in Schwetzingen bietet eine vielfältigere Auswahl, insbesondere an Fahrzeugen aus der automobilen Frühzeit. Wer auf eine intensive Atmosphäre mit vielen ergänzenden Attraktionen Wert legt, ist mit den im August stattfindenden Classic Days auf Schloss Dyck nach wie vor sehr gut bedient. Und wer auf echtes Renngeschehen und eine einzigartige Zeitreise aus ist, kommt am legendären Goodwood Revival Meeting Anfang September nicht vorbei.
Text: Michael Schlenger