Es war eine kurze Mitteilung von einem Skitouristen an das Automuseum Dr. Carl Benz, der auf einem Ausflug in das Erzgebirge eine interessante Entdeckung gemacht hatte.
In dem kleinen 7.000 Einwohnerdorf Eibenstock, in der Nähe von Zwickau, hatte er unweit einer Skisportanlage ein verlassenes Grundstück entdeckt. Durch einen Spalt in einem verfallenen Brettertor hatte der Mann die Reste von zwei alten Automobilen entdeckt, die von der Natur fast schon vereinnahmt waren.
Bäume, Sträucher, heruntergefallene Äste, vermoderte Blätter und allerlei Abfall, hatten die beiden Oldtimer fast unsichtbar gemacht. Ein Anruf von uns bei der Stadtverwaltung von Eibenstock war dann allerdings sehr ernüchternd. „Ja man wisse von dem Grundstück. Der Besitzer sei lange in einem Pflegeheim gewesen und ist inzwischen verstorben. Es gäbe aber einen Sohn, der wohl als Erbe infrage kommt.“ Es gab sogar eine Telefonnummer des Sohnes, der allerdings 150 Kilometer entfernt von Eibenstock lebte.
Das Telefongespräch mit dem Sohn brachte dann tatsächlich recht positive Erkenntnisse. Er wartete auf den Erbschein und versprach uns, sich wieder in Ladenburg zu melden. Es dauerte genau 14 Tage bis der Anruf kam. „Wir können die Fahrzeuge jetzt besichtigen“.
Es folgte eine Reise nach Eibenstock im Vogtland. Dort fanden wir tatsächlich zwei Fahrzeuge, die fast so wirkten, als hätten sie sich auf ihrer letzten Fahrt im Dschungel verfahren. Bei einem der schlafenden Ruinen konnten wir die Herkunft deutlich erkennen. „Mercedes Benz Typ Stuttgart“. Den anderen Wagen konnten wir kaum noch identifizieren. Wir waren uns aber alle im Klaren darüber, dass es sich wohl um irgendeinen „Amerikaner“ aus den frühen 30iger Jahren handeln musste. Man hatte ihn wohl irgendwann zu einem kleinen Lastwagen umgebaut.
Gegen einen kleinen Betrag, der den Schrottpreis kaum übertraf, bekamen wir die Genehmigung die Fahrzeuge zu bergen.
Wir entschlossen uns, nur den Mercedes Benz zu bergen, denn irgendwie schien er uns zuzurufen „ich bin ein Stern holt mich hier raus…
Am 12. April 2016 war es dann soweit. Mit allen möglichen Bergungswerkzeugen, mit Kettensäge, Wagenheber, Spahn, Rechen, Seilwinden und mit einem Autotransportwagen machten wir uns auf den Weg… Wir: das waren Peter, Klaus, Sascha, Jonas und ich. 6 Stunden dauerte die Autofahrt, dann standen wir wieder vor den eingewucherten Zeitzeugen einer vergangenen Automobilgeschichte. Zuerst wurde das morsche Holztor an der Einfahrt entfernt, dann setzte Klaus die Kettensäge in Gang und hat begonnen einige dünne Bäume zu fällen, die den Weg versperrten. Jonas, Sascha und Peter versuchten mit Spaten und Hacken den Humusboden zu entfernen, der an dem Mercedes Benz bereits bis an die Radnaben hochgewachsen war. Eine kräftige Eisenstange, die Klaus inzwischen inmitten der Zufahrt in den Boden gerammt hatte, sollte als Halt für die Seilwinde dienen. Peter und Jonas hatten die Vorderräder des „Stuttgart“ freigelegt und die mitgebrachten Baudielen vor die Vorderräder gelegt. Sascha hatte es inzwischen geschafft eine Fahrrinne zu den Hinterrädern freizuschaufeln. Mit einer Hebelverlängerung versuchte Klaus den Kettenzug auf Spannung zu bringen. Es bewegte sich nichts.
Ich hatte die Idee, unter der Vorderachse eine kleine Grube zu graben, um den Wagenheber anzusetzen, damit wir den Wagen anheben konnten. Dadurch war es möglich, die Baudielen unter die Räder zu schieben.
2. Versuch: Klaus begann damit, den Kettenzug wieder zu spannen… es tat sich nichts, oder doch?
Die meterlange dicke Eisenstange, die Klaus in die Erde gerammt hatte, bewegte sich im Erdreich langsam in Richtung Auto. Inzwischen hatte sich unsere Bergungsaktion zur Attraktion der angrenzenden Bevölkerung entwickelt. Der gegenüberliegende Nachbar bot uns sogar an, das Zugseil an einem Anbau seines Hauses zu befestigen. Das Wagnis erschien uns aber dann doch zu groß. Wahrscheinlich hätten wir den Schuppen in Richtung Auto gezogen.
Es schien fast so, als sei der Wagen im Boden festgewachsen. Inzwischen war auch der Betreiber des Liftes von der Skipiste zu uns gekommen. Er hatte inzwischen das gesamte Grundstück mit Wohnhaus von dem Erben gekauft. Er bot uns an, seinen Radlader zu holen, um die Rostlaube mit Gewalt aus seinem Umfeld zu befreien. Nach einem letzten Aufbäumen der Natur bewegten sich alle 4 Räder. Der Wagen rollte auf platten Reifen auf die Straße. Jetzt war es nur noch eine Kleinigkeit den Wagen mit der Seilwinde auf unseren Transportwagen zu ziehen. Auf der Heimfahrt hatten wir fast 6 Stunden Zeit uns Gedanken darüber zu machen, was man mit diesem rostigen Rest des Automobils noch anfangen könne.
Dabei wurde eine interessante Idee geboren. Man sollte das Fahrzeug vor dem Museum noch einmal so ausstellen, wie wir es aus dem verlassenen Grundstück in Eibenstock geborgen hatten.
Als Wahrzeichen für „das rostigste Hobby der Welt“. Denn im Automuseum Dr. Carl Benz steht das gleiche Fahrzeug gleich vorne auf der Mercedes Allee, restauriert und fahrbereit.
Text: Winfried A. Seidel
Nachtrag: Die Rostlaube bzw. der Oldtimer wurde Herrn Seidel gestohlen.
Das Automuseum Dr. Carl Benz ist Mittwochs, Samstags, Sonntags und an Feiertagen von 14 – 18 Uhr geöffnet. Weitere Impressionen unter www.automuseum-ladenburg.de