DKW-Pilot gewann vor 75 Jahren Motorradrennen auf der Isle of Man

Jedes Jahr in der ersten Juni-Woche verwandelt sich eine kleine Insel in der irischen See zum Mekka für Motorradfans: Die Rede ist von der Isle of Man. Seit 1907 findet dort die Tourist Trophy statt, das härteste Motorradrennen der Welt. 30 Jahre gewannen nur Engländer auf einheimischen Maschinen – vor 75 Jahren gelang dies dem ersten Deutschen: Ewald Kluge. In Erinnerung an ihn beteiligt sich Audi Tradition vom 23. bis 26. August an der Classic TT auf der Isle of Man.

29 Jahre war Kluge alt, als er im Juni 1938 die Tourist Trophy gewann und damit zur Legende wurde. Zwar hatte im Vorjahr mit Omobono Tenni der erste „Nicht-Englän­der“ auf einer „nicht-englischen Maschine“ in der 250 ccm-Klasse ge­wonnen. Wegen eines technischen Defekts an seiner Maschine musste der in Füh­rung liegende Kluge damals aufgeben. Tenni gewann im Jahr 1937 auf der 424 Kilometer langen Strecke nach 3.32.06 Stunden mit einem Vorsprung von 37 Sekunden vor Stanley Woods auf Excelsior. Kluges Sieg ein Jahr später war für die stolzen Englän­der wie das Ende eines Mythos. Auf seiner 250er DKW fuhr Kluge mit 3.21.56 Stunden nicht nur neuen Strecken- und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 125,56 km/h auch Rundenrekord – damit demütigte der Dresdener DKW-Fahrer die Konkurrenz. Sein Vorsprung auf den Zweitplatzierten Ginger Wood betrug unglaubliche elf Minuten!

Motorrad DKW ULD 250
Der größte Sieg des Ewald Kluge auf DKW ULD 250 im Juni 1938 bei der Tourist Trophy © Fotoquelle und Bildrechte: Audi AG

In Erinnerung an Ewald Kluge, einem der großartigsten Motorsportler in der Audi-Geschichte, beteiligt sich Audi Tradition vom 23. bis 26. August an der “Classic TT” auf der Isle of Man. Bei den etwa 60 Kilometer langen Parade-Laps setzt die histo­rische Abteilung der AUDI AG den Komplett-Neuaufbau einer DKW SS 250 von 1938 ein. Die Original-Maschine von Ewald Kluge existiert nicht mehr. Die damaligen Werk-Motorräder DKW ULD 250 mit Ladepumpe und Drehschiebersteuerung sind verschollen. DKW war allerdings das weltweit erste Motorradwerk, das die heute unter „Production-Racer“ bekannten Maschinen für private Rennfahrer anbot. Sie hießen statt ULD dann „Super Sport“. So ein Motorrad lenkt für Audi Tradition auf der Isle ob Man Ralf Waldmann. Der zweifache Vize-Weltmeister hat seine eigene Berühmtheit erlangt: Mit 20 Grand Prix-Siegen ist Ralf Waldmann der erfolg­reichste Pilot der Motorrad-Weltmeisterschaftschafts-Geschichte, der nie Welt­meister wurde.

Zu Ewald Kluges Zeiten gab es noch keine WM, sondern Europameisterschaften. Der Isle-of-Man-Sieg 1938 war der Gipfel im Erfolgsjahr der ruhmreichen Karriere des Ewald Kluge. Von den 14 Rennen 1938 gewann der DKW-Pilot zwölf, zwei Mal wurde er Zweiter. Die einmalige Ausbeute: Europameister, Deutscher Meister, Deutscher Bergmeister und der höchst seltene Ehrentitel “Meister der Meister“ – die­sen Titel bekam nur, wer mit der höchst möglichen Punktzahl die Saison beende­te. Ewald Kluge war Ende der 1930er Jahre die Lichtgestalt der deutschen Motorrad­szene. Zwei Mal wurde er Europameister (1938/1939), vier Mal Deutscher Meister, Silvervasen-Gewinner mit der deutschen Mannschaft. Die Auto Union, für die Kluge sein Sportlerleben lang fuhr, entsandte ihn 1938 sogar nach Australien, wo er helfen sollte, diesen Markt für das einstmals sächsische Unternehmen zu erobern.
Vier Mal trat Kluge nach mehr als 40-tägiger Schiffsfahrt an, vier Mal gewann er – ein Mal mit seiner 250er Maschine sogar in einem Rennen der 350er-Klasse.

Ewald Kluge war der sportliche Erfolg nicht in den Schoß gefallen. Früh verlor der am 19. Januar 1909 im sächsischen Lausa geborene Junge seine Mutter. Als Taxi-Fahrer in Dresden sparte sich der gelernte Mechaniker die erste Rennmaschine, die er sich 1929 kaufte, vom Mund ab. 1934 wurde Kluge wegen seiner hervorragenden Ergebnisse von der Auto Union als DKW-Geländefahrer engagiert, bevor er 1936 Werksfahrer wurde. 1940 zog er in den Krieg und geriet 1946 in russische Gefan­gen­schaft, aus der er 1949, körperlich schwer gezeichnet, heimkehrte. Um in schweren Zeiten wieder auf die Beine zu kommen, verließ Ewald Kluge seine geliebte sächsische Heimat und zog mit der Auto Union, der er sein Leben lang treu blieb, 1950 nach Ingolstadt, wo er am Punkt Null wieder begann, Rennen zu fahren.

Kluge, der wegen seiner exakten Fahrweise „Der Panther‘“ genannt wurde, musste seine Karriere aufgrund eines schweren Unfalls beenden. 1953, beim Eifelrennen auf dem Nürburgring stürzte der bereits 44-Jährige bei hoher Geschwindigkeit und zerschmetterte sich hierbei den Oberschenkel. Das Bein konnte eben noch gerettet werden, Kluge lag aber fast ein Jahr in der Klinik und kehrte nie mehr auf die Rennstrecken zurück. Sein größter Wunsch, noch einmal auf der Isle of Man fahren zu können, sollte sich nicht erfüllen. Am 19. August 1964 starb Ewald Kluge in seiner zweiten Heimat Ingolstadt, gerade 55 Jahre alt. Trotz all der großen Erfolge galt Ewald Kluge, der nach seinem Unfall Mitarbeiter der Auto Union wurde, als bescheidener und stets freundlicher Mensch, dem der Nachwuchs am Herzen lag und der um seine Siege und um sein Schicksal kein großes Aufhebens machte.