Der Name Alfa Romeo hatte einmal einen guten Namen. Das rührte sicherlich aus der Zeit des Alfa Romeo Giulia Berlina (1962-1978), Giulia Coupé TZ (1963-1967), Giulia Coupé 1300 GTA Junior (1968-1975), Giulia Coupé GT Junior (1969-1973) und Giulia Coupé 2000 GT Veloce (1971-1975).
Die Giulia Limousinenen und Coupés waren eine Kreuzung aus Mittelklasselimousine und Sportwagen. Damals wurden schon beeindruckende 92 PS für den Motor geboten, die leistungsmäßig auf dem Niveau eines Porsche 356 lagen. Die Limousine hatte vier Türen und Platz anfänglich auch vorne eine durchgehende Sitzbank, der damaligen Mode gehorchend.
Die in den Limousinen und Coupés eingesetzten Motoren hatten ihre Wurzeln im Motorsport. Block und Zylinderkopf waren aus Aluminium gegossen. Zwei oben liegende Nockenwellen steuerten die Ventile. Der Doppelvergaser sorgte für ein heiser röchelndes Ansauggeräusch. Der Leichtmetallmotor überträgt seine Kraft per Fünfganggetriebe auf die Hinterachse. Die Höchstgeschwindigkeit von 169 km/h der Giulia 1600 TI setzte Maßstäbe bei den Sportlimousinen.
Verantwortlich für diese gute Leistungsausbeute war die im Windkanal optimierte Karosserie, was damals noch nicht selbstverständlich im Serienfahrzeugbau war. Die Entwickler formten ein windschnittiges Heck. Der Kofferraum bildet mit einer breiten Sicke ein so genanntes Kamm-Heck, benannt nach dem Aerodynamik-Pionier Wunibald Kamm. Der cW-Wert der Karosserie von 0,34 im Jahr 1962 war eine Sensation. Die Alfisti gaben dem Giulia den Namen „Knochenheck“. Auf den vorderen Kotflügeln prangten vierblättrige Kleeblätter, die traditionellen Motorsport-Glücksbringer von Alfa Romeo.
Das Fahrwerk der mit dem Baureihencode 105 versehenen Giulia entsprach weitgehend dem der Vorgängerin Giulietta, wurde aber in Details verbessert. So kommen an der Vorderachse zusätzliche obere Querlenker zum Einsatz. Die Hinterachse wurde von neu gestalteten Längslenkern und einem T-förmigen Reaktionsdreieck wesentlich besser geführt.
1963 wurde in Monza eine Sportversion Giulia 1600 TI Super vorgestellt, die mit zwei Weber-Doppelvergasern 113 PS leistete. Die Felgen wurden aus Elektron gegossen, einer besonders leichten, aus dem Flugzeugbau stammenden Magnesium-Aluminium-Legierung. Insgesamt war die Giulia 1600 TI Super rund 100 Kilogramm leichter als die zivilere Variante und 501 mal produziert.
Im Frühjahr 1964 war die Giulia 1300 neu, mit der die Baureihe 105 nach unten abgerundet wurde. Die durchgehende Sitzbank vorn ist nicht mehr dabei. Ab sofort nehmen Fahrer und Beifahrer in Einzelsitzen Platz. Das Getriebe hat zwar nur vier statt fünf Gänge, dafür aber serienmäßig den Schalthebel auf der Mittelkonsole. Zu erkennen ist die Giulia 1300 an den einzelnen Scheinwerfern und dem Kühlergrill mit nur drei Querstreben.
Unter der Haube arbeitete der 1,3-Liter-Vierzylinder der Giulietta TI. Das Modell mit nur 78 PS wirkte etwas untermotorisiert. Erst die Steigerung auf zunächst 82 PS in der Giulia 1300 TI ab 1965 und später auf 88 PS in der Giulia 1300 Super ab 1970 sowie die Umstellung auf das besser abgestufte Fünfgang-Getriebe konnte die Käufer überzeugen. Mit diesen Modifikationen wurde auch der kleinere Motor in der Giulia zum Renner.
Noch umfangreicher als für das 1300er-Modell gestaltete sich das Programm der Giulia mit 1600er-Motor. Ab 1965 wird parallel zum Modell 1600 TI nunmehr mit 90 PS die Giulia 1600 Super angeboten, die 98 PS leistet. Die Giulia 1600 TI erhielt neue Stoßfänger aus Edelstahl. Im Innenraum wurde der Bandtacho gegen klassische Rundinstrumenten ausgetauscht.
Der Mailänder Karosseriebetrieb Colli verwandelte die Giulia sogar in einen Kombi. Der in Kleinauflage, 200 und 500 Exemplaren, gebaute „Station Wagon“ erfreute sich vor allem bei italienischen Gesetzeshütern von Polizia bis Carabinieri einiger Beliebtheit. Auch einige Rennteams griffen auf den sportlich motorisierten Kombi als Servicefahrzeug zurück.
1967 wurden 1300er- und 1600er-Giulia optisch überarbeitet. Auch im Armaturenbrett von Giulia 1300 mit 80 PS und Giulia 1300 TI mit 85 PS fanden sich nun Rundinstrumente. Der Fahrer der Giulia 1600 Super mit 98 PS drehte jetzt an einem aus dem Coupé Giulia GT stammenden Dreispeichen Lenkrad.
1969 folgte die nächste Modernisierung. Alle Modellvarianten profitierten von verbesserter Geräuschdämmung und einer hydraulisch betätigten Kupplung. Die Giulia 1600 S ersetzte das Modell 1600 TI. Der in Leistung mit 96 PS und der im Verbrauch leicht reduzierte Motor sollte die Eigenschaften als Langstreckenfahrzeug unterstreichen. Das Fahrwerk der Giulia 1600 Super wurde durch einen Hinterachs-Stabilisator und ein modifiziertes Reaktionsdreieck noch sportlicher.
Im Modelljahr 1970 griff Alfa Romeo noch tiefer in die Technik der Baureihe ein. Die neu benannte Version Giulia 1300 Super mit Doppelvergaser und 88 PS und die Giulia 1600 Super bremsten ab jetzt mit einem Zweikreis-Bremssystem. Zu erkennen ist diese Modifikation an den hängenden Pedalen für Bremse und Kupplung. Dazu kommt die neue Anordnung des Handbremshebels auf der Mittelkonsole und des Zündschlosses links an der Lenksäule. Außerdem wurden ab jetzt die beiden Baureihencodes 105 und 115 mehr oder weniger parallel verwendet.
Trotz erfolgreich umgesetzter Plattform-Strategie ist zunehmende Rationalisierung auch in der Fertigung der Giulia unverzichtbar gewesen. Ab 1972 sind die 1300er- und 1600er-Versionen bis auf den Motor technisch und auch optisch weitgehend identisch. Die Felgen kamen nun ohne die klassischen Radkappen aus. Damit einher geht eine Änderung der Modellbezeichnung auf Giulia 1.3 und Giulia 1.6 Super.
Ein letztes Mal wurde die Giulia-Baureihe 1974 modernisiert, gekennzeichnet durch den Namenszusatz Nuova (italienisch für „neu“). Die vier Hauptscheinwerfer sind nun gleich groß, den Kühlergrill ziert nur noch eine horizontale Chromleiste. Die Kofferraumhaube verlor die seit 1962 charakteristische Sicke, das „Knochenheck“.
In Arese, nördlich von Mailand, rollten in 16 Jahren rund 300.000 Stück Giulia 1300 vom Band und rund 260 000 Exemplare mit dem 1,6-Liter-Motor.
In Deutschland setzte der Vertriebsleiter Paul Hahnemann von BMW dieses Konzept, kleine Limousine mit starkem Motor, einige Jahre später in die auch heute noch beliebte BMW 02-Serie, gebaut von 1967 – 1975, um.