Heutige Großserienleder sind massiver beschichtet als einst. Daher fühlen sie sich fast wie Kunstleder an, und sind wohl auch nicht viel atmungsaktiver. Einigermaßen natürliches, dafür allerdings empfindlicheres Leder bekommt man heute – wenn überhaupt – nur gegen Aufpreis, zum Beispiel BMW „Nappa“, Mercedes-Benz „Designo“ oder Jaguar „Soft Grain“.
Es gibt noch einen Unterschied: Heutige Serienleder sind matter als damalige Ware. Deshalb verwendeten wir im 1975er BMW 3,0 CSi ein „Klassikleder“, das etwas stärker glänzt.
Hier ist ein Beispiel für nicht-originale Sitze, die aber „zeitgenössisch“ sind, weil sie in den 70er Jahren so von Alpina verbaut wurden. Nun ist Alpinas damaliger Hoflieferant „Scheel“ aber längst pleite und klappbare Original „Scheel 400“ bekommt man heute höchstens noch in lebensgefährlich schrottreifem Zustand. Doch wir entdeckten einen recht ähnlichen Nachbau des heutigen „Scheel-Mann“ Markenrechtsnachfolgers Greiner GmbH in Pleidelsheim. Das einst charakteristische „Scheel“ Abzeichen, welches sich – wie gesagt – heute höchstens noch patiniert an Altsitzen findet, wurde neu nachgefertigt.
Ist so etwas nun vertretbar oder nicht? Aus vom Original getriebener Sammlersicht ist es möglicherweise nicht erlaubt.
Aber in Verbindung mit einem Alpina-Lederlenkrad, selbstverständlich ebenfalls zeitgenössisch, fährt sich dieses Auto wesentlich agiler als mit den serienmäßigen Fauteuils und dem Serienvolant im LKW-Format.
Wichtig ist dennoch, dass solche Individualisierungen reversibel bleiben. Es könnte ja sein, dass in 20 Jahren nur noch absolut originalgetreue Klassiker „Garagengoldstaus“ haben werden. Am besten sind natürlich gänzlich „Unberührte“, um hier noch solch ein Unwort aus der – Glücksritterszene – zu strapazieren.
Doch ob der Oldtimer-Hype bis dahin überhaupt noch läuft? Im Jahr 2036 dürften leise summende Elektrofahrzeuge – ob batterie- oder brennstoffzellengespeist – nämlich schon so selbstverständlich sein, dass vermutlich die Zerknallergeräusche und Auspuffgerüche solcher Vehikel auf die kommende Generation arg befremdlich wirken könnten.
Gastautor: Marcus Klippgen