Geschichte eines alten Autos namens Stöwer R140

In der Familie hieß er nur die grüne Minna. Es begann in den 50ern. Der Wagen war ein Stöwer R140, wurde 1934 in Stettin gebaut und war erstmal im Besitz des Malermeisters Dörr in Völklingen/Saar bis unser Vater den Wagen erstand. Da der Vater aufgrund einer Kriegsverletzung links gehbehindert war, wurde das Auto auf Handgas umgebaut. Man erinnert sich an Familienausflüge an die Saarschleife. An Steilstrecken, zum Beispiel am Illinger Berg, kam das Kühlwasser des Motor schon mal zum Kochen. Die Mitfahrer erlebten auch, dass der 2. Gang des Getriebes nicht hielt, sondern öfter raus rutschte und per Hand fest gehalten werden musste.

Im Übrigen war das Mitfahren angenehm, das Innere des Wagens und die Polster waren mit braunem Samtstoff gestaltet. Die Türen hatten mittige Taschen mit Rüschen. Es gab einen gläsernen Aschenbecher, eine Blumenvase und ein Rollo am Heckfenster. Die Karosse beeindruckt noch heute mit einer langen Schnauze, verchromtem Kühlergrill, einem kastenartigen Koffer am Heck und dem Reserverad im linken Kotflügel ganz im Stil der 30er Jahre. Die Klimaanlage dieser Jahre war die ausstellbare Frontscheibe. Typisch war auch der Winker, ein Fahrtrichtungsanzeiger ohne Winkfunktion. Auch typisch und selten die Konstruktion der vier Türen ohne Mittelpfosten. Sie schlossen mittig gegenseitig.

Stöwer nach dem Kauf
Stöwer nach dem Kauf
© Fotoquelle und Bildrechte: Kh.Werner

Der Fahrkomfort war seiner Zeit voraus. Aus 34 PS aus 1400ccm Hubraum war unter sonorem Brummen ein zügiges Tempo möglich. Ordnungsgemäß für die Zeit war die Anmeldung mit französischem OE-Kennzeichen. Die Saar stand noch unter französischer Verwaltung.

Stöwer mit französischer Zulassung
Stöwer mit französischer Zulassung © Fotoquelle und Bildrechte: Sammlung Kh.Werner

Dann gab es einen Bruch. Aus gesundheitlichen Gründen landete der Wagen abgemeldet in der Garage, trocken und sich selbst überlassen. Für gut 20 Jahre.

Stöwer in Garage abgestellt
Stöwer in Garage abgestellt
© Fotoquelle und Bildrechte: Kh.Werner

Ein neues Kapitel erlebt er 1980. Der älteste Sohn der Familie heiratet seine Liebste und der Vater hat die Idee, den Wagen als Hochzeitsgeschenk weiter zureichen. Immerhin ist er inzwischen ein seltener Oldtimer. Er läuft nicht mehr, der Zustand ist beklagenswert, der Motor ist fest gerostet.

Der Sohn wagt sich an erste Schritte einer Restaurierung, demontiert, dokumentiert, fotografiert viele Details. In einer Schreinerwerkstatt entsteht ein Wurzelholz-furniertes neues Armaturenbrett. Nach und nach versiegt der Restaurierungs-Elan, ein Sohn und ein Familienheim beanspruchen Zeit und Kraft.

Der Stöwer wird verkauft. Ein ehemaliger DDR-Bürger erkennt ihn als Nostalgie-Objekt und will ihn haben. Im Moment der Kaufverhandlungen meldet sich ein zweiter Interessent, ein Rechtsanwalt aus Mannheim schwingt sich ins Auto und ist schon unterwegs. Nicht zu glauben, es herrscht Nachfrage nach dem Oldtimer mit Restaurierungs-Stau. Insider behaupten, der Preis hätte sich auf 5000 DM belaufen.

Die Nachfrage wird später verständlich, denn Insider wissen, dass aus der R140 Modellreihe nur noch 12 Fahrzeuge weltweit bekannt sind. Von diesen haben nur vier viertürige Limousinen überlebt und sind weltweit verstreut. Von diesen vier Stoewer R140 sind jetzt wieder zwei fahrbereit. Beide der fahrbereiten Modelle sind sogar nummerngleich (soll heißen, es sind noch beide auf dem originalem Chassis mit dem originalen Motor). Als weitere Besonderheit gibt es das Reserverad auf beiden Seiten der Kotflügel (war ein Extra damals). Diese sehen für den Betrachter heute besonders eindrucksvoll aus.

Trotzdem, der Restaurierungs-Stau setzt sich offensichtlich fort. Der Käufer, Herr K., kommt auch nicht richtig voran. Hat er sich übernommen? Am Telefon erzählt er einmal von seinem Bauerhof, der erstmal instand gesetzt werden muss. Man muss Prioritäten setzen.
Es gibt wieder einen Besitzerwechsel, ein Motorprofi bekommt ihn in die Hände. Man hört, er sei ein Spezialist für Standmotoren, das Motörchen vom Stöwer lernt bei ihm wieder das Laufen. Hier zu bestaunen:


© Videoquelle YouTube und Urheberrecht: JeanSchoenner

Aber die Wanderung des Oldtimers geht weiter. Durch einen kuriosen Verkauf auf eBay – man munkelt, ein Häkchen bei der Versteigerung hätte gefehlt – gelangt er in die Hände von Roland, einem Stöwer-Verrückten mit Technikverstand in der Nähe von Ückermünde, was ja in der Nähe der Geburtsstadt der Automarke Stettin, heute in Polen, liegt.

Stöwer Zustand  im Sommer 2019
Stöwer Zustand Zustand im Sommer 2019
© Fotoquelle und Bildrechte: Kh.Werner

Im Sommer 2019 ist der Zustand des Wagens schon ein völlig anderer, er sieht gesund, noch im Werden und viel versprechend aus. Hier das aktuelle Foto des Wagens nach endgültiger Fertigstellung und Jungfernfahrt einfügen. (Geschätzt 2020)

Neu erstellte Rüschen im Stoewer R140
Neu erstellte Rüschen im Stoewer R140 © Fotoquelle und Bildrechte: Sammlung Kh.Werner

Vergleichsobjekte mit ähnlicher Vita und den gleichen Genen trafen sich kürzlich.

Stöwer Freunde treffen sich
Stöwer Freunde treffen sich
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