Mit dem Schwimmwagen Amphicar unterwegs

Zum Geburtstag des PS.Speichers in Einbeck wurde, am Samstag, 21. Juli 2018, die PS.Speicher-Rallye durch die reizvolle Landschaft des Weserberglandes ausgetragen. Unser Gastautor hatte die Gelegenheit mit dem Schwimmwagen der 60er Jahre, dem Amphicar, Erfahrungen zu sammeln.

Amphicar 1964
Amphicar 1964

Der Amphicar von 1964

Andy Schwietzer, Kurator der Einbecker Sammlung dazu: „Das Amphicar war leider viel zu umständlich, um mal eben eine Runde im Wasser zu drehen. Allein der Abschmierdienst nach jeder Wasserung war nach Vorschrift eine umfangreiche Angelegenheit, zu der sogar die Rücksitzbank ausgebaut werden musste. So ging das avisierte Geschäft mit den USA nicht auf, außerdem war das Auto den Amerikanern viel zu klein.“

Amphicar
Am Strand der Weser zwischen Beverungen und Höxter ist das Amphicar in seinem Element. – Im Wassser benötigt der Bootsführer einen Bootsführerschein

So klein kommt der Schwimmwagen dem Betrachter gar nicht vor, wenn man mal davor steht. Allzu häufig ist diese Gelegenheit einen Amphicar zu sehen heute nicht. Lediglich knapp 4.000 Schwimmwagen vom Typ 770 entstanden zwischen 1961 und 1968, wenn man der Zahl traut. Es können auch deutlich weniger gewesen sein. Viele wurden gegen Ende der Produktion als unverkäuflich angesehen und geradezu verramscht. „Reihenweise wurden sie als billige Ladenhüter in den 70ern verschrottet“, wie Andy Schwietzer erläutert.

Nur wenige haben die Zeit und Wasser überlebt. Der PS.Speicher in Einbeck besitzt gleich zwei. Hochbeinig steht das Amphicar vor einem, auf ziemlich groß dimensionierten Diagonalreifen. Der Einstieg erfolgt über einen hohen Schweller auf eine durchgehende, zweifarbige Sitzbank, die mit das Wasser abweisendem Kunststoff bezogen ist. Am Boden findet sich kein Teppich, sondern ein Edelholzrost, damit eventuell eingedrungenes Wasser unter den Füßen bleibt. Für diese Fälle arbeitet zudem im Bootsbetrieb eine Lenzpumpe, die etwa zehn Liter pro Minute über ein verchromtes Röhrchen im Heck hinaus befördern kann. Unter der Karosserie verbirgt sich ein echtes Boot, das allerdings an den Türen geöffnet werden kann. Deshalb sind an beiden Seiten zwei Extra-Riegel, mit deren Hilfe die Türen auch im unteren Bereich fest an die Dichtung gepresst werden. Im mittleren Fußraum, neben dem aus heutiger Sicht sehr langen Schalthebel, befindet sich ein zweiter Hebel zur Inbetriebnahme der beiden Schrauben aus Kunststoff unter dem Heck zum Vortrieb im Wasser.

Amphicar wo ist eine günstiger Weg zum Wassern
Amphicar wo ist eine günstiger Weg zum Wassern

Die Klappen an Front und Heck werden lediglich mit einem Vierkantschlüssel verriegelt – auch hier presst eine gedrehte schiefe Ebene die Dichtflächen aufeinander. Vorne liegen zwei Paddel für den Notfall, hinten werkelt der 1200er Motor aus dem Triumph Herald bzw. Spitfire in seiner geschlossenen Kapsel. Darin befindet sich auch der Kühler mit Gebläse unter den zahlreichen Luftschlitzen in der Heckklappe. Die Karosserie ist aus Stahlblech gefertigt. Das Amphicar sollte also dicht sein, sonst säuft die Karosserie mit Inhalt ab, eben wie ein Stein. Wehe wenn die Achsmanschette undicht wurde, dann ging der Amphicar schnell unter … Einen richtigen Wassereinbruch schafft die leistungsschwache Lenzpumpe sicher nicht.

Karosserie aus Stahlblech

Die Deutsche Waggon- und Machinenfabrik (DWM), fertigte das von Schwimmwagen-Pionier Hanns Trippel [1] konstruierte Auto in Berlin. Man hoffte auf das große Geschäft in den USA. Die Blechteile dazu wurden in einem weiteren DWM-Werk in Lübeck gepresst, daher auch das goldene Holstentor als Emblem im Lenkrad. Uns erzählte übrigens ein Ingenieur, der einst in Lübeck studiert hatte, dass die Amphicars komplett aus der Halle in Lübeck heraus rollten – der Firmenstandort West-Berlin dürfte ein Steuersparmodell gewesen sein, denn industrielle Tätigkeit in der damals bedrängten Stadt wurde großzügig von Seiten des Staates unterstützt.

Amphicar Utensilien
Positionsleuchte grün/rot, der Vierkant zum dichten Verriegeln der Klappen, übrigens an der Korkkugel, damit der Schlüssel nicht versinken kann, der amtliche Ausweis der „Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes über das Kleinfahrzeugkennzeichen GÖ-R 375.“

Das erste echte Spassmobil

Das Amphicar war schließlich eines der ersten echten Spassmobile in einer Nachkriegsgesellschaft, die das Gröbste hinter sich gelassen hatte. Entsprechend auch die leuchtenden Farben in blau, rot, gelb und grün, die dem viersitzigen Cabriolet sogleich eine fröhliche Note verleihen. Das Verdeck übrigens ist von ordentlicher Qualität mit einem recht aufwändigen Mechanismus, denn die lange Abschlussleiste über den Seitenscheiben muss geschlossen gespannt sein, knickt aber mittig durch beim Öffnen. Danach versinkt es gekonnt komplett im Verdeckkasten. Mittig unter der Lenksäule ist etwas umständlich das Zündschloss zu finden. Ein Gasstoß vor dem Orgeln, PS.Speicher-Werkstatt-Leiter Michael Marx macht es vor, und der 38 PS-Vierzylinder läuft ruhig im Stand. Gespannt ist man auf den Komfort, denn beim Stoßdämpfer-Test von außen kann man der Karosserie kaum ein Nicken entreißen – während der Fahrt allerdings federn die ballonartigen Diagonalreifen einiges ab, was allerdings auf Kosten der Fahrsicherheit geht – das Amphicar ist Schiffchen durch und durch, es schwimmt auf der Straße wie auf dem Wasser.

Das macht aber nichts, weil man es in dem Gefährt bestimmt nicht eilig hat. Der Hersteller prahlte mit einer Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h, was man sich bei dem kurz übersetzten Vierganggetriebe kaum vorstellen kann. 85 km/h sind das allerhöchste der Gefühle, dann lärmt der Motor in seiner hinteren Wanne, noch übertönt vom Heulen der Ventilators. Mit 70 km/h ist das Gehör noch nicht über strapaziert. Die Trommelbremsen taugen auch nicht für hohe Geschwindigkeiten.

Amphicar Klappe Motorraum
Amphicar Klappe Motorraum

Geradezu erschreckend lang sind die Schaltwege und ermüden den rechten Arm. Die vordere Haube trägt die verchromte Bootshupe und davor die Positionslichter in rot und grün. Diese dürfen im Straßenverkehr nicht funktionieren. Diese Positionsleuchten sind ausschließlich dem Wasserweg vorbehalten.

Sympathieträger Amphicar und Preise

Staunende und lachende Gesichter beobachtet der Fahrer am Straßenrand. Der Amphicar ist ein Sympathieträger!
Man konnte auch Kommentare hören wie: „Zur Weser geht es dahinten rechts!“

Ein Amphicar ist mittlerweile ein recht kostspieliger Klassiker. Aktuelle Angebot im guten Fahrzustand schwanken zwischen 50.000 Euro und 80.000 Euro. Er ist rar und kein echtes Sonderangebot, aber man kauft den ersten zivilen Schwimmwagen der Welt und einer interessanten Geschichte.

Amphicar Motorraum
Amphicar Motorraum

Hanns Trippel

[1] Hanns Trippel hatte leider einen ziemlich braunen Fleck auf der weißen Weste. Seinen ersten Schwimmwagen hatte der Autodidakt bereits 1932 gebastelt. Als Offizier der SS sollte er während des Krieges im Molsheimer Bugatti-Werk Schwimmwagen bauen, mit Sechszylinder-Motor aus dem Opel Kapitän. Der Schwimmwagen von VW machte schließlich das Rennen und Trippel fiel in Ungnade. Aber er war der Pionier des Amphibienfahrzeugs, das muss man ihm lassen. Nach dem Krieg nutzte er nach verschiedenen Versuchen alte Kontakte. Die DWM hieß schließlich nicht immer Waggon – und Maschinenfabrik, sondern einstmals Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG. Mit dem Großindustriellen und ehemaligem Goebbels-Stiefsohn Harald Quandt an der Spitze, dem Trippel bereits 1942 begegnet war, konnte produziert werden.

Gastautor: Achim Gandras – Oldtimer-App