50 Jahre nach dem großen Sieg

Das Siegerauto wirkte winzig, der Jubel war riesengroß. Erleichterung, Stolz und auch ein Stück Genugtuung mischten sich in die Begeisterung, als der Finne Rauno Aaltonen am 20. Januar 1967 einem BMC Competition Departement Mini Cooper S als Gesamtsieger der 36. Rallye Monte Carlo über die Ziellinie lenkte. Für den klassischen Mini war dies nach 1964 und 1965 bereits der dritte Triumph in Monaco. Doch er hatte besondere Symbolkraft. Im Jahr zuvor war dem britischen Kleinwagen der schon sicher geglaubte dritte Sieg in Folge aufgrund einer für Fahrer und Fans bis heute nur schwer nachvollziehbaren Entscheidung der Rennleitung wieder aberkannt worden. Die Sympathie des Publikums für den David im Feld der hochmotorisierten Goliaths war dadurch aber sogar noch gewachsen. Und dank der Fahrkünste Aaltonens hatte der Mini nun die passende Antwort geliefert.

Mini Cooper S
Mini Cooper S – Aaltonen & Liddon 1967 © Fotoquelle und Bildrechte: BMW AG

Rauno Aaltonen hat sich entschieden, das Jubiläum auf eine besondere, ihm eigene Weise zu feiern. Er setzt sich ins Cockpit eines klasischen Minis, nimmt die Strapazen einer knapp 1 250 Kilometer langen Anreise nach Monaco auf sich, steuert den britischen Kleinwagen auf steilen Bergstraßen durch die französischen Seealpen und sucht auf vereisten Pisten selbst dort den perfekten Bremspunkt, wo Durchschnittsfahrer in modernen Autos nicht einmal den zweit- oder drittbesten finden. Kurzum: Wenige Wochen nach seinem 79. Geburtstag fährt Aaltonen die Rallye Monte Carlo Historique 2017. Und er denkt laut darüber nach, wie es wohl wäre, 50 Jahre nach dem großen Triumph noch einmal auf dem Siegerpodest am Port Hercule von Monaco zu stehen.

Aaltonens sportlicher Ehrgeiz hat auch die BMW Group Classic erfasst. Zur 20. Auflage der Traditionswettfahrt, mit der an die Glanzzeiten der „Monte“ in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren erinnert wird, schickt sie das MINI CLASSIC Rallye Team an den Start, das für den Finnen das ideale Auto parat hat, einen Mini Cooper S, der bereits im Jahr 1965 die Rallye Monte Carlo absolvierte und jetzt von der schwedischen Firma Söderqvist Engineering komplett neu aufgebaut und wettbewerbstauglich gemacht wurde. Mit im Gepäck sind: Zehn Sätze Spike-Reifen, die als Spezialanfertigung in Finnland für die 10 Zoll großen Räder des classic Mini produziert und anschließend in sorgsamer Handarbeit präpariert wurden.

Mini Cooper S
Mini Cooper S – Aaltonen & Liddon 1967 © Fotoquelle und Bildrechte: BMW AG

Von Bad Homburg nach Monaco

Die „Monte“ gilt seit Jahrzehnten als spektakulärste und anspruchsvollste Wettfahrt ihrer Art. Unzählige Geschichten ranken sich um die Marathon-Etappen zum Auftakt, vereiste Passstraßen, plötzlich aufkommende Schneestürme und die „Nacht der langen Messer“ am Col de Turini. Um den Legenden-Status zu untermauern, riefen die Veranstalter vom Automobile Club de Monaco 1998 die Neuauflage für historische Automobile ins Leben. Sie wird stets rund zwei Wochen nach dem Original ausgetragen und beginnt analog zu den einst üblichen Auftaktetappen mit einer Sternfahrt. In diesem Jahr dienen sieben europäische Städte als Startpunkte. Aaltonen und Sylvan machen sich am Freitag, 27. Januar 2017, in Bad Homburg auf den Weg gen Monaco. Dort führt sie die erste Etappe zunächst nach Valence. Einer Rundtour und der anschließenden Rückkehr nach Monte Carlo folgt die finale Nachtfahrt am 31. Januar.

Zur Teilnahme zugelassen sind ausschließlich Fahrzeuge jener Typen, die zwischen 1955 und 1980 bei der Rallye Monte Carlo am Start waren. Für die Fahrer gelten derartige Beschränkungen nicht. Von Nachteil dürften einschlägige Erfahrungen jedoch nicht sein. Allerdings dürfte niemand im aktuellen Starterfeld eine so intensive, vielfältige und letztlich auch erfolgreiche Bekanntschaft mit der „Monte“ geschlossen haben wie Rauno Aaltonen.

Dem Auftakt folgte ein Klassensieg

Der Finne war Ende 1961 gerade nationaler Rallye-Champion seines Heimatlandes geworden und nun auf der Suche nach einem Fahrzeug, mit dem er sich der Herausforderung „Monte“ stellen konnte. Fündig wurde er beim Werksteam der British Motor Corporation. Aaltonen debütierte gemeinsam mit dem Mini Cooper, der sich im Gegensatz zum leistungsschwächeren Vorgängermodell auf Anhieb als wettbewerbsfähig erwies. Die vielversprechende Liaison hätte allerdings beinahe ein tragisches Ende genommen. Drei Kilometer vor dem Ziel kam das zu diesem Zeitpunkt auf Rang zwei liegende Auto von der Strecke ab, überschlug sich und stand kurz darauf in Flammen. Aaltonen und sein Copilot Geoff Mabbs konnten sich in letzter Sekunde aus dem Fahrzeug retten. Trotz des dramatischen Auftakts war Aaltonen auch im Januar 1963 im Mini Cooper am Start. Diesmal beendete er die Rallye Monte Carlo als Klassensieger und Dritter der Gesamtwertung.

Im Jahr darauf war es der Ire Paddy Hopkirk, der für den ersten Gesamtsieg mit dem Mini sorgte. Aaltonen erreichte Rang sieben. Bei der „Monte“ des Jahres 1964 begann auch die Ära der „drei Musketiere“, zu denen neben Aaltonen und Hopkirk der Finne Timo Mäkinen gehörte. Mäkinen gelang 1965 mit einer strafpunktfreien Fahrt der zweite Gesamterfolg im classic Mini, während sein Landsmann aufgrund von Zeitüberschreitung aus der Wertung fiel. Für Aaltonen war dies ein unerfreulicher Start in ein Jahr, das ihm im weiteren Verlauf jedoch erneut den Titel des nationalen Champions in Finnland und den Gesamtsieg in der Rallye-Europameisterschaft bescheren sollte.

Die „drei Musketiere“

Ihren stärksten Auftritt bei der Rallye Monte Carlo hatten die „drei Musketiere“ im Jahr 1966. Timo Mäkinen, Rauno Aaltonen und Paddy Hopkirk dominierten die Wettfahrt von Beginn an, am Ende belegten sie in eben dieser Reihenfolge die Plätze eins bis drei des Gesamtklassements. Doch die Freude über den Hattrick für den classic Mini währte nur kurz. Aufgrund einer angeblich nicht den offiziellen Bestimmungen entsprechenden Lichtanlage wurde das Trio von den französischen Rennkommissaren nachträglich disqualifiziert.

Ein Jahr später war der Zorn darüber längst wilder Entschlossenheit gewichen. Bei der Rallye Monte Carlo 1967 schlug die Stunde des dritten „Musketiers“. Als schnellstes Duo des BMC Teams lagen Aaltonen und sein Copilot Henry Liddon, der schon 1964 an der Seite von Hopkirk siegreich gewesen war, zum Auftakt der „Nacht der langen Messer“ in aussichtsreicher Position. Die Entscheidung fiel im Schneetreiben am Col de Turini. Und dort hätte die Kurvenhatz, wie Aaltonen erst Jahre später berichtete, beinahe einen ähnlichen Ausgang genommen wie sein „Monte“-Debüt fünf Jahre zuvor. Denn bei der allzu rasanten Bergabfahrt legte der Mini Cooper S eine ungeplante Flugeinlage ein, um anschließend quer durchs Unterholz zu rauschen und kurz darauf zur Überraschung seiner Besatzung zurück auf die Strecke zu finden. Aaltonen und Liddon atmeten tief durch und brachten die Fahrt zu ihrem erfolgreichen Ende.

Bei der Neuauflage 50 Jahre danach will es Rauno Aaltonen gemächlicher angehen. Die Rallye Monte Carlo Historique wird als Gleichmäßigkeitsprüfung ausgetragen. Das bedeutet, dass neben zu geringem auch zu hohes Tempo zu Strafpunkten führen kann. Aaltonen und Sylvan starten zudem in der Wertungsklasse „Low Average Speed“. Sie setzen also ganz auf Routine und Präzision. Und auf Sieg, wie ein besonderes Detail andeutet: Ihr classic Mini trägt die Startnummer 177 und damit exakt jene Ziffernfolge, die für das Gewinnerauto des Jahres 1967 zur Glückszahl wurde.

Mehr über den Rallye-Professor Rauno Aaltonen findet der interessierte Leser im Beitrag Rallye Monte-Carlo Historique 2017 und Rallye Monte-Carlo Historique – Start und über den Rallye-Professor Rauno Aaltonen.