Wie sagt der Volksmund so schön: „Wenn einer eine Reise tut, dann hat er was zu erzählen“. Nun ja, eigentlich wollten wir zu zweit eine Reise antreten. Aber wie es der Teufel so will, fiel im buchstäblich letzten Moment Horst als Mitreisender total aus.
Mecklenburg-Vorpommern ist das Ziel
Das Ganze stand wohl von Anfang an unter keinem so guten Stern. Also, der Horst und ich, wollten mal wieder nach Mecklenburg-Vorpommern, er natürlich dieses Mal mit seinem Gustav, also seinem Chevi von 1928. Bedauerlicherweise war dieser nicht rechtzeitig fahrbereit geworden. Bei Pre-War Fahrzeugen nicht weiter verwunderlich, fehlte doch da und dort noch ein dringend aus den USA angefordertes Ersatzteil. Einen Moss Katalog wie für Englische Oldtimer gibt’s halt dafür leider nicht.
Daher beschlossen wir meinen Triumph Dolomite (1938) zu nehmen, auch gut. Dazu muss gesagt werden, wir wollten an einer Oldie Rallye teilnehmen, die nur für Fahrzeuge bis 1945 ausgerichtet ist. Ausnahmen, keine! Zweimal haben wir da schon teilgenommen und es war für wirklich kleines Geld jeweils eine fantastische Veranstaltung gewesen. Mit den Vorkriegswagen durch die unberührten (oder verlassenen?) Landschaften von McPomm zu fahren ist eine besondere Erfahrung. Das Ganze auch noch mit Gleichgesinnten, einfach super! Also, erledigte ich eine große Wartung für den Dolomite und fertig war ich, bestellte ein Zimmer, Doppelzimmer mit Hundeecke für Horst’s Jessie.
Dann überschlugen sich die Ereignisse geradezu. Drei Tage vor Abreise, am angemieteten Autoanhänger, war ein Rad gestohlen worden. Oh! Der Besitzer wusste das offensichtlich schon länger, nur, unternommen hatte er nichts. Am Dienstag, letzter Tag vor Abreise, sollte das auch tatsächlich repariert werden, so gegen 15:00 Uhr. Hä? Wer soll das denn glauben und sich darauf auch noch verlassen?
Parallel dazu am Donnerstag der vorhergehenden Woche, Horst hat Schmerzen im rechte Arm, denn er hatte zu schwer gehoben. Dienstag, also einen Tag vor Abreise, mit großen Schmerzen zum Arzt. Diagnose war, die Sehne im Oberarm war abgerissen! Eine Mitfahrt war unmöglich.
Was jetzt? Allein mit einem Oldie auf dem Hänger 600 km nach McPomm? Das war mir denn doch zu riskant. Kurzerhand den Hänger abgesagt, sollte ja auch erst um 15:00 Uhr repariert werden. Irgendwie hatte ich den Verdacht, dass der Vermieter über meine Absage gar nicht so traurig war! Was sind das nur für „Geschäftsmänner“? Entschluss: Ich fahr mit dem Triumph TR3, der ist zuverlässig und schnell noch dazu. Rasch noch eine kurze Inspektion am TR3. Im Wesentlichen abgeschmiert, Öl rein, fertig!
Mit dem Triumph TR3 600 km unterwegs
Am Mittwoch früh ausgeschlafen und alleine mit dem TR3 geh’n McPom gefahren. 9:00 – 16:00 Uhr. Die 600 km waren eine ereignislose Fahrt. Ist eben ein Oldie, der brummt und ist zuverlässig.
Das schlimmste waren die letzten 2 km auf einer gnadenlosen Pflasterstein Straße welche nur im ersten Gang bewältigt werden konnte. Was soll’s, am Ende der Pflasterstein Straße tauchte mitten im Nirgendwo in einem herrlich angelegten Park das Schloss Kaarz auf, der Dreh- und Angelpunkt der Rallye.
Übernachtung im Schloss
Überraschung: Wir, also ich, hatten die Schlossherren Suite gebucht! Mit 2 Zimmern und Bad. Umbuchen war leider nicht mehr möglich. Also ich alleine in der Schlossherren Suite mit gefühlten ca. 100 qm Fläche. Preis sehr moderat, da ja der Rallye-Rabatt greift. TV formatfüllend an der Wand, Blick in den Park und auf das Oldie Geschehen. Was will man mehr? Ich konnte es mir jetzt als „Schlossherr“ auf der Terrasse gütlich tun. Bier 2,50 € und super Speisen im gediegenen Ambiente vom Sternekoch kostet kaum mehr als ein Schnitzel hier im bevölkerungsreichen Bundesland. Aufmerksame Bedienung, klar ich war einer von nur 5 Gästen. Was will man mehr? Abends, gepflegte Konversation mit 2 älteren Paaren, in der gediegenen Schlossbibliothek. Offensichtlich Gewinner der Wende, Geld war kein Thema. Man hat es einfach.
Besuch in Wismar
Am nächsten Tag beschloss ich nach Wismar zu fahren. Fahrt durch endlose, einsamste Allen, traumhaftes, unverfälschtes Oldtimer Land. Allerdings hin und wieder mal das beliebte Auto zerlegende Kopfsteinpflaster. Wieder nur im 1. Gang und Schritttempo gefahren, um das mittelalterliche Pflaster zu bewältigen. Die Anwohner erklärten mir, dass das Pflaster historisch sei und nicht mal eben asphaltiert werden könne. Manchmal konnte man Fahren ohne, dass über längere Zeit, ein Auto drängelnd oder noch schlimmer ausbremsend, wie bei uns in Hessen, auftauchte. Irgendwo im Nirgendwo, an einer Kreuzung ohne Schilder, ohne Hinweis wo man nun eigentlich ist, kommt mir der Gedanke: „Was sagst du dem ADAC falls das Auto mal stehen bleiben sollte, wo du bist?“ Eigentlich ein überflüssiger Gedanke, ein Triumph bleibt doch sowieso nicht stehen!
Einsame Seen laden zum Baden ein. Es musste nicht unbedingt sein, denn das Wasser war doch recht kühl, Boot fahren oder sich ein Picknick am Ufer gönnen. Und das Schönste, es gab keine Verbotsschilder, keine grölenden Touristenmassen, einfach nur Ruhe und traumhafte Landschaft zum Genießen.
Was soll man zu Wismar sagen? Aufs feinste renovierte, nach der Wende, alte Hansestadt, alter Hafen, wunderbare Fachwerkhäuser und kleine gemütliche Eckkneipen. Eine Stadt aber trotzdem gemütlich, ein Ort den man gerne mal wieder besucht. Es lohnt sich wirklich! Ein TV Team mit ca. 20 Tiefladern blockierte einige Straßen der malerischen Innenstadt. Hier wird die bekannte Serie SOKO Wismar gedreht. Erstaunlich wieviel Equipment für derartig „einfach“ gemachte Produktionen benötigt wird. Aber irgendwo hin müssen ja die Fernsehgebühren gehen.
Mecklenburger Schnauferlrallye
Abends gab es eine Einladung beim Veranstalter der Mecklenburger Schnauferlrallye, Michael Prizipilski (wer das aussprechen kann, Hochachtung). Typische „Ossi“ Fete, sorry is‘ aber so. Roster (Bratwurst!) vom Grill und Bier, Bier und Bier und dann auch noch Wodka,… waren ja auch einige polnische Oldtimerfreunde zu Gast. Passt scho‘. Auf dem Rückweg mit dem Oldtimer in der Nacht sind mir doch tatsächlich drei Rehe vor das Auto gesprungen und ein Fuchs. Konnte allerdings immer rechtzeitig bremsen! Michael meinte er hätte schon sieben (!) Rehe mit dem Auto abgeschossen und einen Hasen.
Grillfete in feuchter Atmosphäre
Freitag: Also ich, machen mich nützlich. Speziell für die Oldtimer Motorradfahrer wird die Strecke ausgepfeilt. Super System: ein roter Punkt heißt rechts abbiegen, ein eckiger links und ein Pfeil geradeaus. Tolle Sache, so hat man wirklich Zeit die Gegend zu genießen und muss nicht ständig unter Stress in einem Roadbook blättern. Das Roadbook gibt es natürlich zusätzlich mit auf den Weg. Ab jetzt bin ich offizieller Helfer mit eigenem Orgaschild! Durch diesen kleinen Trick kann ich mit meinen Gebrauchtwagen, also Autos ab 1945, mitfahren. Die Rallye ist eigentlich nur für Vorkriegs Fahrzeuge geplant. Darauf achtet Michael als Veranstalter strickt.
Abends die offizielle Eröffnung mit Grillen auf der Schlossterrasse. Super Abend, Atmosphäre einmalig, und wie könnte es anders sein, Bier, Bier und Bier und heute am eigens aufgestellten Versorgungswagen. Gut, dass ich jetzt nicht mehr ins Hotel fahren und nur noch ins Bett wanken musste. Es wurde ein echt langer Abend mit Grillen und Schwätzen im Park vor dem Schloss. Die Oldltimer standen im Park und wurden nachts durch Security bewacht.
Ein Teilnehmer kam aus München mit einer unrestaurierten Frischauf, gebaut in Hanau. „Wir“ reparierten ein Motorrad Getriebe. Nach dem 3. Halben war der Fehler gefunden! Es folgte eine recht kurzen Nacht.
Erlebnisse am Wochenende
Samstag: 9:00 Uhr Start zur Ausfahrt. Ich habe eine Streckenposten im Nirgendwo erhalten, zwecks Absperrung der Hauptstraße und freier Durchfahrt für die Oldies. Das war eine echt verantwortungsvolle Aufgabe, denn es kam immerhin ein Auto in einer halben Stunde vorbei! Obwohl außer einem Häuschen und einer Bushaltestelle hier nichts weiter war, sammelten sich in kürzester Zeit eine Menge Menschen an. Erst die Nachfrage, was ich denn hier so machen würde und dann kam der „Aha Effekt“, ach so Oldtimer Rallye! Auf einmal war die Kreuzung besetzt. Wo kommen die nur alle her? Zwei ältere Damen stellten, nach Info der Umstehenden, erst mal Ihr Auto ab und gesellten sich zu uns. Eine Mutter mit Kleinkindern und Kinderwagen taucht auf und wie sollte es auch anders sein, diese erkoren sofort meinen Oldie als Spielgerät. Was denn hier so meine Aufgabe sein? „ Absperren der Kreuzung!“ Kein Problem, die kleine Schar stellte sich mutig einfach Quer über die Kreuzung. Alles klar, die Oldtimer können jetzt kommen!
Mittagessen in Büzow. Ja, Büzow ist der Ort über dem der Tornado 2015 gewütet hatte! Und das hatte der wirklich. Soviel Gerüste und Dachdeckerfirmen auf einen Haufen habe ich noch nie gesehen. Wahrscheinlich haben sich direkt nach dem Fernsehbericht über dem Tornado sämtliche Dachdeckerfirmen der Republik nach hier auf den Weg gemacht. Abgedeckte Dächer, abgerissene Fassaden, eingebrochene Wände, selbst das Kirchdach hat es erwischt. In einer der zusammengebrochenen Scheunen tauchten plötzlich Oldtimer Traktoren auf, von deren Existenz vorher kein Anwohner etwas geahnt hatte. Hier ist noch einiges zu tun. Die Einheimischen meinten Unisono, dass in der guten alten sozialistischen Zeit die Dächer heute noch und in 10 Jahren abgedeckt geblieben wären!
Nun ging es zurück in die Oldtimer Kolonne durch die endlosen Weiten der McPommschen Alleen. Hin und wieder ein verfallenes Gutshaus, verlassene Scheunen und ganz, ganz selten ein entgegenkommendes Auto. Wow, und dann habe ich sie gesehen, die «blühenden Landschaften» unseres Ex-Kanzlers Kohl (1982-1998). Helmut hatte Recht. Jetzt kann ich es wirklich auch mit eigenen Augen sehen.
Irgendwo mitten im Wald am Ende einer dieser endlosen Alleen tut sich eine Lichtung auf. In der Mitte sieht der Besucher ein in der Renovierung befindliches „Gutshäuschen“. Der Jaguar des neuen Besitzers aus dem Westen parkte direkt daneben. Mein Mecklenburger Freund bestätigte es, man kann hier immer noch für kleines Geld Schlösser und große Landsitze kaufen. Ein schönes Beispiel ist auch das Schloss-Hotel Kaarz, wo ich nächtige, eine Holländische Investorin hat es von der ehemaligen Besitzerfamilie gekauft und als Hotel renoviert. Dass das Konzept anscheinend funktioniert, zeigt, dass es Ihr 4. Schloss ist! Die Vorbesitzer wurden übrigens 1945 von den Kommunisten mit ziemlich rabiaten Methoden vertrieben, verprügelt, auf LKW abtransportiert und die enteigneten Besitzer kauften das Anwesen nach der Wende wieder zurück. Nur, etwas daraus zu machen schafften Sie nicht wirklich, da musste erste eine Holländerin kommen.
Sonntag: Noch mal Ausflug mit einer kleinen Truppe in ein sehr schönes privates Oldtimer Museum. Abends fand ein Ausklang auf der jetzt wieder vereinsamten Terrasse statt. Alle Oldtimerfahrer haben sich auf den Weg nach Hause gemacht. Schlossherren Feeling kommt auf. Wieder sind zwei jüngere Pärchen im Hotel. Dieses Mal aus Hamburg, laute Reden über Investment und Landaufkäufe, dröhnen auf der Terrasse. Unangenehme Zeitgenossen waren das. Mein Schlossherren-Feeling kommt erst wieder auf, als diese endlich abreisten. Einsam mit Blick auf Park und Sonnenuntergang und es war ein schöner Ausklang dieses verlängerten Wochenendes.
Non-Stop Fahrt ohne Batterie
Am nächsten Morgen, Rückfahrt im TR, offen natürlich. Diesmal Non-Stop. Wie das denn? Wie konnte es auch anders sein, dieses Mal erwischte mich zur Abwechslung auch einmal der Fehlerteufel. Die Batterie hatte schon am Vorabend den Geist aufgegeben. Also, einmal noch starten am Schloss Berg, der TR3 sprang gerade noch so an und den Oldie um Himmels willen niemals bis Frankfurt ausmachen! Also ohne Stopp durchhalten. Nur einmal an die Tanke, aber der Halt war an einer abschüssigen Straße. Nach 7 Stunden und 600 km, also 300 km BAB, 300 km Landstraße bin ich ohne weitere Probleme zu Hause angekommen. Außer natürlich der allgegenwärtigen „Straßenbenutzungsgebühr“, diesmal 20 € dokumentiert von einem freundlichen Blitzkasten am Straßenrand in Mecklenburg-Vorpommern.
Ein Ausflug mit Vorkriegswagen ist nur zu empfehlen, eben mit dem Oldtimer nach Mecklenburg-Vorpommern. Versuche es doch mal…
Text und Fotos: Gastautor und erlebt von Frank Schädlich