Oldtimer – Hobby wie jedes andere?

Können wir nicht Briefmarken, Radios, Bierdeckel sammeln, vor uns hin gärtnern, herzige Figürchen aus Eicheln und Kastanien basteln, Kunst sammeln, oder kreativ Töpfern? Können wir uns nicht ökologisch korrekt in der üblichen Mainstream Soße bewegen?

Nein, wir haben uns dem denkbar auffälligsten, angreifbarsten Hobby, welches dieser Tage nur denkbar ist, verschrieben. Dem Sammeln und Fahren von alten Autos, von Oldtimern. Nur Penthäuser sammeln, uns stylen wie Harald Glööckler oder nackt über die Zeil in Frankfurt reiten, wäre auffälliger. Nun könnte man noch argumentieren, ein Hobby sei wie das Andere. Dem ist nun aus den verschiedensten Gründen, wenn man so darüber nachdenkt, einfach nicht so.

Solange wir die langen Jahre mit einer Vollrestaurierung nur hinter verschlossenen Türen im Verborgenen werkeln, ist alles kein Problem. Die Nachbarschaft ist fest überzeugt, dass aus dem Schrotthaufen der vor Jahren mühsam in die Garage gezerrt wurde „..eh’ nix mehr wird“. Somit haben wir, wenn wir mal wieder mit Öl verschmiert aus der Garage schleichen, außer den mitleidigen Blicken auch nichts zu fürchten. Dass hin und wieder mal ein Freund mit einem chromblitzenden Oldie vorbei schaut wird wohlwollend hingenommen. „Aber unser Nachbar, der kriegt das ja sowieso net’ hi’, Büromensch wie der ist…“. Dass wir, dem Oldtimer-Virus verfallen, nicht nur unsere Zeit in der Garage verbringen, sondern viel Zeit auf Märkten und im Internet zum Suchen von Teilen verbringen, fällt natürlich der immer barmherziger grinsenden Nachbarschaft nicht so wirklich auf.

Oldtimer das gläserne Hobby
Oldtimer das gläserne Hobby

Spätestens an dem Tag, an welchem unser restaurierter Oldie erstmalig vor die Garage gerollt wird, der überholte Motor prustend und dann zufrieden brummend den Dienst aufnimmt, beginnt sich die Gemütslage der Nachbarschaft zu verändern. Das anfängliche Staunen schlägt recht schnell um in die heute übliche missgünstige, ja neidische Stimmungslage. „Dass der sich des leisten’ ko…?“ Einige wenige Ölflecken werden automatisch und lautstark sofort dem Oldtimer-Besitzer „…des war wiedder der mit der alen’ Karre“ angelastet. Das die meisten der kräftigen Flecken von den ausgelutschten Kisten der ansässigen Führerscheinneulinge stammen wird dabei schlichtweg ignoriert.

Wenn wir jetzt noch fröhlich, Morgens an einem sonnigen Sonntag, unseren Oldtimer betriebsbereit machen und die Familie zwecks Ausflug verfrachten, kann man die Länge der sauertöpfischen Gesichter kaum noch messen. Jetzt gilt es nur möglichst schnell das Weite zu suchen, sonst vermiesen uns die neidvollen Blicke beim besten Willen auch noch den eigenen Tag. Wir sind zum gläsernen Menschen geworden. Zum „Promi“ Widerwillen. Jeder kennt uns jetzt im Örtchen, jeder weiß wann und wo wir mal falsch geparkt haben, anonym mal eben schnell im Discounter einkaufen, ist nicht mehr. Es gilt ab jetzt mit dem Makel des Besitzenden, des Andersartigen, des „reichen“ Spinners, des Umwelt Frevlers, zu leben.

Abends mal eben nach dem Oldtimer Stammtisch noch mal an einem lauschigen Sommerabend in einem Gartenlokal einkehren, will wohl überlegt sein. Denn irgendeiner unserer Mitmenschen mit übrig gebliebener Blockwart Mentalität wird es unserer daheim gebliebenen Ehefrau mit mehrdeutigem Blick schon zutragen. „Na, Ihrene’ Mann heb’ isch Gestern in die Kneipe gesehen…“. Logisch, denn unauffällig kann man eben einen Oldtimer nicht parken. Man sucht ja möglichst einen Parkplatz in Sichtweite des Autos um mögliche Übergriffe „lieber“ Mitmenschen zu vermeiden. Und wenn man dann doch mal besseren Wissens den Oldie in einer schlecht beleuchteten Seitenstraße abstellt, kann es zu bösen Überraschungen kommen, Kratzer gehören da noch zu den harmloseren Dingen.

Kommt man dann mitten in der Nacht nach Hause, stört sich garantiert einer der Anwohner über das quietschende Garagentor und über das laute Motorengeräusch sowieso! Dass das Garagentor wegen vorsorglicher Überfettung nicht die geringste Chance hat überhaupt einen Quietscher von sich zu geben und das 100 Meter weiter mitten in der Nacht alle halbe Stunde ein brummender Stadtbus minutenlang an der Haltestelle steht, wird dabei mal wieder total vergessen.

Selbst wenn wir nur die Garage öffnen, stehen wir schon in Generalverdacht. Manchmal kann man als vorausschauender Oldtimer-Fahrer von weitem schon das Unheil nahen sehen. Wenn Mütter mit Kinderwagen und nörgelndem Sprössling an der Hand auftauchen, mache ich die Garage schnell wieder zu, um unnötigen und irgendwie ohrenbeleidigende Kommentaren aus dem Weg zu gehen. „Mama guck mal, ein Olddimmer“ – „Herzchen das ist doch nur ein altes Auto und stinken tut’s au’ noch“ – „Abba Mama ich will gugge“. – „Komme jetzt…“ – Aufstampf: „Uuuähhhh…“. Da fühlt man sich dann auch noch schuldig weil man die kleine Kinderseele so zum Kreischen gebracht hat.

Einer zweiten Kategorie versuche ich auch konsequenterweise aus dem Weg zu gehen, den Hunden. Zugegeben mit deren feiner Nase möchte ich auch keinem Oldie begegnen. Andererseits ist es schon unangenehm wenn man tief sitzend im offenen Oldtimer von einem aufgebrachten Schäferhund auf Augenhöhe angekläfft wird. Selbst der Ruf des Herrchens „Der ist harmlos, der macht nix“, ist mit Blick auf die fletschenden Zähne nicht sonderlich überzeugend.

Ungewollt komisch war der Auftritt eines distinguierten, älteren Herren (so in meinem Alter), mit langem, eleganten, schwarzen Mantel, dazu passend ein weitkrempiger schwarzer Hut, unauffälliger Chic, Typ gut situierter Bildungsbürger mit kulturellem Hintergrund. Ich war gerade in der Garage beschäftigt mein, seit einigen Jährchen, abgestelltes Fahrzeug wieder zum Leben zu erwecken. Also gab es viel Startpilot und ständiges Orgeln, um den Motor zum Laufen zu bringen. Schon vom weiten hörte ich besagten Herren über dieses schier unzumutbare Geräusch aufgebracht schimpfen. Noch mal Startpilot eingespritzt. Just in dem Moment als der Motor zündete stand der Mensch doch tatsächlich in der offenen Garagentür und gab irgendetwas Unverständliches von sich. Laut spuckend sprang der Motor an und verdunkelte mit einer schwarzen Öl- und Benzingemischwolke die Garage und er stand, Zeder und Mordio schreiend, mitten drinnen! Ein Schlüsselerlebnis würde unser Pfarrer sagen, mein Glaube an einen Herrgott kam schlagartig zurück! Ehrlich, ich hatte ihn da nicht stehen sehen.

Zugegeben ein eher unangenehmer Vorfall, aber andererseits etwas Toleranz für die Hobbys Anderer wäre schon wünschenswert. Wie oft bin ich schon in Hunde Hinterlassenschaften getreten, wie oft wurde man von lauten Nachbarn genervt, usw… Habe ich mit diesen Leuten eine Diskussion entfacht? Nein. Kann man uns nicht genauso in Ruhe lassen, oder ist das etwa zu viel verlangt?

Der Stinkerfahrer ist ja an allem Schuld! Der offensichtlich, aber hinter vorgehaltener Hand, diskutierte Vorwurf des Verderbens des Weltklimas und ungeheueren Verursachers von Feinstaub kann man sowieso nicht entgehen. Hilfe, wegen mir schmelzen die Pole! Die im 10 Minuten Takt startenden Flugzeuge auf dem in der Nähe gelegenen Frankfurter Flugplatz nun aber wirklich einen echten Beitrag zum Umweltschutz leisten, ficht da auch nicht weiter im Geringsten an. Das die mit dem PKW Anreisenden bei einem einzigen Fußballspiel mehr Dreck in die Umwelt pusten, als mein Oldie in seinem langen Leben, wen interessiert es? Selbst die von Oldtimer-Besitzern gerne angeführte Ökobilanz des Fahrzeuges, was bereits existiert verbraucht keine unwiederbringlichen Ressourcen mehr, interessiert nicht wirklich. Verstanden wird dabei das Argument sowieso auch nur selten. Die immer wieder gezielt hinterlistig gestellte Frage nach dem Benzinverbrauch mit „so um die 10 Liter“ zu beantworten, bringt so gut wie nichts. Hier will man einfach irgendeine Zahl über 20 Liter hören, alles andere wäre für die „wohl informierten“ Umweltschützer einfach absolut unglaubwürdig. Meistens gebe ich aber handzahm zum Besten, dass ich immer nur für 20 Euro tanke. Ha, ha, uralter Witz. Aber egal, die Nachtbarschaft hat Ihren Umweltsünder gefunden! Dummerweise bin ich das.

Die Krönung aber stellte ein direkter Nachbar dar. Jahrelang schnüffelte er an meiner geschlossenen(!) Garage herum und muffelte mich an „…das stinkt ja nach Benzin!“ Stumpf wiederholend seine Madam „…ja, füüürterlisch!“ – „Und des ganz Blei des der in die Luft pustet!“ Welches Blei? Kann man doch eh‘ nicht mehr erwerben. Um nicht in die Analen der Kriminalstatistik ein zu gehen war da einfach eiserne Beherrschung und vornehme Zurückhaltung erste Pflicht des Oldtimer-Fahrers. Aber neulich kam es Dicke. Ich wundere mich schon die ganze Zeit warum da so ein Opel Admiral, übrigens mit hässlichen nicht originalen Leichmetallfelgen, bei uns in der Straße parkt. Natürlich wollte ich, weil Oldie, mit dem Besitzer ein paar Worte wechseln, Kontakt knüpfen. Und tatsächlich – mein ganzes Weltbild bricht in einer Sekunde zusammen – irgendwann steht mein Benzin schnüffelnder Nachbar neben dem Opel. Er ist der neue Besitzer! Mit stolz geschwellter Brust erklärt er mir wortgewaltig, dass er schon immer mal einen Oldtimer fahren wollte. Stumpf nickend steht Madam daneben „Ja, ja was sich meen Mann e mol in de Kopf gesetzt hät…“. – „Wie meinen???“ Als er dann noch voller Besitzerstolz den Motor anlässt, konnte ich es mir einfach nicht verkneifen. Ohne Rücksicht auf die Kleidung ging ich mich mit allen Vieren auf die Strasse und schnüffelte direkt 10 cm vom Auspuff an den Abgasen. Nur um dann lautstark den Umstehenden zu verkünden: „Ihhh, der stinkt ja füüürschterlich!!!“ Ich glaube ich habe jetzt einen Freund weniger in der Nachbarschaft.

Na gut, wir haben ja vom Staat auch einige Vorteile für unser Hobby erhalten. So was kann man als Briefmarken Sammler, Taubenzüchter oder Fußball Fan eher nicht in Anspruch nehmen. Wir haben das H-Kennzeichen und das 07-Kennzeichen, also Steuererleichterungen. Und in die Umweltzone dürfen wir auch rein fahren. Logisch ist den meisten Außenstehenden das mit dem H auch bekannt. Trotzdem, immer und immer wieder muss man wildfremden Menschen erklären was ein H-Kennzeichen eigentlich soll. Gut das da nur die Wenigsten wissen was es mit dem 07ener auf sich hat. Es wird schlicht mit einer roten Überführungsnummer (o6er) verwechselt.

Zunehmend kommt unser Hobby auch noch in letzter Zeit in das Visier von Spekulanten. „Garagengold“ ist das Zauberwort. Bild, Stern, Spiegel selbst die letzte Frauenpostille berichten über den neuesten Boom. Auktionen mit zugegebenermaßen Traumautos und Traumergebnissen weit über der Millionengrenze tun ihr übriges dazu. Schäle Blicke und die auch so beliebte Frage „Was ist der so Wert?“ sind die Folgeerscheinung. Ärgerlich, dass wir wieder mal von Neidhammeln in eine Ecke gedrängt werden in die wir weder gehören noch rein wollen. Wieso eigentlich, was geht das „Die“ denn an? Muss ein Taubenzüchter erklären warum er grüne Ringe um die Füßchen seiner Tauben macht, was eine Taube kostet? Muss er nicht, warum auch?

Wir sollten uns damit abfinden, dass wir nun mal ein „gläsernes“ Hobby haben. Ob es uns passt oder nicht ,wir müssen uns mit allen möglichen und unmöglichen Menschen arrangieren, um weiter Spaß an unserem recht auffälligen Hobby zu haben.

Gedanken, Text und Foto: Frank Schädlich