Immer wieder wird die Frage nach Klassikern der Zukunft gestellt. Doch kaum jemand kann 30 Jahre in die Zukunft blicken und sagen, welche Fahrzeuge dann noch betriebsbereit als Oldtimer gefahren werden können.
Die Bauweise von Automobilen hat sich seit den 80er Jahren völlig geändert. Sie werden in Modulbauweise aus vielerlei Komponenten aus unterschiedlichsten Materialien gebaut und bedürfen einer vorsorglichen Behandlung, wenn sie die nächsten 30 Jahre übersehen sollen. Dabei geht es nicht allein um die installierte Elektronik, sondern um alle Baugruppen und Aggregate eines Fahrzeugs, die gepflegt und konserviert werden müssen. Aber auch die Ersatzteilversorgung spielt eine wichtige Rolle, denn für viele Teile wird Ersatz heute nicht einmal mehr für 10 Jahre bereitgehalten.
Karosserie und Chassis brauchen Schutz
Moderne Karosserien bestehen aus einem Verbund aus Materialien mit unterschiedlichen Eigenschaften: elastische und hochfeste Stähle, teilweise in Verbindung mit Aluminiumteilen, Kunststoffen oder auch Kohlefaser, bilden die extrem belastbare Zelle, die immer höheren Crashtest-Anforderungen genügen muss. Karosserien werden geschweißt, gelötet, genietet, geklebt, verklammert und so gefertigt, dass für die Reparatur Spezialverfahren und Werkzeuge notwendig sind. Im Inneren der immer voluminöseren Träger und Holme braucht ein Klassiker der Zukunft einen Korrosionsschutz vom ersten Tag an, der alle Hohlräume betrifft, um Korrosion durch Feuchtigkeitsniederschlag und Kondenswasser zu verhindern. Serienmäßig wird dieser Schutz nur teilweise angebracht – wer sein Auto bewahren will, muss es nachbehandeln lassen.
Unfallreparaturen können oft nur noch durch Tausch mit Originalteilen erfolgen, denn wenn etwa im Türschweller aus Stahl ein Aluminiumstrang liegt, kann nicht einfach ausgebeult, gerichtet und geschweißt werden, wenn die Festigkeit erhalten bleiben soll. Sobald die passenden Ersatzteile nicht mehr erhältlich sind, ist die sachgerechte Reparatur nicht mehr möglich. Karosserie und Chassis müssen sicher vor Korrosion geschützt werden, wenn ein Fahrzeug in 30 Jahren Oldtimer (H-Kennzeichen) werden soll, denn die bislang üblichen Reparaturschweißungen können nur noch durchgeführt werden, wenn die gestanzten und geprägten Originalteile aus dem Originalmaterial verfügbar sind. Man wird in Zukunft bei Interesse für ein älteres Auto deshalb immer zuerst nach dem Korrosionsschutz fragen müssen.
Moderne Kunststoffe hat eine begrenzte Lebensdauer
Kunststoffteile werden durch UV-Licht, Ozon und Luft angegriffen, ausgelaugt und spröde. Sie müssen deshalb ebenfalls geschützt und gepflegt werden. Hinzu kommt, dass etwa Instrumententafeln, Verkleidungsteile und Sitze aus dem Verbund verschiedener Schäume bestehen, die eine unterschiedliche Lebensdauer haben. Sie können nicht repariert, sondern nur als Ganzes ausgetauscht werden, solange neuwertige Ersatzteile verfügbar sind. Für viele heute 15 Jahre alte Fahrzeuge sind diese Teile nicht mehr erhältlich – doch wer legt sich in schwarzen, lichtdichten Schutztüten solche Teile in den kühlen Keller? Die Problematik betrifft auch die Stoßfänger und Verkleidungsteile, die ihre Weichmacher verlieren, spröde und brüchig werden und ihre Funktionen nicht mehr erfüllen. Auch Motorverkleidungen und Motorraumschutzwannen. Jede Dichtung, jeder Clip an einem modernen Auto ist ein Spezialteil für das jeweilige Modell, das man eines Tages für Reparatur oder Ersatz brauchen wird, wenn man nicht unsachgemäß improvisieren will. Die Türen vieler Autos bestehen aus einem Verbund gestanzter, geprägter, gezogener Aluminium-, Kunststoff- und Stahlteile, die nur ersetzt, nicht aber repariert werden können.
Spezialteile in der Ausstattung moderner Autos
Schon jetzt gibt es Lichtsysteme, die als Gasentladungs- oder Linsensysteme in Oberklasse-Autos verbaut wurden und nach 6 Jahren wegen Weiter- oder Neuentwicklung nicht mehr lieferbar sind. Das Tagfahrlicht mit den schicken LED-Bändern ist für jedes Modell ein Spezialteil, das nur als Ganzes getauscht werden kann. Bei vielen Lichtsystemen ist der Lampentausch Werkstattsache. Desgleichen Innenraumkonsolen, Klimaanlagen, Navigations- und Entertainment-Systeme und die Komfort-Ausstattung, für deren Austausch zudem Spezialwerkzeug gebraucht wird. In vielen Fällen gibt es nicht einmal Ersatz für alte Airbags, geschweige denn für elektronisch angesteuerte Sicherheitssysteme. Schicke Innenleuchten, gepresste und geprägte Verkleidungen, Holzapplikationen und Isolations-materialien sind, wie jede Türdichtung und alle Gummis, Spezialteile, die man braucht, wenn ein Fahrzeug originalgetreu bleiben soll. Auch der klassische Kabelbaum ist heute ein Verbund mit digitalen Komponenten und Lichtleittechnik, er muss vor unsachgemäßer Behandlung geschützt werden, denn er ist heute so in die Struktur integriert, dass er nicht mehr gewechselt werden kann.
Elektronik ohne Gedächtnis
Skeptiker zum Oldtimer der Zukunft erwähnen meist zuerst die befürchteten Probleme mit der Elektronik. Tatsächlich zeigt sich, dass elektronische Lösungen für ältere Fahrzeuge immer dann verfügbar sein werden, wenn das Fahrzeug attraktiv und mit gewinnversprechenden Stückzahlen verbreitet ist. Umgekehrt ist dies das Todesurteil für das Alltagsauto ohne Sammlerwert, weil nicht nur die individuellen Elektronikbausteine nicht mehr verfügbar sind, sondern auch in den meisten Fällen die sog. Quellcodes nirgendwo hinterlegt werden, das heißt eine Reparatur elektronischer Komponenten nahezu unmöglich ist.
Wer sein Auto mit in die Zukunft nehmen will, sollte sich folglich beizeiten um Ersatz-Steuerelektronik und Komponenten wie Schließanlage und Bordmanagement, Klima, Entertainment, … zur Seite legen. In wie weit ABS, ASR, ISP, Spurhalte- und Bremsassistent oder Leuchtweitenregelung und Individualisierungssoftware zukünftig verfügbar sein werden, hängt auch von der Marktbedeutung des jeweiligen Fahrzeuges ab.
Zusammenfassend hat alles Zukunft, was mehrheitlich handwerklich gewartet, repariert oder ersetzt werden kann und Fahrzeuge, für die es geeignete Teile gibt, wenn das Basisfahrzeug am Besten seit Erstzulassung konserviert und trocken untergestellt wurde.
Allein diese Voraussetzungen werden von den meisten im Alltag genutzten Fahrzeugen nicht erfüllt.
Quelle: AvD