150. Geburtstag von Henry Ford

Henry Ford schuf Einmaliges auf eine einmalige Weise: Als Sohn eines Farmers geboren folgte er allein seiner Leidenschaft für Mechanik und Motoren und baute darauf ein Weltunternehmen auf, das neue Maßstäbe für die kostengünstige Produktion von komplexen technischen Konsumgütern setzte. Am 30. Juli 1863, also vor rund 150 Jahren, wurde Henry Ford geboren. Aus diesem Anlass ehrt das Auto & Technik Museum Sinsheim mit einer kleinen Sonderausstellung vom 1. Mai bis zum 3. November 2013 den Mann, der als größte Lebensleistung das erste Automobil für die Massen schuf. Zu sehen sind u.a. ein Exemplar des legendären Ford T-Modells von 1917, ein historisches Ford-T-Servicemobil, ein Ford S-Modell von 1908, ein Fordson-Traktor und, als besonderes Highlight, eine originalgetreue, voll funkti­ons­fähige Replika des Ford „Quadricycle“, des ersten von Henry Ford im Jahr 1896 konstruierten Automobils.

Henry Ford mit T-Modell und Quadricycle
Henry Ford mit T-Modell und Quadricycle © Fotoquelle und Bildrechte: Auto & Technik Museum Sinsheim e.V.

Das Ford „Quadricycle“
Henry Ford wurde 1863 als Sohn eines Farmers geboren und lernte so von frühester Jugend an das entbehrungsreiche Leben der Landbevölkerung kennen. Schon als Kind fasste der technisch begabte Ford den Entschluss, ein Fahrzeug zu konstruieren, das das beschwerliche Landleben erleichtern sollte. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit in der Firma von Thomas A. Edison in Detroit begann er, seine Vision, einfache Fahrzeuge für die Massen herzustellen, in die Tat umzusetzen. Das erste Ergebnis was das „Quadricycle“.

Zwei Jahre hatte Ford an seinem ersten Fahrzeug gearbeitet, bis er am 4. Juni 1896 endlich die erste Probefahrt unternehmen konnte. Er nannte seine Schöpfung „Quadricycle“, da der Wagen auf vier Fahrrad- (engl.: cycle) Rädern lief. Dampfrohre dienten als Zylinder, zwei Lederriemen übertrugen die Kraft über eine Kette auf das Differenzial der Hinterachse. Zwei Gänge konnte man mittels des Spannhebels für die beiden Riemen wählen, im „großen“ Gang erreichte der Wagen ca. 32 km/h.
Henry Fords Begeisterung für das Automobil war endgültig geweckt. Noch im gleichen Jahr verkaufte der spätere Industrie-Pionier sein Erstlingswerk für 200 US-Dollar an Charles Ainsley. Später gelang es ihm, den Wagen für 60 US-Dollar wieder zurück zu kaufen. Das Original hat heute einen Ehrenplatz im Henry Ford Museum in Dearborn. Zwischen 1980 und 1981 hat die Ausbildungswerkstatt von Ford in Köln zwei Replikas anhand von historischen Unterlagen hergestellt. Eine davon gehört heute der IG Quadricycle 1896, die dieses einmalige Fahrzeug dem Museum jetzt für den Zeitraum der Ausstellung als Leihgabe überlassen hat.

Die Anfänge des Automobils in Europa
Rund 10 Jahre vor dem Quadricycle hatte das Automobil in Deutschland das Licht der Welt erblickt. Am 3. Juli 1886 unternahm Carl Benz in Mannheim mit seinem Dreirad die erste dokumentierte Fahrt mit einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor, praktisch zeitgleich entwickelte Gottlieb Daimler mit Wilhelm Maybach einen vierrädrigen Wagen, der ein knappes Jahr später vorgestellt wurde. In Deutschland und in den meisten anderen europäischen Ländern stand die Öffentlichkeit der neuen Erfindung jedoch eher skeptisch gegenüber. Zum Teil wurde sogar durch bürokratische Hemmnisse versucht, die Verbreitung des Automobils aktiv zu verhindern. In England galt z.B. bis 1896 der „Red Flag Act“, ein Gesetz, das vorschrieb, dass jedem Motor­fahrzeug ein Mann mit einer roten Flagge voran gehen musste, um Mensch und Tier zu warnen.

Henry Ford mit T-Modell
Henry Ford mit T-Modell © Fotoquelle und Bildrechte: Auto & Technik Museum Sinsheim

Nach der Jahrhundertwende begannen die Motorwagen zwar zunehmend die Straßen zu erobern, aber bis in die 1920er Jahre hinein waren Automobile in Europa den wohlhabenden Bevölkerungsschichten vorbehalten. Dies lag zum einen an der aufwändigen Fertigung und dem dadurch von vornherein hohen Preis. Zum anderen wurde das Auto aber auch in vielen Ländern lange Zeit als nicht wirklich notwendig angesehen und daher zusätzlich mit hohen Luxussteuern belegt. Ganz anders entwickelte sich die Situation dagegen in Amerika, wo Henry Ford das Automobil mit seinem ab 1908 produzierten T-Modell zu einem Massenverkehrsmittel machte, das auch für den Durchschnittsverdiener erschwinglich war. Neunzehn Jahre lang war das Ford T-Modell das meistgebaute Auto der Welt. Insgesamt wurden über 15 Millionen Stück produziert. Erst 1972 konnte VW mit seinem Käfer diesen Rekord brechen.

Neue Wege der Produktion
Ford verzichtete bei diesem legendären Fahrzeug ganz bewusst auf alle nicht absolut notwendigen Teile wie Tachometer oder Benzinuhr, um den Preis so niedrig wie möglich zu halten. Ab 1914 führte Ford außerdem die Fließbandfertigung ein. Da nur der schwarze Lack ausreichend schnell trocknete war das T-Modell während er ersten Zeit der Fließbandfertigung ab Werk nur in schwarz erhältlich. Durch die Optimierung aller Arbeitsschritte gelang es Ford, den Verkaufspreis des T-Modells von 780 US-Dollar im Geschäfts­jahr 1910 / 1911 auf 490 US-Dollar im Geschäftsjahr 1914 / 1915 zu senken und gleichzeitig die Löhne seiner Arbeiter deutlich zu erhöhen.

Die Fließbandfertigung war dabei ein wichtiger, aber bei weitem nicht der entscheidende Grund für die Verringerung der Produktionskosten. Ford hatte erkannt, dass bei Massenprodukten, die millionenfach hergestellt werden, bereits minimale Kostensenkungen enorme Auswirkungen auf den Ertrag haben. Schon ein Cent Ersparnis bei einer Schraube bedeutete bei einer Million Fahrzeugen 10.000 US-Dollar zusätzlichen Gewinn. Entsprechend wurde bei Ford erst­mals in der Industriegeschichte die gesamte Produktionskette vom Einkauf der Rohstoffe bis zur Auslieferung des fertigen Fahrzeugs durch ratio­nalisiert. Durch die systematische, mit wissenschaftlicher Akribie durchgeführte Analyse aller Produktionsschritte konnte er nicht nur die Kosten für seine Produkte drastisch senken, sondern gelangte auch zu Erkenntnissen, die zum Teil erst Jahrzehnte später Eingang in die Indus­trie­produktion fanden. So beschreibt er z.B. in seinem Buch „Mein Leben und Werk“ bereits 1922 die Grundzüge der „Just in time“ Produktion, bei der die benötigten Materialien immer nur in den gerade benötigten Mengen zum Zeitpunkt des Verbrauchs angeliefert werden und eine Lagerhaltung entfällt: „Wäre das Transportwesen vollständig durchorganisiert, so dass eine gleichmäßige Materialzufuhr gesichert erschien, dann wäre es überhaupt unnötig, sich mit einem Lager zu belasten. Die Waggons mit Rohmaterial würden planmäßig in der bestellten Reihenfolge eintreffen und der Inhalt direkt von der Station der Produktion zugeführt werden. Dadurch ließe sich viel Geld ersparen, da es einen außerordentlich raschen Absatz ermöglichen und das in Materialbeständen festgelegte Geld verringern würde.“

Fordson Traktor
Fordson Traktor © Fotoquelle und Bildrechte: Auto & Technik Museum Sinsheim

Der Fordson Traktor
Der Bau des T-Modells und die dadurch ausgelöste Massenmotorisierung in den USA ist aber nur eine Facette der außerordentlichen Lebensleistung von Henry Ford. Mit der Herstellung seines ersten Traktors im Jahr 1917 erfüllte er sich auch seinen Jugendtraum, die Mechanisierung der Landwirtschaft voran zu treiben und die harte Landarbeit entscheidend zu erleichtern. Die Traktoren wurden unter der Markenbezeichnung „Fordson“ vertrieben, was für „Ford & Son“ steht.

Soziale Verantwortung
Obwohl der Erfolg des T-Modells und seiner anderen Produkte Henry Ford zu einem der reichsten Männer seiner Zeit machte verlor er nie den Blick für seine soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern und der Gesellschaft. Hierzu ein weiteres Zitat aus dem oben genannten Buch:
„Zur Finanzführung gehört nicht nur die Berechnung der Gewinne und der Solvenz eines Unternehmens, sondern auch die Sorge dafür, dass die Allgemeinheit in Form der Löhne das zurück erhält, was ihr von Rechts wegen zusteht. Das hat nichts mit Wohltätigkeit zu tun. Anständige Löhne haben nichts mit ihr gemein. Schlechte Löhne sind einfach der Beweis für die Unsicherheit eines Unternehmens, denn jedes gut geleitete Unternehmen ist in der Lage, jedem Mitwirkenden reichliche Arbeitsgelegenheit und damit reichliches Entgelt zu gewähren.“

Ab dem 12. Januar 1914 betrug der Mindestlohn für einen Ford-Arbeiter pro Tag 5$ bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden. Der Preis für ein T-Modell (490$ im Jahr 1914) lag zu dieser Zeit somit bei 98 Tageslöhnen. Dadurch konnten sich auch die Ford-Arbeiter ihr eigenes Produkt leisten, was für Henry Ford ein wichtiges Anliegen war. In Deutschland dauerte es dagegen bis in die 1960er Jahre, bis ein Arbeiter oder ein einfacher Angestellter genug verdiente, um sich ein Auto kaufen zu können. Als Gegenleistung für die überdurchschnittliche Bezahlung verlangte Ford allerdings von seinen Mitarbeitern die bedingungslose Anpassung an die Notwendigkeiten eines durch rationalisierten Industriebetriebes:
„Wir erwarten von den Leuten, dass Sie tun, was ihnen gesagt wird. Unsere Organisation ist so bis ins einzelne durchgeführt und die verschiedenen Abteilungen greifen so ineinander ein, dass es völlig ausgeschlossen ist, den Leuten auch nur vorübergehend ihren eigenen Willen zu lassen.“
Von Sozialunterstützung, insbesondere in organisierter Form, hielt er wenig, von Ausnahmefällen, die eine Erwerbstätigkeit unmöglich machten, einmal abgesehen. Die einzige für ihn akzeptable Sozial­politik bestand darin, Arbeitsplätze für die unterschiedlichsten Qualifikationen zu schaffen, so dass es allen Mitgliedern der Gesellschaft möglich war, durch Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Er selbst ging dabei beispiel­haft voran, indem er in seinen Fabriken gezielt behinderte Menschen einstellte. So arbeiteten um 1920 in den Ford-Werken rund 10.000 Menschen mit den unterschiedlichsten Behinderungen.

„Berufsmäßig ausgeübte Wohltätigkeit ist nicht nur gefühllos, sondern verletzt mehr als sie hilft. Sie erniedrigt die Empfänger und stumpft ihre Selbstachtung ab.“ … „Wohltätigkeit wird in dem Augenblick überflüssig, da die scheinbar zum Selbstunterhalt Unfähigen aus der unproduktiven Klasse herausgehoben und in die produktive versetzt werden.“

So sehr Henry Ford sich um seine Mitarbeiter kümmerte und dabei auch ungelernten Arbeitern die Möglichkeit bot, bei entsprechender Leistung bis in die Führungsebene des Unternehmens aufzusteigen, so sehr verabscheute er die Finanzindustrie, die aus seiner Sicht nur auf Gewinne aus war, ohne eine eigene unterneh­merische Leistung zu erbringen. Hierzu zwei weitere Zitate aus dem oben genannten Buch: „Wir sind nicht dagegen, Geld zu borgen, und wir sind auch nicht gegen die Bankiers. Wir sind nur gegen den Versuch, Geldanleihen an Stelle der Arbeit zu setzen. Wir sind gegen jeden Bankmann, der das Unternehmertum als Ausbeuteobjekt betrachtet.“

„Würde ich je vor die Wahl gestellt, entweder die Löhne zu drücken oder die Dividenden abzuschaffen, ich würde ohne zu zögern die Dividenden abschaffen.“

Quelle: Auto & Technik Museum Sinsheim e.V.