65 Jahre Lloyd 300 – Borgward erfüllt Ihre Wünsche

Vor 65 Jahren rollte in der jungen Republik ein Kleinwagen namens Lloyd 300 erstmals vom Hof. Schon bald gab es Aussagen wie „Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“ oder „Der Lloyd steht am Berg und heult.“ Solche Sprüche kursierten nicht nur unter Fahrern eines Lloyd aus Bremen.

Wer mehr als ein Motorrad wollte, also ein Dach beim Fahren über dem Kopf, der kaufte ein Kleinauto der Wirtschaftswunderzeit in den 50er Jahren.

Lloyd erfüllt Ihre Wünsche
Lloyd erfüllt Ihre Wünsche © Fotoquelle und Bildrechte: Sammlung Museum ErfinderZeiten in Schramberg

Die Lebenssituation war noch nicht so gut wie in den 60er Jahren. Die meisten Fabriken waren noch zerstört, die Wirtschaft rappelte sich erst langsam wieder auf und bei Neuanschaffungen kam erst die Wohnungseinrichtung, dann die Mobilität.

Der Bremer Unternehmer Carl Friedrich-Wilhelm Borgward erkannte den Wunsch des Volkes schon sehr früh. Er konstruierte und baute das marktgerechte Auto: Den Kleinwagen Lloyd LP 300. Er konzipierte einen Kleinwagen, der weniger als 3000 Mark kosten sollte, ein Auto ohne jeglichen Schnickschnack, ein Auto, das gerade mal das Nötigste bot. Der Lloyd LP 300 wurde so zu einem Bestseller der frühen Nachkriegsjahre. Der Kleinwagen mit der Sperrholz-Karosserie und dem schwächlichen Motor war ein Minimalauto, aber eine vollwertige Limousine für die Familie.

Wegen der damals kriegsbedingt herrschenden Materialknappheit startete die Produktion des Fahrzeugs mit einer Karosserie aus einem Hartholz-Rahmen mit Sperrholz-Beplankung. Der Kleinwagen wurde von einem 300-Kubikzentimeter großen Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 10 PS angetrieben. In der Bedienungsanleitung war zu lesen: „Wollen Sie einmal genau wissen, wie viel Kraftstoff in Ihrem Tank ist, dann messen Sie dies mittels eines Holzstabes.“ Über das Armaturenbrett war folgendes zu lesen: „Man hat hier nicht das unangenehme Gefühl, man müsse erst Klavierspielen lernen, bevor man es bedienen kann.“ Borgward war Realist.

Der Sperrholz-Karosserie wurde ein Bezug aus Kunstleder verpasst, der dem Fahrzeug eine gewisse Witterungsbeständigkeit verlieh. Gleichzeitig sorgte der Bezug auch für den Spitznamen „Leukoplast-Bomber“: Schäden an der Außenhaut mussten nicht gespachtelt werden, sondern ließen sich mit Leukoplast-Pflaster zumindest kurzfristig versiegeln.

Lloyd empfahl: „Beim Waschen gilt die gleiche Methode, die auch die Hausfrau anwendet: erst Einweichen – dann Nachspülen“. Und Vorsicht: „Es ist der Kunstlederbezug nicht mit Bohnerwachs zu behandeln.“

Es waren dann doch 3334 Mark, die der Lloyd LP 300 kostete, als er im Juni 1950, also vor 65 Jahren, zum ersten Mal vom Hof rollte. Dafür kosteten Ersatzteile wenig. Ein neuer Motor war für schlappe 98 Mark zu haben. Mit drei Vorwärtsgängen und einem Rückwärtsgang, am Lenkrad zu schalten, überholte der „Leukoplast-Bomber“ im Marktsegment unterhalb des VW Käfer alle Konkurrenten.

„Der Lloyd steht am Berg und heult“

Der 10-PS-Zweitaktmotor beschleunigte das Auto auf maximal 75 km/h. An Steigungen allerdings ging dem Triebwerk rasch die Puste aus. Die Kraft reichte einfach nicht aus, um Berge zügig zu erklimmen. Lloyd legte daher 1953 mit dem Modell 400 nach, dessen Motor nun knapp 400 Kubikzentimeter Hubraum besaß und 13 PS leistete. Diese Maschine war einen Tick kräftiger, doch insgesamt änderte sich kaum etwas an den Fahrleistungen, denn auch das Fahrzeuggewicht nahm zu, weil nach und nach die Holzbauteile der Karosserie durch Stahlblech ersetzt wurden.

„Wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd“

Die Betriebserlaubnis genehmigte dem 475 Kilogramm leichten „Leukoplast-Bomber“ ein Gesamtgewicht von 800 Kilogramm. Die Zuladung war gerade richtig für den ersten Urlaub, den sich einige Deutsche in den 50er Jahren langsam wieder leisten konnten. Bergab gerieten mit Pendelachse, Blattfedern und Seilzugbremsen viele Lloyd-Fahrer an den Rand ihres fahrerischen Könnens. Ein Crash mit der instabilen Sperrholzschachtel war hoch gefährlich, die Karosserie bot wenig Schutz.

Für Besitzer des damaligen alten Vorkriegs-Führerscheins IV legte Lloyd auch ein Modell mit der Kennziffer 250 auf – wenig überraschend war dies mit einem 250-Kubik-Motor (11 PS) ausgestattet und galt als „Prüfungsangst-Auto“. Der Wagen durfte nämlich mit der Fahrlizenz IV bewegt werden, die ehemals für Motorräder gedacht war.

Von den drei Kleinwagen-Typen 300, 400 und 250 baute Lloyd bis zum Jahr 1957 insgesamt 131.733 Exemplare. Um das Jahr 1955 stand die Marke Lloyd übrigens hinter Volkswagen und Opel an dritter Stelle der deutschen Zulassungsstatistik. Das kleine Auto dominierte den Markt unterhalb des VW Käfer und wurde ab 1955 sukzessive vom Lloyd 600, später auch vom Lloyd Alexander, beide mit Viertakt-Motoren und eleganter Form, abgelöst.

Carl Friedrich-Wilhelm Borgward

Der Unternehmer Carl Friedrich-Wilhelm Borgward (1890-1963) gründete sein Imperium Anfang der 1920er Jahre mit dem Bau von Kühlern und Kotflügeln. 1961 ging das vielschichtige Unternehmen zugrunde. Warum Borgward unterging, ist umstritten. Man spricht von verfehlter Modellpolitik und Exportrückgänge die das Unternehmen in Zahlungsschwierigkeiten brachten. Weil Borgward von öffentlichen Millionenkrediten abhing, musste er sein Imperium dem Land Bremen übergeben. Doch die Firmen waren nicht mehr zu retten. Mit dem Konkurs gingen 23.000 Arbeitsplätze verloren. Der letzte Borgward lief 1970 in Mexiko vom Band.

Quelle: Das Museum ErfinderZeiten in Schramberg präsentiert einen wunderschönen Leukoplast-Bomber LP 300. Dieser wurde zuletzt von einem Bauer als Hühnerstall genutzt und danach vom Besitzer der Museumssammlung, Martin Sauter, liebevoll restauriert.