Der Niedergang der britischen Autoindustrie

Die britische Automobilindustrie bis in die 60er Jahre

Die britische Automobilproduktion hatte zum Ende des 19. Jahrhunderts die besten Voraussetzungen, um mit an der Weltspitze zu stehen. Hervorragend ausgebildete Ingenieure und eine florierende Wirtschaft reichten nicht aus, um das britische Empire zu Beginn der Massenmotorisierung auch in diesem Sektor zu einer der führenden Nationen zu machen. Die wichtigsten technologischen Errungenschaften in diesem Bereich stammten vom europäischen Kontinent und aus Amerika. Die britische Automobilproduktion erreichte schon recht bald weltweit den zweiten Platz nach produzierten Stückzahlen hinter den USA.

Nach dem Ende des 2.Weltkrieges konnten die britischen Hersteller ihre starke Position bis zum Beginn der 60er Jahre weiterhin behaupten. In den 50er- und 60er-Jahren wuchsen zwar stetig die Absatzzahlen, aber die Gewinne waren gering. Das Produktportfolio bestand aus vielen verschiedenen, teilweise konkurrierenden Modellen, mit immer nur geringen Stückzahlen. Das erschwerte die Rationalisierung der Produktion stark.

Mit dem Aufstieg der Automobilindustrie in Deutschland, Frankreich, Italien und vor allem Japan begann der unaufhaltsame Niedergang der britischen Automobilhersteller, die Eroberung des britischen Marktes durch amerikanische und japanische Automobilkonzerne.

Austin A40
Austin A40

Unternehmen und Markennamen von British Leyland

British Leyland entstand 1968 als Höhepunkt einer Welle von Zusammenschlüssen verschiedener miteinander konkurrierender Fahrzeughersteller und war ein börsennotierter britischer Mischkonzern mit Schwerpunkt in der Autoproduktion. Viele damals bestehenden Unternehmen Alvis, American Austin, Austin, Austin Healey, BSA, Daimler, Innocenti, Jaguar, Lanchester Motor Company, Land Rover, Leyland Motors, MG, Mini, Morris, Princess, Riley, Rover, Standard Motor Company, Triumph Motor Company, Vanden Plas und Wolseley fusionierten in Großbritannien und bildeten die British Leyland Motor Corporation Ltd. (BLMC) und spätere British Leyland (BL). Diese Firmennamen sind sehr verbunden mit dem Nationalethos Großbritanniens. Sie sind geradezu Synonym für »British Products« und den Standort einer traditionellen und stolzen Automobilindustrie gewesen.

Die ruhmlose Abwicklung von British Leyland

Das Unternehmen umfasste Hersteller von Pkw, Lkw, Traktoren, Gabelstaplern, Militärfahrzeugen, Maschinen und Blechformteilen, Kühlschränken und Druckereierzeugnissen. Beschäftigt waren nach unterschiedlichen Angaben und Zählweise 170.000 – 190.000 Menschen. Durch die Verstaatlichung 1975 wurde der Konzern vorerst vor dem Zusammenbruch bewahrt. Im Zuge der Verstaatlichung erhielt das Unternehmen mehrfach öffentliche Finanzmittel in erheblichem Umfang. Der Konzern machte 1978 pro Minute 600 Pfund Verlust. Geld für Löhne und Gehälter waren nicht mehr vorhanden.

Die Produktpalette wurde immer wieder gestrafft und praktisch alle Marken wurden nach und nach nicht mehr produziert. Zum Beispiel wurden zeitweise der gleiche Fahrzeugtyp unter unterschiedlichen Marken und Emblemen verkauft und das Grundmodell wurde im Design oft geringfügig geändert. Ein typisches Beispiel war die Konstruktion und Modellvielfalt des Ado16 in den 60er Jahren.

Im Laufe der 80er Jahre wurden Teile von BL sukzessive an verschiedene Investoren verkauft, zum Beispiel Land Rover und Jaguar an Ford, die Omnibus-Produktion an Volvo, die Lkw-Produktion an DAF. Im Jahr 1988 wurde aus dem Rest der BL die Rover Group. Die Produktion war auf wenige Standorte konzentriert worden.

Gründe für den Niedergang

Weltweit wurde der Konzern zum Symbol für die „englische Krankheit“. Es verging kein Tag ohne wilde Streiks, miserable Produktivität, schlechte Qualität, Umstrukturierungen und unfähiges Management. Miserables Management und Streitigkeiten über den Kurs waren Hauptursachen für den Niedergang. Ergänzt wurde dies durch den technischen Stand der 50er Jahre beim Motoren- und Karosseriebau. Die Konsequenz waren zurückgehende Marktanteile. Auch gab es gab völlig unterschiedliche Regeln für Lohnverhandlungen mit 17 Gewerkschaften in 50 Fabriken und eben kein Konsens im Management. Als Folge ergab sich ein extrem schlechtes Image von BL in der Welt.

British Leyland (BL) besaß zu Spitzenzeiten über 40 verschiedene Produktionsstätten, so dass die Produktion logistisch aufwändig und ineffizient war. Im Werk Longbridge produzierte 1980 ein Arbeiter sieben Autos im Jahr. 1981 waren es 17, im Jahr darauf schon über 25. Geschlossen wurden 19 Fabriken und mehr als 90.000 Beschäftigte entlassen.

Durch den Zusammenschluss einer Vielzahl etablierter Automarken unter einem Dach kam es zu teils erbitterte Rivalitäten in den unterschiedlichen Geschäftsbereichen, denn die fusionierten Firmen waren Konkurrenten. Sie boten gar Produkte für die gleiche Zielgruppe und ähnlichen Preisen an, Beispiel MG und Triumph.

Die Entwicklung von neu konstruierten Nachfolgemodellen war mangels finanzieller Mittel weitgehend unterblieben. Einige Neuentwicklungen ergänzten zwar die Modellpalette, erwiesen sich jedoch für den Export als Fehlgriffe. Die Fahrzeuge waren technisch unausgereift, sehr schlecht verarbeitet und entsprachen nicht dem Geschmack der Kunden. Zusammen mit den Konzern übergreifenden Neuentwicklungen entstand ein für den Kunden undurchsichtiges und doppelgleisiges Produktportfolio. Durch die Probleme im eigenen Land waren die Autos aus dem Konzern auf den Auslandsmärkten durch den hohen Pfundkurs viel zu teuer und die Marktanteile sanken weiter. Der Ausbau des Händlernetzes auf den verbliebenen Märkten unterblieb und schrumpfte.

Im Inland stand die Firma unter dem verschärften Wettbewerbsdruck der ausländischen Konkurrenz, die durch Qualität, Attraktivität der Modelle und vom hohen Pfundkurs beim Import profitierten.

Trotz Einführung neuer Modelle hat der Konzern noch bis zum letzten Jahr Hunderte von Millionen Pfund Verlust eingefahren. Im Jahr 1994 wurde die Rover Group an BMW verkauft und 2000 für einen symbolischen Preis weiter gegeben. Durch eine politisch gewollte Abkehr von der industriellen Produktion in Großbritannien wurde die „Werkbank“ der Welt zu einer Import-Nation.

Triumph Herald
Triumph Herald – Chassis und Motor wie Triumph Spitfire

Erinnerung an die glorreiche Zeit

Die britischen Hersteller prägten die Automobilgeschichte und haben immer wieder Produkte geliefert, die zu Legenden wurden, zum Beispiel Austin Healey, Jaguar E-Typ, MGB, Triumph TR3 – TR6 usw. Egal ob Rallyesiege, Fahrzeugdesign oder automobiler Luxus, die britischen Hersteller setzten sicherlich früher Maßstäbe und waren ein ernst zu nehmender Konkurrent für andere Firmen. Es waren aber nicht nur Luxus- und Sportwagen, sondern Marken und Autos für die breite Masse wie Austin, MG, Morris und Rover. Sie waren damals eine tragende Säule der britischen Wirtschaft. Einige Modelle haben heute weltweit ungezählte Liebhaber und erzielen hohe Preise. Sicherlich sind die Veteranen und Classic-Cars heute durch umfangreiche Reparaturen und Restaurationen in einem besseren Zustand als bei Lieferung ab Werk.