Der Nachbau des nicht mehr existenten Horch 14-17 PS von 1904

Ausgangspunkt des Projekts „Nachbau des Horch 14-17 PS“ war das Fehlen eines Fahrzeugs aus der Anfangszeit des Automobilbaus in Zwickau in der Dauerausstellung des August Horch Museums (AHM).

Die ältesten Autos im Museum, ein Horch Phaeton und ein Audi Typ B stammen aus demJahr 1911. August Horch hat aber in Zwickau nach Köln-Ehrenfeld (1899) und Reichenbach im Vogtland (1902) bereits 1904 sein drittes Werk, die „August Horch & Cie. Automobilwerke Zwickau“ gegründet. Aus dieser Zeit hat kein Fahrzeug überdauert.

So kam es, dass zur jährlich stattfindenden Mitgliederversammlung des Museums-Fördervereins im April 2012 der Startschuss für das durchaus anspruchsvolle Vorhaben erfolgte. Ziel war es, einen soweit als möglich originalen Nachbau des Fahrzeugs zu schaffen, der auch aus eigener Kraft fahren sollte. Auch die damaligen technischen Fertigungsmöglichkeiten, eingesetzten Werkstoffe und die damaligen Technologien sollten Beachtung finden.

Aus dem Team „Nachbau eines AU-Rennwagens Typ C“, das von 2004 bis 2011 als lenk-, roll- und bremsbares Exemplar ohne Motor und Getriebe für die Dauerausstellung des Museums entstanden ist, ging die Kernmannschaft für das Team „Horch-Nachbau“ hervor. Es bestand aus erfahrenen Automobilkonstrukteuren aller Gewerke, Technikern, Technologen, Logistikern, Finanzmitarbeitern usw.. Als Kooperationspartner konnten zunächst die
Westsächsische Hochschule Zwickau, die IAV GmbH und als erster Sponsor der ADAC gewonnen werden.

Inzwischen haben über 35 Studenten und Mitarbeiter der Westsächsischen Hochschule insbesondere Bauteile/-gruppen für den Motor, die Achsen, das Getriebe, die Bremsen und den Vergaser unter der Anleitung der erfahrenen Konstrukteure über Beleg- und Diplomarbeiten aufgearbeitet. Dabei haben die Studenten von den „Alten“ z.B. den Umgang mit Passungen und Toleranzen und die gestandenen Konstrukteure von den „Jungen“ das Konstruieren am Rechner mit Catia gelernt. Das war eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Auch Auszubildende, z.B. des Bildungsinstitutes von VW, aber auch anderer Firmen, haben über mehrere Ausbildungsjahre und unter Anleitung der Lehrmausbilder an der Fertigung von Einzelteilen und Baugruppen mitgewirkt.

Ziel einer am Anfang stehenden Studie / Recherche war die Suche nach möglichen Originalteilen oder Fragmenten, Ersatzteilen und Zubehör zum Fahrzeug. Die Ergebnisse dieser Recherchen waren:
– ein Foto des Wagens bei der Erprobung mit 4 Personen besetzt, mit 1905 datiert
– ein Katalog von 1904/1905 mit den wesentlichsten technischen Daten des Autos
– 3 alte Zeichnungen (Frontansicht, Seitenansicht und Draufsicht) von einem parallel gebauten, bis zur Spritzwand baugleichen Wagen des Typs 18-22 PS
– ein, in wesentlichen Teilen original erhaltener Motor des Fahrzeugs im Museumsbestand

Horch 14-17PS
Horch 14-17PS – Foto: August Horch Museum Zwickau gGmbH

Recherchen zu vorhandenen Teilen aus der damaligen Zeit führten trotz weitgreifender Anfragen bei Horch-Besitzern, dem Horch-Club und einschlägig bekannten Restauratoren ins Leere.

Recherchiert wurde auch in historischen Zeitungen. wie dem Motorwagen, der ATZ, alten Journalen zum Maschinenbau und der Fertigungstechnik der Zeit nach 1900 bis in die 1920er Jahre. Auch historische Bücher der Zeit um 1890-1930 wurden ausgewertet, und auch die einschlägigen Historiker und Fachexperten aus der Restauration herangezogen. Im Ergebnis dieser Recherchen standen die Erkenntnisse,
– dass es ohne Neuentwicklung und Neukonstruktion unter Beachtung der damaligen Fertigungsmöglichkeiten und alten Prinzipien nicht möglich ist, ein solches Auto wieder zum Leben zu erwecken,
– dass wir ein Team aus Konstrukteuren, Technologen, Teilebeschaffern, Geldgebern und begeisterten Mitwirkenden aus vielen Gewerken brauchen, um das Ziel zu erreichen und – dass der Förderverein diese Aufgabe nur mit Kooperationspartnern, Spendern, Sponsoren für Sachleistungen und finanzieller Unterstützung schaffen kann.

Das Team arbeitete einerseits an den Unterlagen für die Fertigung von Einzelteilen und Baugruppen, andererseits waren Teamkollegen mit der Beschaffung von Normteilen und mit der Erschließung von Fertigungskapazitäten und der Beschaffung von Finanzmitteln befasst.

Horch 14-17PS
Horch 14-17PS – Foto: August Horch Museum Zwickau gGmbH

Es ist gelungen über 90 Firmen, vom Dorfschmied bis zum OEM (Audi, VW, Mercedes u.a.), vom mittelständigen Unternehmen bis zum Großbetrieb zum Dabeisein zu begeistern.

Realisierungsetappen

Die Umsetzung wurde in Baustufen geplant
Baustufe 1 Chassis
– Rahmen, Achsen, Räder, Lenkung, Spritzwand (heute Cockpit), Kühler (Bienenwaben/Luftröhrenkühler), Motorumhausung

Baustufe 2 Antriebsstrang, Getriebe, Bremsen

Baustufe 3 Karosserie, Lackierung, Polsterung, Beleuchtung,

Kraftstoff- und Ölversorgung

Baustufe 4 Motor mit Nebenaggregaten

Horch 14-17PS
Horch 14-17PS – Foto: August Horch Museum Zwickau gGmbH

Besonderheiten des Fahrzeugs
Das Auto zeigt folgende Besonderheiten, die an keinem anderen Fahrzeug im AHM zu sehen
sind:
– Bienenwabenkühler (auch Luftröhrenkühler genannt)
– Einstieg über Tür hinten im Fond des Kutschenaufbaus
– Handbremse als Bandbremse an den Hinterrädern
– Fußbremse als Fahrbremse (Klotzbremse/Bronzeklötze als Zangenausführung) am Ausgang des Getriebes
– Wechselsteuerung des Motors (Einlassventil hängend / Auslassventil stehend)
– Spritzdüsen-Steuerkolben-Vergaser Patent Horch zur Gemischbildung
– Kraftstoff-Förderung und Motorölschmierung durch Auspuffdruck

Es ist das erste Fahrzeugmodell, das erste Auto aus Zwickau und damit Begründer eines ganzen Industriezweiges, einer ganzen Branche.

Baustufe 1 wurde ab 01.11.2015 in der Dauerausstellung des August Horch Museums den Besuchern gezeigt.

Die danach folgenden Baugruppen wurden statt nacheinander in der Realisierung infolge langlaufender Teile und Baugruppen parallel bearbeitet. Die Baugruppen wurden nach und nach gefertigt und „Langläufer“, wie das Getriebe, die Karosserie, Lackierung vorrangig in der Fertigung gesteuert.

Im August 2018 zum Stadtjubiläum wurde den Zwickauer Bürgern und den Gästen das Auto mit dem gerade vom Stellmacher fertig gewordenen Kutschenaufbau präsentiert.

Ab Mitte 2020 stand der Wagen in der Sonderausstellung im AHM zur 4. Sächsischen Landesausstellung zur Industriekultur „BOOM“

Am 27.01.2022 übereichte anlässlich der Pressekonferenz des 30-jahrigen Bestehens des Gemeinnützigen Fördervereins August Horch Museum Zwickau e.V. der Präsident des VSW Dr.-Ing. Jörg Brückner, etwas verspätet durch Corona, die Urkunde zur Auszeichnung des Vereins mit dem Sächsischen Industriekulturpreis 2020.

2021 wurde der neu aufgebaute Motor für den Horch im Motorprüflabor der WHZ in Betrieb gesetzt und am 17. Juni 2022 wurde er im Horch eingebaut und zur festlichen Mitgliederversammlung des Vereins erstmals vor Publikum mittels Andrehkurbel gestartet. Zum Gelingen des Sommerfests 2023 des VSW in Radebeul konnten wir mit großer Freude den Horch nach ersten erfolgreichen Probefahrten auch den anwesenden Gästen aus Industrie und Politik vorstellen. Auch der MP des Freistaates Sachsen informierte sich über den Stand des Projekts.

Am heutigen 03. Juli 2024 wird der Nachbau im Rahmen einer Dankeschön-Veranstaltung an alle beteiligten Gewerke dem August Horch Museum übergeben, das ihm in Kürze den Ehrenplatz als Auftakt-Exponat einräumen wird.

Weitere wesentliche Technische Daten des Horch 14-17 PS Karosserie Tonneau offen Motor 4-Takt Otto; Wechselsteuerung, Nockenwelle seitlich, Fahrtrichtung links am Motorgehäuse, Zylinder 4 – paarweise gegossen, (Bauart Sackzylinder), Bohrung x Hub 120 x 83 mm, Hubraum 2722 cm³, Kurbelwelle geschmiedet, 3-fach gelagert, Gemischbildung Spritzdüsen-Steuerkolben Vergaser Patent Horch, manuelle Luftregulierung, Kühlung „Bienenwaben“-Kühler, Wasserpumpe, Lüfterrad, Kupplung Bauart Konus mit 2 Zugfedern, Radstand 2180 (auch 2630) mm, Spurweite 1300 mm, Vorderachse starre Gabelachse, mittig durchgebogen; 2 Halbelliptik-Federn, Lenkung Schraubenspindel mit schräg gestellter Lenksäule, Fahrbremse mech. Zangen-Klotzbremse Bronzeklötze am Getriebeausgang, Hinterachse Gussachse geteilt, Stirnrad-Planeten-Ausgleichsgetriebe, Handbremse per Bowdenzug auf innen liegendes Hinterrad, Außenband wirkend, Räder Holzspeichen mit Stahlwulstring; H-Rad mit Bremsring innen und Bereifung v / h Pneumatix; 815 x 105 / 820 x 120.

Quelle: August Horch Museum Zwickau gGmbH – Audistraße 7 – 08058 Zwickau