Wie so viele Menschen, die an historischen Fahrzeugen Interesse haben, googelte der Autor dieses Berichts rein aus Zeitvertreib an einem Tag im Winter, was das Netz so an Goggomobilen anbietet.
Meine Augen wurden plötzlich ganz groß, als ich auf Bilder eines lack- und chromglänzenden spanischen Stretch-Goggos stieß. Gemeint ist die um rund 15 cm verlängerte Goggo Limousine, die in Lizenz in der Nähe von Bilbao vom Fließband lief und in dieser Form und aufgrund der Motorisierung den Zusatz „400S“ erhielt. Auffällig sind die nach hinten verlängerte Dachform sowie das große Heckfenster, das samt den Säulen von vorne übernommen wurde und der Dachkanzel ein relativ symmetrisches, weniger pummeliges Aussehen als das Original aus Dingolfing verleiht. Die zusätzlichen Zentimeter in der Länge lassen das kleine Auto insgesamt etwas bulliger erscheinen. Durch diese Modifizierung der Karosserie lässt es sich für Erwachsene auch auf der Rückbank deutlich komfortabler reisen. Die gesamte Lizenzproduktion in Spanien hatte allerdings trotz vieler guter Ideen nur mäßigen Erfolg. Entstanden sind vom Goggo 400S vermutlich nur einige hundert Stück.
Wie sich herausstellte, gehörten die Bilder zu einer Auktion im Internet bei „Escrapalia“. Der aktuelle Gebotspreis lag bei 4.100 Euro für ein laut Beschreibung völlig originales und fahrbereites Fahrzeug in gepflegtem, rostfreiem Zustand. Es wurde sogar extra auf den einzigen Mangel, einen kleinen Lackplatzer auf dem Motordeckel, hingewiesen. Stutzig machte mich aber gleich schon das schepprige Geknatter des Auspuffs, das auf einem kurzen Video zu hören war. Die Innenausstattung entsprach entgegen der Angaben definitiv nicht dem Original. Dennoch gab ich ein Gebot über 4.200 Euro ab. Schließlich war allein schon ein 400er Goggo für mich etwas Begehrenswertes und in Kombination mit solch einem raren Aufbau sowieso.
Ein Bekannter warnte vor allzu viel Euphorie, denn ihm erschien die lange Limousine verbastelt. Ähnliches sagte mir auch Uwe Staufenberg. Uwe hatte allerdings noch einen ganz besonderen Hinweis. Wenn ich in Madrid sei, könnte ich mir doch gleich noch im nördlichen Hinterland ein Goggomobil FM-350 ansehen. FM steht für Furgoneta Mixta, zu Deutsch Kombinations-Kleinlieferwagen. Die Zahl bezeichnet den Hubraum des Motors, der mit satten 17 PS eine spanische Besonderheit darstellt. Sind doch von allen Ausführungen nur etwa 300 Stück gebaut und dann als Nutzfahrzeuge meist gnadenlos verschlissen und weggeworfen worden. Von dem Kasten-Goggo gab es neben der 350er Version auch eine mit 400er Motor und 15 Zentimeter verlängertem Radstand. Eine Variante mit Blechpritsche samt Plane und Spriegel, von dem nur ein zeitgenössisches Foto existiert, soll über das Stadium eines Prototyps nicht hinausgekommen sein. Neben der Furgoneta von Uwe Staufenberg, die als unverkäuflicher und dann vergessener Neuwagen in einer Madrider Tiefgarage überlebt hatte, ist noch eine weitere, patinierte bekannt sowie ein jüngst in Spanien aufgetauchtes und nun restauriertes Exemplar und außerdem zwei Fahrzeuge in Fragmenten.
In einer französischen Oldtimer-Zeitschrift vor Antritt meiner Reise nach Madrid fand sich ein Leserfoto, das den Hinterhof einer ehemaligen SEAT-Vertretung zeigte, voll gestellt mit allerlei Vehikeln in unterschiedlichstem Verfallszustand. Zu sehen war auf dem Foto auch ein Goggomobil mit hinten noch was drauf. Der knappen Beschreibung des Fotos war lediglich zu entnehmen, dass die Szene in dem kleinen Örtchen Nava de la Asuncion aufgenommen wurde.
Zwei Fahrzeugbesichtigungen waren das Ziel der Reise nach Spanien. Zunächst war das Stretch-Goggo an der Reihe, untergestellt in einer Halle in einem Industriegebiet im Süden von Madrid. Meine Kontaktperson hatte mehrere Oldies gleichzeitig in der Auktion. Von dem angebotenen Goggo hatte er erkennbar überhaupt keinen Plan, fand erst den Schlüssel nicht, war dann völlig überrascht, dass die Batterie noch Saft hatte und brachte erst auf meinen Hinweis, besser den Starterzug zu betätigen, den Motor zum Laufen. Der Radau war beträchtlich, fehlte doch das Endstück des Auspuffs, der völlig durchlöchert war. So sah auch der Unterboden des äußerlich ganz schmucken Autos aus.
Es wurde sehr schnell klar, dass der Verkäufer bei „original“ oder „guter Zustand“ ganz andere Vorstellungen hatte, als wir es in Deutschland gewohnt sind. Die nächste Enttäuschung war der Motor, der völlig kraftlos zur Sache ging, was vielleicht unter anderem an dem uralten Sprit lag, der sich im Tank befand. Außerdem zogen die Bremsen schief und der Schalthebel entbehrte jeder Führung. Die offene Schaltkulisse hatte man aus optischen Gründen mit einem Gummibalg überdeckt, so dass man die Schaltposition nicht mehr erkennen konnte. Ziemlich rustikal auch die Befestigung der eingebauten Gurte: Die obere Führung war mit außen sichtbaren 6-Kant-Schrauben an der B-Säule befestigt, wofür die originalen Parklichter des 400S, bei der normalen Limousine sitzen hier bekanntlich die Blinker, mal eben weichen mussten. Alles in allem eher eine Enttäuschung. Das Fahrzeug war schlecht aufgehübscht und hätte einer Totalrestauration bedurft. Und dafür war mir das erforderliche Mindestgebot von 7.500 Euro zu hoch, das sich der Verkäufer entlocken ließ.
Als ich dem Vermittler erklärte, dass mir ein völlig originales, unverbasteltes Restaurierungsobjekt viel lieber wäre, meinte er zu meiner Überraschung, dass er eben etwas rein bekommen hätte, ein Goggomobil Comercial. Das ließ mich natürlich gleich aufhorchen. Zum einen, weil die Begriffe Furgoneta und Comercial teils etwas durcheinander gehen, es hätte daher mit viel Glück auch ein Kastengoggo sein können. Und weil zum anderen auch eine Limousine mit Blecheinsätzen statt hinterer Seitenscheiben eine nie gesehene, tolle Seltenheit wäre. Eine Besichtigung war erst in zwei Tagen möglich, Treffpunkt Bahnstation im Umland von Madrid.
Anmerkung: Derartige Abwandlungen von Limousinen findet man in Italien oder Spanien heute noch, vom Opel Corsa bis Ford Ka, da die Fahrzeuge dann als Lieferwagen gelten und günstiger bei Steuer und Versicherung sind.
Jetzt stand die Reise ins 140 Kilometer entfernte Nava de la Asuncion auf dem Programm, für die ich einen Mietwagen besorgte. Unterwegs galt es einen 1200 Meter hohen Pass zu bezwingen, der mit reichlich Schnee und heftigen Windböen aufwartete. Danach kam die Provinzstadt Segovia in Reichweite, die allein schon wegen eines gigantischen römischen Aquädukts und eines prachtvollen Doms einen Abstecher wert war. Je näher wir auf unser eigentliches Ziel zusteuerten, desto aufgeregter und nervöser wurde ich. Das Herz pochte mir bis zum Hals. Würden wir die alte Werkstatt überhaupt ausfindig machen und wenn ja, würde man uns womöglich gleich wieder vom Hof jagen? Erschwerend hinzu kam, dass wir über keinerlei spanische Sprachkenntnisse verfügten. Daher hatte ich schon vorsorglich in der Heimat einen Freund alarmiert, der per Handy als Übersetzer fungieren sollte. Außerdem hatte ich zu Hause reichlich im Internet gesurft und per Google Streetview eine in Frage kommende Werkstatt mit verblichenem Seat-Schriftzug ausgekundschaftet. Die haben wir dann auch auf Anhieb gefunden.
Mein erster Gang führte sofort ums Hauptgebäude herum zum Hinterhof, so lange noch niemand auf uns aufmerksam wurde. Und tatsächlich bot sich mir dort exakt die Szene dar, wie in der französischen Oldtimer-Zeitung abgebildet. Samt Goggomobil Furgoneta – Volltreffer! Der Seniorchef des Betriebes zeigte sich und fragte was wir denn wollten. Mit Händen und Füßen konnten wir ihm verständlich machen, dass wir uns für das Goggo interessierten und ob wir es näher ansehen und fotografieren dürften. Alles kein Problem. Der freundliche alte Herr führte uns bereitwillig und voller Stolz zu seinen Beständen an mehr oder weniger gut erhaltenen Seat-Modellen verschiedener Jahrzehnte vorbei, die im Freien oder unter einem Vordach ihrem Ende entgegen dämmerten. Auch ein Trabant Kübelwagen hatte sich hierher verirrt. Ganz hinten stand ein alter Lanz Bulldog, und es stellte sich heraus, dass die Werkstatt wohl mal als Lanz-Vertretung in dieser ländlichen Region angefangen hatte. In einem Nebengebäude, geschützt unter Decken und Planen, befanden sich mehrere hergerichtete Oldies der 30er bis frühen 50er Jahre, mit denen der Senior und sein Sohn auch mal an einer Ausfahrt teilnahmen.
Beim Anblick der 350er Furgoneta, dem eigentlichen Objekt der Begierde, ging mir natürlich das Herz auf. Soweit unter den beengten Verhältnissen erkennbar, war nur oberflächlicher Rost zu sehen, einige Kratzer und Beulen, 22.000 (oder auch 122.000) Kilometer auf dem Tacho und vor allem komplett und so was von original, originaler geht es kaum. Also genau das Gegenteil von dem, was ich beim 400S zu sehen bekam.
Wie wir über den inzwischen hinzugekommenen Sohn mittels Handykonferenz nach Deutschland und mit ein paar Brocken Englisch verstanden haben, lief die Wellblechlimousine im Nachbardorf als Lieferfahrzeug für einen offenbar sehr groß gewachsenen, sehr stämmigen Bäcker. Der hatte beim Ausfahren frischer Weißbrotstangen die Angewohnheit, sein kleines Goggomobil, die Spanier betonen den Namen auf der dritte Silbe: Goggo-MO-bil, von Türe zu Türe zu schieben, wenn die Kundschaft dicht beisammen war, ansonsten schwang er sich ins Auto und fuhr wieder einen Straßenzug weiter. Am Wochenende sei er gerne mit Frau und seinen drei Kindern in die Kreisstadt Segovia gefahren, schließlich verfügt die Furgoneta über eine äußerst praktische, aus der Ladefläche ausklappbare hintere Sitzbank. Vor etwa 15 Jahren hätte er sich ein anderes Auto zugelegt und daher sein altes, das noch aus eigener Kraft auf den Hof fuhr, hier gelassen.
Der Juniorchef, erklärte sich verkaufswillig, fühlte sich aber etwas überrollt und überfordert, nun spontan einen Preis für das kleine Auto zu benennen. Wir sollten am nächsten Tag nochmal vorbei kommen, dann könne er bis dahin ein wenig recherchieren und genaueres sagen.
Fazit: Wir fuhren die 140 Kilometer ohne konkretes Ergebnis zurück nach Madrid, den Mietvertrag für den Leihwagen haben wir verlängert und nach einer unruhigen, nahezu schlaflosen Nacht sind wir am darauf folgenden Tag wieder 140 Kilometer zur ehemaligen SEAT-Werkstatt gefahren.
Und wieder wuchs die Spannung ins schier unerträgliche, je mehr wir uns dem eigentlichen Ziel des Tages näherten. Zwischen Schrottpreis und irgendwo im fünfstelligen Bereich schien alles möglich. Wie weit würde ich gehen? Oder vielleicht haben sie es sich wieder anders überlegt und geben das gute Stück nun doch nicht mehr her. Als wir ankamen, begrüßte uns in bestem Englisch ein Freund des Hauses. Er erwies sich als Glücksfall, der mit Witz und Charme das Eis brach und munter hin und her übersetzte. Und als der Juniorchef seine Preisvorstellung kund tat, fiel mir ein Stein vom Herzen. Es wurde noch ein wenig nachverhandelt und eine für beide Seiten zufriedenstellende Summe konnte per Handschlag besiegelt werden, auch wenn der Seniorchef mit einem schelmischen Grinsen meinte: „Du warst zu billig“.
Kaum eingeschlagen, klingelte das Telefon und ein Anrufer erkundigte sich nach der Furgoneta! Da bin ich wohl keine Minute zu früh ans Ziel meiner Träume gekommen. Als Sahnehäubchen gab es noch die originale Bestellkarte von 1965, auf der die Lackierung in grün und der Bezug der Innenausstattung in grau festgelegt war sowie das „Manual de Instrucciones“, die vertraute Goggo-Bedienungsanleitung mit spanischem Text.
Nach einer Anzahlung machten wir uns auf den Rückweg nach Madrid.
Bevor es zurück nach Deutschland ging, stand noch die dritte Besichtigung einer Goggo-Rarität bevor. Mein Mittelsmann holte mich an einem Vorortbahnhof wie vereinbart ab und wir fuhren weit mehr als 100 Kilometer. Auf einem großen, von Security bewachten Speditionsgelände standen sie schließlich in Reihe und Glied im Freien, seine diversen „Schätze“.
Darunter war der Comercial, dem ich schon von weitem ansah, dass auch hier schon viel verpfuscht war, von wem auch immer. Der 350er Motor zerpflückt, viel Rost unten herum, die Karosserie grob mit reichlich Spachtel modelliert und so manches Anbauteil fehlte. Selbst eine Felge war durchgerostet.
Angeblich hatte das Mobil nur einen Vorbesitzer und laut Tacho gerade mal etwas über 5.000 Kilometer zurückgelegt. Uwe Staufenberg meinte per Telefon, dass das Ding nach meiner Beschreibung maximal 3.000 Euro kosten dürfte, Antonio stellte sich dagegen 7.500,– Euro vor. Da er vorher bei der gemeinsamen Fahrt sein Limit für das lange Goggo auf 5.500,– Euro absenkte, ergab sich nun eine merkwürdige Diskrepanz. Das kaum rollfähige Auto sollte mehr bringen, als das immerhin leidlich fahrbereite.
Seine Erklärung: Der Comercial sei ja auch bedeutend seltener. Die Blecheinsätze statt der hinteren Seitenfenster scheinen übrigens tatsächlich der einzige Unterschied zur normalen Limousine zu sein. Dass ich dankend ablehnte, nahm Antonio nicht weiter tragisch. Und ich musste mir nicht den Kopf zerbrechen, wie ich zwei Goggomobile auf einen Hänger packen sollte, wenn ich in wenigen Tagen wieder käme, um die Furgoneta abzuholen. Aber das ist dann eine eigene Geschichte.
Ungültige ID des Sliders. Die ID muss eine Zahl seinHinweis: Bei Berührung eines Fotos mit dem Mauszeiger (PC) oder Finger (Smartphone, Tablet) wird der automatische Wechsel zum nächsten Foto unterbrochen und die Beschreibung (Text) angezeigt.
P.S. Das 15 cm verlängerte Goggomobil 400S habe ich übrigens trotz der vielen Mängel zu einem späteren Zeitpunkt noch erworben. Die Seltenheit und das ungewöhnliche Aussehen haben mich dann doch zu sehr gereizt. Die Restaurierung der Kleinwagenrarität wartet …
Text und Fotos: Michael Scharpf