Wissen ist bekanntlich Macht, nichts zu wissen macht ja auch nichts. Trotzdem wurmt es mich jedes Mal wenn ich nach England komme und ich muss auf die linke Spur wechseln, inklusive der obligatorischen Schweißausbrüche. Und wissen möchte man natürlich nur zu gerne warum eigentlich diese eigensinnigen Inselbewohner auf der „falschen“, sprich linken Seite der Strasse fahren! Aber ist es wirklich so, dass die Engländer auf der falschen Straßenseite fahren oder sind das vielleicht doch etwa wir selber? Wir Kontinentaleuropäer (im skurrilen Englischen Sprachgebrauch schlicht: Overseas) fahren normalerweise auf der rechten Fahrspur.
Aber was ist schon normal? Natürlich gibt es davon noch Abweichungen wie beispielsweise des Nachts der Heimweg von der Kneipe oder die Frau am Steuer mit Handy, hier findet der Verkehr dann ungefähr in der Straßenmitte statt. Oder eben auch tief fliegende Geisterfahrer, aber die fahren lieber konsequenterweise gleich ganz Links.
Kontinental Europa fährt heute überwiegend rechts
Fakt ist jedenfalls, dass in Europa die Linksfahrer nur eine marginale Bedeutung haben, in Großbritannien eben. Weltweit sieht es aber doch etwas anders aus. Auf dem Globus gibt es rund 29 Millionen Kilometer Straßen (Quelle: World Fact Book 2000). Auf acht Millionen wird links gefahren, auf 21 Millionen rechts. Oder anders gerechnet: von 221 Staaten fahren derzeit 59 Links. Hauptsächlich natürlich in früheren britischen Kolonien mit ungefähr 2,34 Milliarden Einwohnern. Also doch, die Engländer sind schuld an der ganzen Verwirrung, das fast ein Drittel der Erdbevölkerung Links fährt! Klar ist aber auch, dass sich die Rechtsfahrer deutlich durchgesetzt haben. Wie kommt es denn nun, das 2/3 der Menschheit auf der „richtigen“, Pardon, rechten Seite fährt?
So normal, wie wir Kontinentaleuropäer heute denken, ist der uns so vertraute Rechtsverkehr andererseits aber gar nicht. Gibt und gab es denn überhaupt je schlüssige Gründe für ein bevorzugtes Rechts oder Links fahren? Die Forschung sagt klar nein dazu. Der einzige einigermaßen vernünftige Grund für einen Seitenentscheid könnte sein, dass die Mehrheit der Menschen Rechtshänder sind. Auffällig ist die hohe Zahl von Rechtshändern mit ca. 85% – 90%, welche mit der Vererbungslehre so nicht zu vereinbaren ist. Trotzdem findet sich eine klare Überrepräsentation der Rechtshänder in allen menschlichen Kulturen. Selbst an prähistorischen Funden konnte man nachweisen, dass der Neandertaler bevorzugt mit rechts gearbeitet hat. Historische oder gar geographische Unterschiede lassen sich jedoch nicht feststellen.
Der Menschen im Verkehr, zumindest galt das Jahrtausende für Reiter und Kutschfahrer, neigten eher zum Linksverkehr. Mit anderen Worten: Rechtshänder würden, wenn man Sie denn frei wählen ließe, sich lieber links bewegen! Sind dann wir etwa auf der „falschen“ Seite und die Briten machen’s doch richtig?
Linksverkehr im Altertum
Linksverkehr ist eine Tradition aus dem Altertum. Römische Denar Münzen (50 v.Chr. bis 50 n.Chr.) zeigen zwei Reiter auf der rechten Schulterseite aneinander vorbei reiten, also Linksverkehr. Belegt ist auch, dass römische Soldaten auf der linken Seite marschierten. Bis ins ausgehende Mittelalter gab es den Linksverkehr noch überall auf der „bekannten“ Welt, wenn wir mal die damals noch unentdeckten Gebiete vernachlässigen. Linksverkehr hatte nämlich einige entscheidende Vorteile gegenüber dem Rechtsverkehr.
Was haben Pferde und Zweiräder gemeinsam?
Eine einfachste und wohl schlüssigste Theorie für den Linksverkehr ist, dass beim Aufsitzen auf ein Pferd zuerst mit dem linken Bein in den Steigbügel gestiegen wird, um dann das rechte Bein über den Rücken des Tieres zu schwingen. Pferde sind über Jahrhunderte so konditioniert worden, das ein Aufsteigen von rechts unmöglich ist. Wer’s nicht glaubt kann’s ja mal versuchen. Logischerweise steht der Reiter also links am Straßenrand und kann so direkt und ohne zu wenden in der vorgegebenen Richtung los reiten. Auch heute besteigen wir Fahrräder und Motorräder lieber von links als von rechts und wären damit nicht nur beim Aufsteigen, sondern auch beim Absteigen nach links am linken Straßenrand deutlich sicherer aufgehoben.
Wohl eher in den Bereich der Legenden gehört der oft angeführte Grund, dass man als bewaffneter Reiter das links hängende Schwert mit der rechten Hand (Rechtshänder) schneller ziehen und seinem entgegenkommenden potentiellen Gegner blitzartig die blanke Waffe unter die Nase halten konnte. Logischerweise sattelte und stieg man dann auch von der linken Seite auf, um das Pferd mit dem Waffengehänge nicht zu verletzen. Andererseits konnte man einem Entgegenkommenden mit der leeren rechten Hand seine Friedfertigkeit signalisieren. Wie auch immer hinkt diese Argumentation etwas, ein Angreifer konnte den Reiter leicht von links aus dem Gebüsch heraus attackieren. Da nutzte das Schwert in der Rechten Hand erst mal wenig.
Wie verhielten sich Gespanne auf der Straße?
Die Argumentation mit den links Reitenden könnte man noch in Frage stellen. Wie aber war es denn früher mit Gespannen? Hier wird die Faktenlage etwas eindeutiger. Spediteure spannten Esel, Ochsen oder Pferde vor ihren Karren, die sie mit der rechten, der stärkeren Hand am Zaumzeug führten, und gingen dabei links am Straßenrand. Damit vermied der Führer bei Begegnung zweier Fuhrwerke zwischen Zugtiere und Wagen zu geraten. Ist doch ganz einfach.
Bei einem Gefährt mit Kutschbock saß der Fahrer überwiegend rechts, da die Bremse mit der rechten Hand bedient werden musste. Außerdem führte er die Peitsche mit der rechten Hand, also außerhalb der Kutsche, um damit beim Ausholen keinen der hinter ihm sitzenden Passagiere zu treffen. Kutscher bevorzugten daher als rechts Sitzende, aus Gründen der Übersicht, ebenfalls die linke Straßenseite. Also ritten oder rollten die Meisten, die sich Pferde oder gar Kutschen leisten konnten, ganz selbstverständlich links. Zumindest traf das auf Rechtshänder zu. Wer ärmer und deshalb Fußgänger war, ging vorsichtiger weise auf der rechten Seite der Straßen, um nicht schlicht von hinten überrollt zu werden. Machen wir ja heute auch noch wenn wir mal gezwungen sind (Panne?) am Rande der Straße zu laufen, wir schauen dem entgegenkommenden Verkehr lieber ins Gesicht.
Es gab aber auch noch eine andere Möglichkeit ein Gespann zu lenken. Wir kennen es aus berühmten Wild West Filmen, wenn ein todesmutiger John Wyne im Monument Valley auf die galoppierenden Pferde der Postkutsche springt und sich in voller Fahrt bis auf das vordere Pferd hangelt, um das Gespann zu lenken. Nicht ganz so spektakulär ging es im Frankreich der Revolutionszeit ab, es dominierten berittene Gespanne. Wer vier oder mehr Pferde vor sein Gefährt spannte, der saß auf dem letzten Pferd links, damit er mit der Peitsche in der rechten Hand die Tiere besser antreiben konnte. Um nun den Weg gut im Blick zu haben, er saß ja links, fuhr er überwiegend auf der rechten Straßenseite!
Man kann also sagen: Die jeweils verbreitete Form der Fuhrwerke hatte wichtigen Einfluss auf die Wahl der Verkehrsrichtung. Eine klare Sache war das natürlich bei weitem nicht. Lediglich Konvention, Blickkontakt oder einfach nur Durchsetzungsvermögen entschied darüber wer auf welcher Seite im Falle einer Begegnung zu passieren hatte. War ja auch nicht so schwierig, der maximal schnellste Verkehrsteilnehmer war der Postreiter.
Die Wende zum überwiegenden Rechtsverkehr
Die Wende zum Rechtsverkehr kam, wie so vieles andere, im Gefolge der französischen Revolution. Die Regierung Robespierres erließ, zur Vermeidung von Unklarheiten ein Gesetz, das in Paris den Rechtsverkehr vorschrieb. 1792 stellte der Nationalkonvent einstimmig fest: „Wer links fährt, erhält die Todesstrafe.“ Das war deutlich. Napoleon erweiterte später dieses Gesetz auf Militärfahrzeuge. Schließlich wurden in Folge die von Napoleon auf seinen Feldzügen eroberten europäischen Länder zwangsweise auf Rechtsverkehr umgestellt. Wäre ja auch zu hinderlich gewesen wenn sich private Ochsenkarren auf der falschen Seite seiner Militärwalze entgegen gestellt hätten. Nach dem Absturz Napoleons blieben viele Länder, so auch Deutschland, der Einfachheit halber bei Rechtsverkehr.
Bei sportlichen Autos hatte man auch auf dem Kontinent noch lange Rechtslenker. Der Grund war, dass man sagte der Fahrer könne dann besser den Straßenrand sehen. Bei Hochgebirgsrallyes auf schmalen Pisten war diese Technik sicher von Vorteil.
Die halsstarrige Donaumonarchie und die folgenden Jahre
Bis auf die Länder der halsstarrigen Donaumonarchie, welche stur wieder auf den alt gewohnten Linksverkehr zurück stellten. Allerdings nicht vollständig! Ausnahmen wie Vorarlberg und Tirol blieben beim Rechtsverkehr und stellten damit die verordnete Links Fahrregel auf den Kopf. Das Chaos war perfekt, in den verschiedenen Landesteilen Österreichs wurden unterschiedliche Straßenseiten benutzt. Hauptsächlich die Hauptstadt Wien wollte den Linksverkehr, aus Gründen der zu erwartenden erheblichen Kosten, beibehalten. Es dauerte bis 1938 und brauchte letztlich noch einen rechtsorientierten Führer, um für ganz Österreich eine einheitliche und rechte Straßen Seitennutzung einzuführen. 1939 wurden Ungarn und die Tschechoslowakei von Selbigem ebenfalls zum Seitenwechsel gezwungen. Insgesamt verließen nach 1900 in Europa Italien, Jugoslawien und Teile Polens (20er Jahre) die linke Wegseite. In den 30ern kamen noch Luxemburg und Portugal dazu und 1968 Island.
Auf dem Kontinent war Schweden noch links orientiert. In Schweden welches weder von Franzosen noch von Deutschen je besetzt war, fuhr man noch bis 1967, wie alt gewohnt, auf der linken Straßenseite. Dabei hatte es in Schweden schon mal eine Rechts Verkehrsverordnung gegeben. Soldatenkönig Karl XII. hatte 1718 für Schwedens Postkutschen Rechts fahren verordnet. Sein Nachfolger Friedrich I. jedoch ging 1734 aus unerfindlichen Gründen wieder auf Linkskurs. Im Nachhinein eine teure Entscheidung. Die Wende wurde 1967 mit einem riesigen Aufwand vollzogen, obwohl bei einer Umfrage über 80 Prozent der Bevölkerung dagegen waren! Aber es gab einfach zu viele Unfälle mit Touristen und an den damals schon offenen und ungenauen Grenzen zu Norwegen.
Verlierer der Umstellung von links auf rechts Verkehr
Es gab aber auch echte Verlierer der Umstellungen von links auf rechts. Verlierer war beispielsweise in Schweden die Straßenbahn! In Malmö und anderen schwedischen Städten wurde wegen Einführung des Rechtsverkehrs die Straßenbahn schlichtweg abgeschafft, die Waggons hatten nur Türen auf der linken Seite! Fahrgäste hätten somit in der Mitte der Straße aussteigen müssen. Umbauten oder Neuanschaffungen waren einfach zu teuer.
Ohnehin hatte manche auch andernorts betriebene Umstellung recht kuriose Folgen. So soll die Einführung des Rechtsverkehrs in Nova Scotia (Kanada) anno 1923 kurzzeitig zu einem Preisverfall bei Rindfleisch geführt haben. Die sturen Zugochsen waren einfach nicht auf die andere Straßenseite zu kriegen, mussten also geschlachtet werden. In Kambodscha wurde vor gut einigen Jahren per Gesetz verfügt, alle Rechtslenker umzubauen. Wer dem nicht nach kam, dessen Auto wurde beschlagnahmt. Grund: Rund 80 Prozent waren geschmuggelte oder gestohlene Wagen aus Thailand. Selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gibt es noch Linksfahrer. Auf den Amerikanischen Jungferninseln wird als einziges US-Gebiet Links gefahren.
Verstärkter Autoverkehr machte eindeutige Regelung erforderlich
Die Entscheidung für Rechts- oder Linksverkehr fiel in der Zeit vor der Erfindung des Automobils aus ganz unterschiedlichen Gründen. Erst beim Aufkommen des verstärkten Autoverkehrs und der viel höheren Geschwindigkeiten die jetzt gefahren wurden, erhielt die Frage von Rechts- oder Linksverkehr eine größere praktische Bedeutung und musste, so wie wir es heute kennen, rechtsverbindlich geregelt werden, um Missverständnisse und Unfälle zu vermeiden.
Bliebe nur noch die Konstruktion des Fahrzeuges und damit die Sitzposition des Fahrers, sprich LHD oder RHD. Beim Kraftfahrzeugen sitzt der Fahrer in der Regel zur Straßenmitte hin, um besser die Übersicht über den entgegenkommenden Straßenverkehr zu behalten, bei Linksverkehr also rechts und umgekehrt. Fahrzeuge müssen also je nach Exportland entsprechend umkonstruiert werden. Ein riesiger Aufwand, den die cleveren Ingenieure weitgehend zu minimalisieren suchten. Heute werden die Fahrzeuge auf die Gegebenheiten des jeweiligen Landes angepasst.
Dem Korsen haben wir das Fahren auf der rechten Seite zu verdanken
Ganz Kontinentaleuropa fährt auf der rechten, richtigen Straßenseite, bis auf eine Insel unbeugsamer Verweigerer des Fortschritts? Stimmt wenn man es näher betrachtet, so aber nicht! Vielleicht würden wir immer noch auf der „richtigen“ Seite fahren, hätte es da nicht diesen kleinen Korsen gegeben der mit seinen Militärtrossen ganz Europa „beglücken“ wollte…
Gedanken und Text: Frank Schädlich