Mit der oberitalienischen Stadt Verona verbinden viele vor allem die einzigartigen Opernfestspiele in der Arena aus der Römerzeit. Das gewaltige Amphitheater hat zweifellos seinen Reiz und zieht Sänger und Publikum gleichermaßen in seinen Bann. Doch Verona hat daneben viel mehr zu bieten und kann es ohne weiteres mit Kulturmetropolen wie Florenz oder Siena aufnehmen. Die Stadt an der Etsch lädt zum Flanieren durch die Jahrhunderte ein, ohne dabei museal zu wirken – die Veroneser leben wie selbstverständlich mit den Zeugen ihrer Geschichte und sind nebenbei große Genießer, die Dichte an guten Restaurants ist beeindruckend.
Die Straßen der Altstadt folgen noch immer präzise dem strengen römischen Raster und sind in weiten Teilen verkehrsberuhigt. Man kann sich zwanglos zwischen den Zeugen aus zwei Jahrtausenden komprimierter Geschichte treiben lassen, ohne sich zu verlaufen. Wer sich ein paar Tage Zeit nimmt, stößt nicht nur auf herrliche Bauten aller Kunstepochen, sondern wird auch etliche Klassiker der Neuzeit bemerken. So scheint es in Verona einige Liebhaber historischer Technik zu geben, die ihre Gefährte auch im Alltag benutzen. Neben zahlreichen Fahrradveteranen fallen gepflegte Roller der 60er und 70er Jahre ins Auge, vor allem die unverwüstlichen 50er und 125 Modelle von Piaggio, bisweilen auch eine alte Lambretta.
Die Autoliebhaber kommen mit etwas Geduld und Glück ebenfalls auf ihre Kosten. Neben den aufgedunsenen Zeitgeistvehikeln deutscher Provenienz, die auch hier die schmalen Straßen verstopfen, begegnen einem mit etwas Glück einige Alltagsklassiker wie der Fiat 500 (sogar als rarer Kombi) und andere unverwüstliche Blechkameraden wie Citroen 2CV, Renault R4 und VW Käfer. Sie wirken umso charmanter, als sie meist noch die markanten und gut lesbaren alten Nummernschilder tragen, die wie hierzulande, später ohne Not von „fälschungssicherer“ Wegwerfware abgelöst wurden.
Ein Höhepunkt ist dann schließlich ein sportlich-schlanker Porsche 911 der 1960er Jahre, der einem durch Zufall abends auf der herrlichen Piazza delle Erbe vor die Linse gerät. Der Wagen in Goldmetallic kommt im gelblichen Licht der Laternen vor historischer Kulisse perfekt zur Geltung.
Wie heißt es im Reiseführer von DUMONT so treffend: „Fast alles, was sich zu betrachten lohnt, entstammt nicht der Gegenwart.“ Das trifft nicht nur auf eine Kunstmetropole wie Verona zu, sondern auch auf die Erzeugnisse aus über 100 Jahren Automobilgeschichte. Da hat es die Gegenwart – ungeachtet etlicher Verdienste – in einiger Hinsicht schon schwer.
Reisebericht: Michael Schlenger