Vor 50 Jahren stellte Mercedes-Benz in Sindelfingen die neu entwickelten Limousinen der oberen Mittelklasse vor. Sie waren eingeteilt in die Baureihen W115 (Vier- und Fünfzylindermotoren) und W114 (Sechszylindermotoren). Die Modellreihe überzeugte immer noch mit klarer Formensprache, einem eigenständigen Design sowie Übersichtlichkeit der Karosserie, was heute bei den Modellen von Mercedes nicht mehr der Fall ist.
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Nachfolger der Mercedes „Heckflossen“
Die Baureihe löste die 1961 eingeführten „Heckflossen-Limousinen“ mit Vierzylindermotoren (W 110) ab. Unter der neuen Typenbezeichnung entstanden neben den Limousinen auch Coupés, Limousinen mit langem Radstand und Fahrgestelle für Sonderaufbauen.
1968 – 1976 „Strich-Acht“
Der Verkaufserfolg des „Strich-Acht“, wie Freunde diese Fahrzeuggeneration nach dem Zusatz „/8“ in der Typenbezeichnung die Baureihe heute nennen, ist groß.
Der „Strich-Acht“ wurde ein Erfolgsmodell. Erstmals baute Mercedes-Benz mehr als eine Million Limousinen einer Baureihenfamilie. Von allen Karosserievarianten wurden zusammen mehr als 1,9 Millionen Exemplare verkauft. Dazu passte, dass der Zweimillionste seit 1946 produzierte Mercedes-Benz Personenwagen ebenfalls ein „Strich-Acht“ war. Die Jubiläums-Limousine des Typs 220D lief am 9. Mai 1968 im Werk Sindelfingen vom Band. Die letzten „Strich-Acht“-Fahrzeuge wurden 1976 gebaut, zu einem Zeitpunkt, als die Produktion der Nachfolgebaureihe W 123 bereits angelaufen war.
Besonderheiten der Baureihen W115 und W114
Schon auf den ersten Blick überzeugte der „Strich-Acht“ von Paul Bracq in der von Friedrich Geiger geleiteten Stilistik-Abteilung. Dazu kommen technische Neukonstruktionen wie die hintere Diagonal-Pendelachse. Mit ihr erreichen die Ingenieure das Ziel, den Marken typischen Fahrkomfort mit verbesserten Fahreigenschaften zu verbinden.
Die Baureihen W115 und W114 gleichen sich in den Abmessungen völlig. Sie sind nur durch Ausstattungsdetails sowie Kühlergrill- und doppelte Stoßstangen zu unterscheiden. Zur Markteinführung sind die Dieselmotor-Typen 200D und 220D sowie die Modelle 200, 220, 230 und 250 mit Benzinmotor erhältlich. In der Folge wird das Programm weiter ausgebaut.
Die Stuttgarter Marke komplettierte die Baureihenfamilie noch im selben Jahr um Coupés, Markteinführung war im November 1968 und für die Limousinen mit langem Radstand war Markteinführung im Dezember 1968. Damit bot Mercedes-Benz nun ein umfassendes Portfolio verschiedener Karosserieformen und Motoren für jeden Geschmack von der „Wanderdüne“ (200D) bis zum Sportmotor in der oberen Mittelklasse an.
Bezeichnung „Strich-Acht“
Die Bezeichnung „Strich-Acht“ für die Modellreihe stammt aber nicht von Mercedes-Benz. Vielmehr ist sie erst mit einigem Abstand zur Premiere im Januar 1968 aus dem Sprachgebrauch der Freunde der Modellreihe entstanden. Sie ist abgeleitet aus dem Kürzel „/8“, das die 1968er-Typen im Modellprogramm kennzeichnet. So wird das Kürzel „Strich-Acht“ in der Folgezeit zur griffigen Bezeichnung für alle Varianten dieser oberen Mittelklasse. Dazu gehören auch die Spitzenmotorisierungen 280 und 280E (1972) sowie der 240D 3.0, der erste Fünfzylinder-Personenwagen der Welt, der nach der Modellpflege des Jahres 1973 erschien.
Entwicklungsgeschichte Mercedes „Strich-Acht“
Die Entwicklung der neuen Fahrzeuggeneration hatte 1961 begonnen. Prof.Dr.Fritz Nallinger, Entwicklungsvorstand der damaligen Daimler-Benz AG, setzte sich von Anfang an dafür ein, den neuen Typ deutlicher als bisher von den Oberklassefahrzeugen zu unterscheiden. Das bedeutete das endgültige Ende der Einheitskarosserie, wie bei den „Ponton“- und „Heckflosse“ Limousinen. Das Lastenheft sah eine gegenüber dem W110 kompakteres Fahrzeug vor, das jedoch innen den gleichen Raum bot. Zudem sollten neue Fahrwerkskonstruktionen die Fahreigenschaften deutlich verbessern. Früh während der Entwicklung wurde entschieden, die Antriebspalette bis zu Sechszylindermotoren zu erweitern.
Es entstand eine Limousine mit harmonischen Proportionen, deren Radstand gegenüber dem Vorgänger um 50 Millimeter auf 2750 Millimeter wuchs, während sich die Gesamtlänge um 55 Millimeter auf 4680 Millimeter reduzierte. Zudem sind die Limousinen 25 Millimeter schmaler und 55 Millimeter niedriger als die kleinen „Heckflossen“. Die Entwicklungen in der passiven Sicherheit überprüfte Mercedes-Benz unter anderem mit 26 Unfallversuchen. Die Crashtests zeigten, dass der „Strich-Acht“ die damaligen US-Normen für eine Kollision bei 30 Meilen pro Stunde mit 100-prozentiger Überdeckung nicht nur erfüllte, sondern weit übertrifft.
Das Fahrwerk war gegenüber dem W110 ebenfalls erheblich weiterentwickelt. Die beiden Fahrschemel sind über weiche Gummilager mit der Karosserie verbunden. An der Vorderachse reduzierten Doppelquerlenker mit gegeneinander verschränkten Drehachsen das Eintauchen des Vorderwagens bei scharfem Bremsen. Hinten kam die neu konstruierte „Diagonal-Pendelachse“ zum Einsatz, eine Schräglenker-Hinterachse. Sie reduzierte Spur- und Sturzveränderungen in Kurven sowie beim Ein- und Ausfedern. Erstmals waren alle vier Räder mit Scheibenbremsen ausgestattet. Servolenkung und eine hydraulische Niveauregulierung gab es optional. Die Preisliste mit Zusatzausstattungen war bereits damals sehr lang.
Markteinführung der Langversion
Nach der Premiere der viertürigen Limousinen im Januar 1968 mussten die ersten Käufer nicht lange warten. Die viertürige Limousine mit sechs Fenstern und um 650 Millimeter vergrößertem Radstand wurde ab März 1968 gebaut. Im Unterschied zu den Standard-Limousinen stattete Mercedes-Benz diese Langversion wegen des veränderten Böschungswinkels grundsätzlich mit den größeren 15-Zoll-Rädern und entsprechend angepasster kürzerer Hinterachs-Übersetzung aus.
Markteinführung und Besonderheiten /8 Coupés
Ab Oktober 1968 folgt schließlich der Bau des zweitürigen Coupés. Der sportlich-elegante Zweitürer hat den gleichen Radstand wie die Limousinen, ist allerdings 45 Millimeter niedriger. Die durch Unterdruck verriegelten Rückenlehnen der Vordersitze werden bei geöffneten Türen automatisch entriegelt und gewährten so einen guten Zugang zur Sitzbank im Fond. Im Unterschied zur Limousine war die hintere Stoßstange seitlich bis an die hinteren Radausschnitte vorgezogen.
Heute sind die „Strich-Acht“-Limousinen und -Coupés begehrte Klassiker.