100 Jahre MAF Automobile

Im Markranstädter Tageblatt, welches gleichzeitig das Amtsblatt für den Stadtrat zu Markranstädt war, stand am Dienstag, den 5.Mai 1908 auf der Seite eins die folgende Anzeige:

100-Jahre MAF Automobile
Anzeige am 5.Mai 1908

Damit war die Gründung der Markranstädter Automobil Fabrik offiziell bestätigt. Ihr Gründer war der Oberingenieur Paul Hugo Ruppe, geboren 1879 als ältester Sohn von Berthold Ruppe, dem Inhaber der Firma ,, Ruppe u. Sohn“ in Apolda. Hugo Ruppe studierte an der Ingenieurschule Ilmenau. Im Jahr 1902 trat er als Ingenieur in den väterlichen Betrieb ein. Dort konstruierte er 1903 ein Motorrad, aber schon 1904 stellte man den ersten Wagen nach seinen Konstruktionsplänen auf die Räder. Es war ein kleiner leichter Wagen mit einem luftgekühlten Motor, der Piccolo.

Zwischen Hugo Ruppe und seinen zwei Brüdern kam es wegen der Ausrichtung und Entwicklung der Produktion des Betriebes zu Meinungsverschiedenheiten. Darauf hin verließ Hugo Ruppe 1907 das väterliche Unternehmen mit einem Stamm erfahrener Arbeiter. So kam es 1908 zur Gründung der Markranstädter Automobil Fabrik MAF.

Ansicht der MAF Autofabrik im Jahr 1914
Ansicht der MAF Autofabrik im Jahr 1914 © Fotoquelle und Bildrechte: Foto-Arndt

Die Automobil-Fabrik in der Ziegelstr Nr.: 12/14 wurde schnell aufgebaut. Es war von Anfang an eine reine Automobil-Fabrik. Dies war für die damalige Zeit außergewöhnlich. Denn die meisten Fahrzeughersteller kamen aus dem Maschinen, Apparate und Fahrradbau. Die MAF ist wahrscheinlich nach Horch in Zwickau die zweite Firma in Sachsen, die nur für die Autoproduktion errichtet wurde. Wie die Werkhallen eingerichtet waren und welche Maschinenpark 1909 vorhanden war, erfahren wir durch einen Bericht im Markranstädter Tageblatt vom Dienstag, dem 2.März 1909. Der hiesige Kaufmännische Verein mit dem Herrn Bürgermeister, einigen Herren des Stadtrates, der Herr Amtsgerichtsrat und der Herr Schuldirektor besichtigten die MAF Autofabrik. Alle Herren waren von dem in kurzer Zeit geschaffenen neuen Industriezweig in Markranstädt beeindruckt.

Vom Konstruktionsbüro kam man in den Werkzeugmaschinenraum, danach schloss sich eine 40 Meter lange Halle für Schlosserei, Mechanik und Fertigmontage an. Dann kam der Motorenbau und die Fertigmontage. Weitere Betriebsräume für Malerei, Schleiferei, Lackiererei, Sattlerei und Polsterei folgten. In einem extra Gebäude war die Schmiede und der Rahmenbau untergebracht. In der Haupthalle befand sich noch das Lager mit anschließender Galvanisier-Anstalt mit Schleiferei und Poliererei.

Die 40 PS Lokomobile, die eine Dynamomaschine antreibt, ist in einem extra Gebäude untergebracht. Die Kraftübertragung erfolgte elektrisch auf eine Anzahl von Elektromotoren, welche die Transmissionen antrieben. Seit Januar 1909 wurde die Betriebskraft durch eine elektrische Fernleitung um etwa 60 PS verstärkt.

Das bebaubare Fabrikareal hatte eine Größe von 15000m². Ausgeführt wurden: Ein Gebäude 40m lang und 10m tief Büro und Werkzeugmaschinenraum. Daran anschließend : Ein Gebäude 80m lang und 14 m Tief Schlosserei; Montage, Malerei, Sattlerei etc.

Historie der Markranstädter Automobilfabrik

In einem separaten Bau mit 350 m² Grundfläche war die Schmiede und der Rahmenbau untergebracht. Außer verschiedenen Nebengebäuden für Kraftanlagen, Klempnerei Garderoben und Lagerräume war noch ein provisorisches Gebäude von 45m Länge und 13m Tiefe im Bau. Beschäftigt werden zu diesem Zeitpunkt 150 Mitarbeiter.“

Es zeugte auch von der Weitsicht Hugo Ruppes, die Fabrik den damaligen Möglichkeiten entsprechend neuestem Stand der Technik auszustatten. Auch hatte er alle Gewerke, außer der Gießerei, die für den Automobilbau zu dieser Zeit notwendig waren, in seinem Unternehmen eingebracht. Auch von den Beschäftigten musste jeder auf seinem Gebiet eine Fachkraft gewesen sein. Davon zeugte die gute
Qualität der MAF Automobile, die bei vielen Zuverlässigkeitsfahrten unter Beweis gestellt wurde. Die von Hugo Ruppe entwickelten Motoren hatten alle Luftkühlung. Er bewies durch seine Konstruktionen gegen die Meinung von Fachleuten der damaligen Zeit, dass es möglich ist, auch große Wagenmotoren mit Luftkühlung zu betreiben. Er brachte den Motoren durch konstruktive Maßnahmen eine gewisse Laufkultur bei. So waren die Motoren nur wenig lauter als Wasser gekühlte Motoren. In der Werbung wies man auch ausdrücklich darauf hin, dass sie sehr wartungsarm sind, weil im Winter kein Einfrieren möglich ist. Obwohl es 1909 schon einige Generalvertretungen für MAF in Deutschland zum Beispiel in Hamburg und Dresden gab, war die beste Werbung der Marke das erfolgreiche Abschneiden bei Zuverlässigkeitsfahrten.

So führte die erste Fahrt dieser Art zum Verbandstag der deutschen Motorfahrervereinigung nach Bad Schandau. Am 19 Mai 1909 starteten um 19°° fünf MAF von Markranstädt nach Dresden. Am nächsten Morgen schlossen sich noch vier MAF Wagen der Generalvertretung
der MAF in Dresden an. Vereint ging es weiter nach Bad Schandau. Nach der Hauptversammlung am nächsten Tag, fuhren die neun MAF in die Böhmische Schweiz. Am Freitag traf sich die Deutsche Automobil Vereinigung auf der Bastei, auch dort waren vier MAF Wagen aus Markranstädt dabei. Die große Herausforderung war aber die Auffahrt über Stock und Stein mit einer 25% Steigung auf den Kuhstall. Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Markranstädt. Alle Fahrzeuge fuhren die Strecke ohne einen Defekt. Das zeugt von der soliden Bauart der Fahrzeuge und ist auch der Beweis, dass luftgekühlte Motoren Dauerbelastungen vertragen.

Vom 12. bis 14. August 1909 nahmen drei MAF an der Internationalen Tourenfahrt des MAC nach Eisenach teil. Wobei ein Wagen 1861 km absolvierte und den 1.Platz seiner Klasse belegte. Die anderen zwei Wagen fuhren je 1680 und 1565 km. Einer dieser Wagen musste wegen dem Verlust der Andrehkurbel ununterbrochen 24 Stunden durchlaufen. Im Verlauf von kaum zwei Jahren hat die Firma MAF bereits über 100 Fahrzeuge in Deutschland, England und Amerika verkauft.

Trotz der vielen Sporterfolge, wobei auch der Beweis angetreten wurde, dass auch Wagen mit luftgekühlten Motoren konkurrenzfähig sind und diese auch zu Verkaufserfolgen in vielen Ländern der Erde führte, kam das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. So musste 1911
Konkurs angemeldet werden.

MAF Typ D2
MAF Typ D2 restauriert vom Markranstädter Oldtimerverein © Fotoquelle und Bildrechte: Foto-Arndt
Am 30. Mai kam es 1911 beim hiesigen Kgl. Amtsgericht zur Versteigerung der MAF. Es wurden drei Gebote eingereicht, wobei das höchste Gebot der Kaufmann Mithoft im Auftrag einer am Vortag in Leipzig gegründeten GmbH abgab. Die Geschäftsführer der Gesellschaft wurden die Herren Oberingenieur Hugo Ruppe und der Kaufmann Wilhelm Mithoft. Der Aufsichtsrad bestand aus sieben Herren. Gegenstand des Unternehmens war weiterhin die Herstellung von Automobilen und Motoren. Die Gesellschaft wurde am 8. Juni vom Königlichen Amtsgericht bestätigt. Die Firma firmierte künftig als:
100 Jahre MAF Automobile
Bezeichnung der MAF Automobilfabrik

Im Jahre 1911/12 brachte die MAF neue Automobile des Typ D und Motoren mit einer Leistung von 12 – 14 PS heraus. Diese Automobile gab es mit verschiedenen Radständen und Karosserien. Darunter auch eine Ausführung als Lieferwagen. Es folgte bis 1914 noch die Typen F und G mit Motorleistungen von 15 -25 PS.

Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens hatte sich soweit gebessert, dass man auch wieder an motorsportlichen Wettbewerben teilnahm. Die dabei erreichten Erfolge trugen wesentlich dazu bei, den Verkauf der Fahrzeuge zu steigern. Im Jahre 1914 stellte man den wohl besten von Hugo Ruppe in Markranstädt konstruierten Motor vor. Der Motor hatte 3400 ccm, Druckumlaufschmierung, hängende Ein- und
Auslassventile, eine obenliegende Nockenwelle, die über eine Königswelle angetrieben wurde. Der Motor hatte eine Leistung von 35 PS bei 2500 U/min, selbstverständlich Luftkühlung und war für Last- und Nutzfahrzeuge vorgesehen.

Mit Beginn des 1. Weltkrieges musste man die Fahrzeugproduktion auf Sanitäts-, Feldpostautos und leichte Lastwagen umstellen. Es wurden
auch Instandsetzungsarbeiten an anderen Fahrzeugmarken durchgeführt. Direktor Mithoft und Hugo Ruppe wurden schon am Anfang des Krieges zum Militär eingezogen.

Nach dem ersten Weltkrieg kehrte Hugo Ruppe nicht wieder nach Markranstädt zurück. Er ging zu Rassmussen nach Zschopau und überzeugte diesen von den Vorteilen des Zweitakt-Motors. Endsprechende Versuche hatte Hugo Ruppe schon in Leipzig unternommen. Vor dem ersten Weltkrieg hatte er sich schon einen Schwungradmagnetzünder patentieren lassen. Als erstes entstand ein Spielzeugmotor von 18 ccm, der die in vielen Kinderzimmer vorhanden Dampfmaschinen verdrängen sollte. Der zweite war ein 118 ccm, 1 PS leistender Zweitakt-Fahrradhilfsmotor, der auf dem Gepäckträger montiert wurde, „Das kleine Wunder” DKW. So legte Hugo Ruppe mit seiner genialen Konstruktion einen der Grundstein für das einmal größte Motorradwerk der Welt.

Im Jahre 1921 verließ Hugo Ruppe die DKW-Werke, und gründete in Berlin die Berliner Kleinmotoren AG und die Bekamo AG. Dort schuf er ein Motorrad mit einem 129 ccm Zweitakt- Ladepumpenmotor. Dieser Zweitakter war einer der leistungsstärksten seiner Zeit. Von 1925 bis 1929 hatte er eine Firma „Kaehlert und Ruppe“ in Rumburg. Dort wurden die Bekamo-Motorräder weitergebaut. Danach betrieb er ein Konstruktionsbüro in Hainichen / Sachsen. Später lebte und arbeitete er in Festenberg/Schlesien, von wo er zu Ende des zweiten
Weltkrieges 1945 flüchten musste. Er kam wieder nach Zschopau zurück. Hugo Ruppe verstarb am 23 Januar 1949 verarmt in Zschopau. Hugo Ruppe war ein hervorragender Konstrukteur der bedeutende Entwicklungen im Automobil und Motorradbau geschaffen hat.

Bei der MAF nahm man nach dem ersten Weltkrieg die Produktion der Vorkriegsmodelle wieder auf. Die Fahrzeuge wurden stetig weiter entwickelt, die Motorleistung gesteigert und auch neue Karosserievarianten gefertigt. Es wurde auch nach neuen Absatzmöglichkeiten
gesucht. So konstruierte und baute man eine Straßenwalze sowie eine Zugmaschine für Landwirtschaft. Der Absatz dieser Fahrzeuge in großen Stückzahlen schlug aber fehl.

Im Jahr 1921 kaufte die Apollo AG Apolda die Markranstädter Automobilfabrik. Von diesem Zeitpunkt wurde der kleine Apollo 4/14 mit wassergekühltem Vierzylinder Viertaktmotor in Markranstädt gefertigt. Es waren zu dieser Zeit etwa 220 Mitarbeiter in Markranstädt
beschäftigt, die im Jahr 300 bis 500 Autos bauten. Mitte der 1920-er Jahren geriet das Stammwerk in Apolda in Absatzschwierigkeiten. Die Produktion des kleinen Apollo 4/14 wurde wieder nach Apolda verlegt. In Markranstädt fertigte man noch Teile für das Stammwerk in Apolda. Im Jahre 1926 stellte man dann endgültig die Produktion von Autoteilen in Markranstädt ein.

So endete nach 18 Jahren die Produktion von Automobilen in Markranstädt. Die Werkhallen übernahm 1927 die Firma Holzbearbeitungsmaschinen Paul Trommer. Nach 1945 wurde daraus die Firma VEB Mihoma. Es folgte VEB Standard (vorm. Gaspari u Co.)
und anschließend der VEB Trocknungsbetrieb bzw. ZBE Trocknungs- und Pelledtieranlage. 2001 erwarb die Stadt Markranstädt die Gebäude und das Gelände in der Ziegelstraße. Die Werkhallen stehen heute unter Denkmalschutz. Sie werden jetzt vom Museum der Freiwilligen Feuerwehr Markranstädt genutzt. In einem Seitengebäude ist der Modellbahn Verein Gotthardbahn und der Kinderfestverein untergebracht. Den vorderen Teil der Werkhallen nutzt der Markranstädter Oldtimerverein.

MAF D3 /Bj. 1908 MAF D2/Bj. 1909 MAF F5 /Bj. 1911
MAF D3 /Bj. 1908 MAF D2/Bj. 1909 MAF F5 /Bj. 1911
© Fotoquelle und Bildrechte: Foto-Arndt
Im Jahre 1999 wurden nach langen Nachforschungen, zwei MAF Fahrzeuge von einem holländischen Automuseum erworben. Ein Fahrzeug vom Modell G 6/16 ist in privatem Besitz eines Mitgliedes unseres Oldtimervereins. Das andere Fahrzeug Baujahr 1909 mit der Produktions-Nr. 547 kaufte die Stadt Markranstädt. Dieses Fahrzeug wurde von den Mitgliedern des Markranstädter Oldtimerverein in mühevoller Kleinarbeit fahrfähig restauriert und anlässlich des 100. Gründungstags der MAF im Jahr 2008 im restaurierten Zustand der Öffentlichkeit vorgestellt und mit H-Nummer zugelassen.
MAF G8/24,Bj. 1914
MAF G8/24,Bj. 1914
Dem Markranstädter Oldtimerverein sind ca. 10 MAF Modelle im In- und Ausland bekannt. Vom toprestaurierten im Musée national de l´Automobil in Mulhouse in Frankreich (Sammlung der Brüder Schlumpf) bis zum Restaurrationsobjekt MAF in Schweden. Die Stadt Markranstädt hat 2008 noch einen MAF F5 Baujahr 1911 erworben. Er wurde behutsam restauriert und motorseitig überholt. 2011 Jahr wurde ein MAF D3, Bj. 1908 von einem Mitglied unseres Oldtimervereins in Schweden von den Enkeln des Zweitbesitzers mit lückenloser Historie gekauft. Dieser MAF wurde ebenfalls von Grund auf restauriert und ist fahrbereit.

MAF D3 Bj. 1908 – MAF D2 Bj. 1909 – MAF F5 Bj. 1911

Diese drei MAF werden regelmäßig zu Oldtimerrallyes, Stadtfesten und und Veranstaltungen befreundeter Vereine ausgefahren und der Öffentlichkeit in Aktion gezeigt. Im Jahr 2012 gelang dem Oldtimerverein Markranstädt mit Hilfe der Stadt einen MAF G8/24 Baujahr 1914 zu erwerben. Dieser MAF wird zur Zeit von den Mitgliedern unseres Oldtimervereins restauriert und wird 2015/16 fahrbereit sein.

Verfasser: Werner und Matthias Lorbach, Wilfried Hohnstädter