Die kleine Mercédès wächst in einer autobegeisterten Familie auf. Der in Nizza lebende Diplomat und Geschäftsmann Emil Jellinek fordert zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr Leistung und innovative Technik von Daimler und initiiert damit die Entwicklung des modernen Automobils. Bei Autorennen an der Cote d’Azur tritt er mit leistungsstarken Fahrzeugen von Daimler unter dem Pseudonym „Monsieur Mercedes“ an; also mit dem Vornamen seiner 1889 geborenen Tochter Mercédès. Von 1901 an wird der Name der jungen Frau als Marke der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) weltberühmt, 1902 lässt die DMG „Mercedes“ als geschützte Marke registrieren.
Das Mercedes-Benz Museum nimmt das Geburtstagsjubiläum der Marken-Namensgeberin zum Anlass, am 16. September 2014 allen Frauen freien Eintritt zu gewähren. Und wer „Mercedes“ heißt – im Vornamen – erhält ein Geschenk von Mercedes-Benz.
Mercédès Adrienne Ramona Manuela Jellinek wird am 16. September 1889 in Wien als Tochter des Geschäftsmanns und Diplomaten Emil Jellinek und seiner Frau Rachel Goggman Cenrobert geboren. Der Name des Mädchens spiegelt die Begeisterung des Vaters für die Kultur und Sprache Spaniens wider. Als zweiten Wohnort neben Baden bei Wien wählt Jellinek allerdings nicht die iberische Halbinsel, sondern das französische Nizza. Um das Jahr 1900 war Nizza einer der wichtigsten Treffpunkte der feinen Gesellschaft Europas. In dieser exklusiven Umgebung wächst Mercédès Jellinek, deren Mutter bereits 1893 stirbt, zusammen mit ihren Geschwistern auf.
Hautnah erlebt die kleine Mercédès so die Entwicklung des Automobils mit. Denn Emil Jellinek ist ein begeisterter Förderer des von Gottlieb Daimler und Carl Benz unabhängig voneinander im Jahr 1886 erfundenen Kraftfahrzeugs mit Verbrennungsmotor. Nach Versuchen mit einem Dreirad von De Dion und einem vierrädrigen Benz Viktoria – beide Fahrzeuge überzeugen den anspruchsvollen Jellinek nicht – stößt er schließlich 1897 auf die Produkte der Daimler-Motoren-Gesellschaft aus Cannstatt. Er kauft sein erstes Daimler-Automobil und ist so begeistert, dass er die Fahrzeuge aus Cannstatt von 1898 an in Nizza an Kunden der vermögenden Oberschicht verkauft – beispielsweise an die Familie von Rothschild.
Eines ist ihm dabei besonders wichtig: Schneller müssen die Fahrzeuge werden. Mit dem Management der Daimler-Motoren-Gesellschaft diskutiert Jellinek angeregt über die Möglichkeit, das neue Verkehrsmittel durch Rennsiege zu bewerben. Jellinek selbst setzt die Idee in die Realität um, als er 1899 für die Rennwoche von Nizza einen Daimler Phönix 16 PS unter dem Pseudonym „Monsieur Mercedes“ anmeldet. So wird Jellineks Tochter erstmals – wenn auch noch indirekt – zur Namenspatin eines Daimler-Automobils.
Zehn Jahre später, im Februar 1909, heiratet Mercédès Jellinek im Alter von 19 Jahren den österreichischen Adligen Karl Freiherr von Schlosser. Aus dieser Ehe gehen die Kinder Elfriede (geboren 1912) und Hans-Peter (geboren 1916) hervor. 1926 trennt sich das Ehepaar, Mercédès heiratet den Bildhauer Rudolf Baron von Weigl. Sie stirbt jung, am 23. Februar 1929 im Alter von 39 Jahren und wird auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Ein Mädchenname schreibt Automobilgeschichte
Da ist ihr Vorname längst weltweit als glänzende Marke der DMG bekannt geworden. Der dreizackige Stern wird als Mercedes-Stern berühmt. Bereits am 26. September 1902 lässt die DMG die Wortmarke „Mercedes“ (in dieser Schreibweise) als geschütztes Warenzeichen registrieren. Nach der Fusion mit Benz & Cie. im Jahr 1926 zur Daimler-Benz AG lautet der Markenname der Fahrzeuge Mercedes-Benz – bis heute einer der glanzvollsten Markennamen überhaupt.
Ein erster Schritt hin zu diesem Erfolg ist das von Jellinek gewählte Pseudonym „Monsieur Mercedes“. Wilhelm Bauer, Werksfahrer der DMG, gewinnt 1899 auf dem unter diesem Namen gemeldeten Daimler Phönix 16 PS die Tourenfahrt Nizza-Magagnosc-Nizza bei der Rennwoche von Nizza. Ein Jahr später, Ende März 1900, verunglückt Bauer beim Bergrennen Nizza-La Turbie tödlich, als er allzu unvorsichtigen Zuschauern ausweichen muss und die Kontrolle über seinen Wagen verliert.
Als Konsequenz aus dem Unglück fordert Jellinek von der DMG und ihrem Chefkonstrukteur Wilhelm Maybach die Entwicklung eines innovativen Automobils, das noch leistungsstärker und dank seines niedrigen Schwerpunkts auch besonders sicher ist. Der neue leichte Hochleistungsmotor soll den Namen „Daimler-Mercedes“ tragen – schon bei seiner Entwicklung erhält er kurz und prägnant den Namen von Jellineks Tochter.
Am 22. Dezember 1900 liefert die DMG das erste Fahrzeug mit diesem Motor, den Mercedes 35 PS an Jellinek aus. Durch seine wegweisende Konstruktion gilt dieser erste Mercedes als erstes modernes Automobil überhaupt. Bei der Rennwoche in Nizza im März 1901 erringt der Wagen vier Siege und fünf zweite Plätze und deklassiert damit die Konkurrenz. Paul Meyan, der Generalsekretär des Automobilclubs von Frankreich, prägt daraufhin den Satz: „Wir sind in die Ära Mercedes eingetreten.“ Mercédès Jellinek ist zu diesem Zeitpunkt gerade elf Jahre alt, ihr Vorname wird in den kommenden Jahren als glanzvolle Marke der DMG Weltruhm erringen.
Später ändert der Vater den Familiennamen in „Jellinek-Mercedes“
Emil Jellinek ist darauf so stolz, dass er am 24. Juni 1903 seinen Familiennamen in „Jellinek-Mercedes“ ändern lässt. Davon zeugt auch die Geburtsurkunde von Mercédès Jellinek, die seit 2012 zum Bestand der Archive von Mercedes-Benz Classic gehört. Die Urkunde entstammt dem persönlichen Nachlass der Marken-Namensgeberin, welcher über ihren Sohn Hans-Peter Schlosser und schließlich dessen Patenkind in die Archive der Daimler AG gelangt ist.
Die Fotografien und Dokumente gewähren einen umfassenden Blick auf das Leben einer jungen Frau der Wiener Oberschicht von der Epoche des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs über den Ersten Weltkrieg bis in die 1920er-Jahre. Und die Quellen schließen Lücken in der bisher bestehenden Biografie von Emil Jellineks Tochter: Dass sie kastanienbraune Haare und grüne Augen hatte, verrät beispielsweise ihr Reisepass aus dem Jahr 1927.
Bilder zeigen sie an Bord der Familienyacht „Mercedes“, beim Reiten und beim Lesen. Später kommen Aufnahmen mit ihrer eigenen Familie dazu. Für die Markengeschichte von Mercedes-Benz ist ein Foto besonders spannend, das Mercédès Jellinek in einem Mercedes-Fahrzeug zeigt: Die Namenspatin am Steuer des Kraftwagens, dem sie den Namen gegeben hat.
Das Mercedes-Benz Museum ist täglich von Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr geöffnet. Kassenschluss ist immer 17 Uhr. Anmeldung, Reservierung und aktuelle Informationen: Montag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr unter Telefon 0711-17 30 000, per E-Mail classic@daimler.com oder online unter www.mercedes-benz-classic.com/museum