Das Erbe von Rudolf Diesel

Rudolf Diesel beschrieb seinen Diesel-Motor, die damalige technische Revolution auf 13 Seiten. Die Patentschrift mit der Nummer 67207 wurde vom kaiserlichen Patentamt vor 120 Jahren am 23. Februar 1893 bewilligt. Der deutsche Erfinder schuf damit die Grundlage für Millionen Dieselmotoren, die Automobile, Lastkraftwagen und Schiffe auf dieser Welt antrieben und antreiben. Rudolf Diesel erlebte nicht viel von dieser großartigen Erfindung. Er starb vor 100 Jahren, am 29. September 1913, auf einer Schiffsreise.

Das Erfolgsgeheimnis der Konstruktion war die Selbstzündung, die bis heute als Synonym für den Diesel-Motor steht. Diesel konstruierte, so dass ein Luft-Kraftstoff-Gemisch 20-fach verdichtet wurde und allein durch diesen Druck entflammte. Der Effizienzgewinn gegenüber einem Benzin-Motor war enorm. Als der Erfinder mit seinen Arbeiten begann, hatten Benzin-Motoren einen Wirkungsgrad von zwölf Prozent. Die damaligen Gas-Motoren kamen immerhin auf 17 Prozent. Bereits der erste Prototyp von Rudolf Diesel war an diesen Vergleichswerten gemessen ein Quantensprung: Der Selbstzünder nutzte 25 Prozent der Energie des Kraftstoffs aus.

Mercedes-Benz 260 D Baujahr 1936
Mercedes-Benz 260 D Baujahr 1936 erstes serienmäßiges Automobil mit Diesel-Motor
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Aus diesen Gründen galt der Diesel-Motor um 1920 unter Ingenieuren als Antrieb der Zukunft. Der Durchbruch der revolutionären Technik musste noch lange warten. 1924 wurde in Deutschland der erste Lastwagen mit Diesel-Motor in Serie produziert. Erst 1929 schaffte die amerikanische Firma Cummins, einen Motor in einen Personenfahrzeug einzubauen. In Serie ging die Technik im Jahr 1936 im Mercedes-Benz 260 D. Bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts stand der Diesel-Motor für Behäbigkeit wegen seiner geringen Leistung aus großem Hubraum. Die Saugmotoren mit Nebenkammereinspritzung waren träge, laut und mit sehr Abgasen verrufen.

Das Bild änderte sich ab den 70er Jahren. Der Diesel-Motor wurde in der Autoindustrie technisch weiter entwickelt. Ein sehr populäres Fahrzeug war der erste Volkswagen Golf Diesel. Im Jahr 1975 war er der erste Selbstzünder in der sogenannten Kompaktklasse mit einem schnell laufenden Dieselmotor. Er war dank einer Bosch-Verteilereinspritzpumpe drehfreudig und gleichzeitig sparsam. Die nächste Entwicklungstufe war die Turbo-Aufladung und weiter gesteigerte Fahrleistung im Golf „GTD“. In Europa lieferten alle Hersteller nun Selbstzünder in der „Golf“- und Mittel-Klasse. Später wurden auch Ober-Klasse Automobile und Sportwagen mit der effizienten Technik ausgestattet. Erinnert wird auch an dieser Stelle an den ersten BMW mit Diesel-Motor.

Die Direkteinspritzsysteme lösten allmählich die Saugaggregate mit Nebenkammereinspritzung ab. 1989 wurde die erste Axialkolbenpumpe für Diesel-Direkteinspritzung im Audi 100 TDI (Turbodiesel Direct Injection) verkauft. Das von Bosch entwickelte Produkt erlaubte es, den Dieseltreibstoff mit einem hohen Druck von 1000 bar direkt in den Zylinder ein zu spritzen. Diese neue Technik ermöglichte eine besonders effiziente Verbrennung. Eine deutlich bessere Leistungsausbeute bei niedrigen Verbrauchs- und Emissionswerten war das positive Ergebnis.

100 Jahre nach der grundlegenden Erfindung revolutionierte Bosch den Motor ein zweites Mal. Mit der Radialkolben-Verteilereinspritzpumpe, dem Common-Rail-System und der Pumpe-Düse-Technik, auch Unit Injector genannt, bot Bosch ab Ende der 1990er Jahre verschiedene Varianten der Direkteinspritzung an. Sie waren allesamt für Drücke von etwa 1500 bar, später sogar bis zu 2000 bar und darüber, ausgelegt.

Letztlich setzte sich die Common-Rail Technik durch. Sie machte den Diesel ab Ende der 1990er Jahre laufruhig und erfolgreich. Bei dem System ist der Kraftstoff in einer Versorgungsleiste, dem Common Rail, für alle Zylinder bei konstantem Druck gespeichert. Zwar waren die Spitzendrücke bei Common Rail zunächst geringer als beim Pumpe-Düse-System. Dieses konnte punktuell deutlich über 2000 bar erreichen, den Kraftstoff fein zerstäuben und damit den Verbrauch sehr niedrig halten. Durch den konstant hohen Druck, unter dem Kraftstoff in der Common Rail für alle Zylinder gespeichert ist, lassen sich bis zu acht Mehrfacheinspritzungen pro Einspritzvorgang realisieren. Dadurch werden Vor- und Nacheinspritzung möglich, die Laufruhe steigt und die Emissionen sinken.

Durch den Einsatz des Turboladers mit variabler Turbinengeometrie, der heute Standard ist, liefern Selbstzünder ein hohes Drehmoment selbst bei niedrigen Drehzahlen. Auch das Klischee vom lauten und dreckigen Selbstzünder hat sich überlebt. Moderne Diesel-Fahrzeuge sind laufruhig und sparsam.

Der Diesel hat sich vom Lastesel zum Massenphänomen gewandelt. Während 1997 noch 22 Prozent aller in Westeuropa verkauften Pkw Selbstzünder waren, liegt diese Zahl heute bei rund 50 Prozent.

Diese evolutionäre Fortentwicklung seiner Konstruktion konnte Rudolf Diesel nicht vorwegnehmen als sein Motor 1897 das erste Mal einigermaßen rund lief.