In diesem Beitrag ist im Klassiker- und Motormagazin auch ein Blick in die Zukunft der Autotechnik sinnvoll und dem Autor des Beitrages gestattet.
Ein amperestarker 48 V-Stromschlag ist zwar unangenehm, aber noch nicht lebensgefährlich. Bei 400 Volt mit 150 A sieht das schon anders aus. Aber das ist nur ein vordergründiger Hinweis.
Vielmehr beziehen Sie sich mit „48 Volt“ auf jene „milden Parallelhybride“, bei denen eine 48 V E-Maschine heute parallel zum Verbrennungsmotor arbeitet. Dieses 48 V-Konzept hat Kostenvorteile, zumal es sich relativ leicht an bestehende Verbrennerplattformen „andocken“ lässt. In der einfachsten Form ersetzt die E-Maschine den riemengetriebenen Generator. Bei dieser Variante (Conti) ist rein elektrisches Fahren allerdings nur sehr eingeschränkt möglich – im Wesentlichen beschränkt sich der E-Antriebsbeitrag hier auf Drehmoment erhöhendes „E-Boosting“. Effektiver ist daher eine anstelle der Schwungscheibe koaxial angeordnete E-Maschine (Bosch). Allerdings erfordert dies eine spezielle Konstruktion. Dritte, weil konstruktiv unproblematische Variante ist deshalb eine an der Hinterachse eines ansonsten konventionellen Fronttrieblers sitzende E-Maschine, welche separat die Hinterräder antriebt („Axle Split“, z. B. bei PSA). In der Effizienz optimal sind alle diese Systeme nur dann, wenn der Verbrennungsmotor abgekuppelt werden kann – anderenfalls müsste er von der E-Maschine permanent mitgedreht werden.
Audi arbeitet mit „48 V“ erstmalig im Q7 und dessen Derivat Bentley Bentayga – dort allerdings nicht antriebshalber, sondern um hochenergetische E-Systeme wie „Wankstabilisierung“ 1) zu versorgen. Weitere Anwendungsbeispiele sind „E-Boosting des Turboladers“ 2) , Starter-, Lenk-, Scheinwerfer-, Wischer- oder Heizsysteme, für deren hohen Energiebedarf ein 48V-System natürlich vorteilhaft wäre.
- 1) Die Turbine wird bei niedriger Motordrehzahl elektrisch beschleunigt, um das „Turboloch“ zu vermeiden.
- 2) Elektrisches Öffnen und Sperren des Querstabilisators (hier mit 48V-Kondensator): Bei normaler Fahrweise bleibt das SUV komfortabel, schaukelt aber in Grenzsituationen weniger auf (also verringertes „Elchrisiko“ ;-).
Allerdings ist es einstweilen unrealistisch, das gesamte Bordnetz auf 48 V umzustellen. Dazu müsste jedes Steuergerät, jeder Stellmotor, jedes Infotainmentsystem und jedes Lämpchen auf 48 V umgestellt werden – Die Kosten wären anfangs astronomisch (Henne-Ei). Daher ist „48 V“ einstweilen nur in einem „Bi-Level-Bordnetz“ realistisch, welches parallel weiterhin mit 12 V arbeitet. Und das macht die Sache teuer!
Daher erscheint fraglich, ob sich „48 V“ als hybrides Antriebskonzept langfristig durchsetzen wird. Richtig ist zwar, dass ein Benzinhybrid mit 48 V-Maschine eine Alternative zum Diesel ist, welcher in Zeiten von Euro 6 (geschweige denn US-Norm) kaum noch ohne kostspieliges SCR-System darstellbar und daher für die preissensible Mini- und Kompaktklasse zunehmend unattraktiv ist.
Hinzu kommt, dass der Diesel in Asien und USA „politisch“ nie gewollt war und der VW-Skandal nun das willkommene Alibi ist, um den Diesel dort endgültig zu verbannen. Mithin droht als weltweit einzige „Pkw-Dieselbastion“ nur mehr Europa zu verbleiben und selbst hier fallen neuerdings die Diesel-take-rates. Deshalb müssen die hiesigen Hersteller über Alternativen nachdenken. Eine davon könnte der 48 V Benzinhybrid sein – da haben Sie Recht.
Aber dieser Hybrid könnte nur eine Übergangstechnologie sein. Er ist definitiv nicht die Zukunft, die ich in meinem Kontext meinte. Denn mit zunehmender Energiedichte der Li-Ionen-Akkus (bei Kostenniveau ~200 €/kWh) werden reine Elektrofahrzeuge immer attraktiver. Nehmen Sie nur den Chevrolet Bolt / Opel Ampera 2, der für ~30.000 € über 300 km realistische E-Reichweite bieten wird (ich rede nicht von offiziellen NEFZ-Reichweiten). Nicht umsonst besserte BMW die Reichweite des (aufgrund CFK/Alu leider
überteuerten) i3 jüngst auf realistische 250 km nach.
Bei Stadtwagen sage ich eine dramatische Steigerung des E-Anteils voraus. Der ab Anfang 2017 lieferbare E-Smart hat in D einen moderaten Einstiegspreis.
Aber der Antriebskomfort eines E-Mini stellt jeden konventionellen Stadtmini in den Schatten. Statistisch ist übrigens nachgewiesen, dass die Tagesdistanz normalerweise nicht über 80 km hinausgeht. Das Problem der Reichweite beschränkt sich also auf Freizeitfahrten am Wochenenden und natürlich auf berufliche Vielfahrer. Hinzu kommt, dass nicht jeder das Privileg eines eigenen Carports oder einer eigenen Garage hat, in der das E-Mobil über Nacht geladen werden kann.
Umso schneller wird „Elektro“ dafür in der Luxusklasse Einzug halten – und zwar wesentlich schneller, als viele sich heute vorstellen können. Der Audi Q6 e-tron (elektrische Coupéversion des nächsten Q5) ist ab 2019 gesetzt – mit einem 400 V-System und realistischer Reichweite von mindestens 450 km.
Wenn 2020 Porsches viertüriger „Tesla-Fighter“ mit 800 V-System folgt, werden die Fahrleistungen jedes bis dahin gebauten 911 oder Panamera verblassen. Nur ewig Gusseiserne glauben, dass ein 911 oder AMG GT des Jahrganges 2026 noch Sprit verbrennen wird. Nein, wird er nicht. Er wird elektrisch fahren – nicht nur aufgrund höherer „sozialer Akzeptanz“ und überlegener E-Performance –
Sind Sie einmal Tesla Model S gefahren? Sondern auch aufgrund von Optionen wie „Torque Vectoring“, die mit E-Antrieben wesentlich einfacher zu realisieren sind, als mit Verbrennern. Dies wird die Gebrauchtwerte konventioneller heutiger Traumwagen treffen. Und das wird sich auf Youngtimer fortsetzen, die dann ebenfalls „halbalt“ aussehen werden. Ich beschränke mich daher seit Kurzem auf wirkliche Klassiker. Doch ich möchte hier nicht ins Private abschweifen – von „Individualschicksalen“ berichten andere Beiträge auf Ihrem Forum schon genug.
Die oben genannten Beispiele aus der künftigen Luxusklasse sind nur einige wenige – andere Premium-Hersteller arbeiten natürlich genauso an der vollständigen Elektrifizierung ihrer Antriebe. Nur machen sie dies zurzeit noch nicht groß publik, weil sie in den nächsten Jahren noch ihre konventionellen Verbrenner verkaufen müssen.
Richtig ist nur, dass der Umstieg auf „Elektro“ in der Kompakt- und Langstreckenklasse länger dauern wird. Der erste Golf auf „MEB“ Plattform soll um 2020 erscheinen, allerdings sind Preis und E-Reichweite noch ungewiss. Richtig ist auch, dass typische Langstreckenwagen wie Audi A4/A6, BMW 3er/5er oder Mercedes C- und E-Klasse – wohlgemerkt in Europa – noch länger mit Diesel unterwegs sein werden. Auch wenn die Infrastruktur aus E-Ladestationen in den nächsten 10 Jahren dichter wird, zeigt das Beispiel „LPG“ und insbesondere „CNG“, wie abschreckend es ist, nicht überall „tanken“ zu können. Schon deshalb wäre ein Diesel Zulassungsverbot ab 2030 der falsche Weg, zumal ein seriös arbeitendes SCR-System die NOx-Emission des in der CO2-Bilanz nach wie vor überlegenen Diesel praktisch auf das Niveau des Benziners drückt (NOx bei Euro 6: Diesel max. 80 mg/km, Benziner 60 mg/km).
Eines habe ich hier ausgespart: Wasserstoff und Brennstoffzelle. Sofern die Batterietechnik keinen Quantensprung macht – und danach sieht es trotz intensiver Bemühungen nicht aus –, wird Wasserstoff der Energieträger des 21. Jahrhunderts sein. Die Frage ist nicht „ob“, sondern nur „wann“. Denn aus ökologischer Sicht ist zwingende Voraussetzung, dass die Elektrolyse zur Wasserstoffgewinnung zu 100% aus regenerativ gewonnenem Strom erfolgt. Das wäre an Europas Nordseeküsten durchaus machbar und würde auch das Problem des Volatilität von Ökostrom lösen, welches die „Energiewende“ so teuer macht. Aber damit wäre der Wasserstoff noch nicht in Hintertupfingen. Zweite Voraussetzung ist also eine Verteiler-Infrastruktur für Wasserstoff. Beides ist noch ein langer Weg – zumal, wenn Sie an Großflächenländer wie Russland oder Indien denken. Japan hat sich bereits auf den Weg gemacht. Doch bis es weltweit soweit sein wird? Vielleicht 2050? Aber das ist kein Thema für „Oldtimer“ – oder vielleicht doch?
Gastautor: Marcus Klippgen