Kurz vor dem Weihnachtsabend 1913, am 22. Dezember stellt der britische Rennfahrer L. G. Hornsted mit dem Benz 200 PS, einer modifizierten Variante des schon damals legendären „BlitzenBenz“, in Brooklands zwei neue Weltrekorde über eine halbe Meile und über einen Kilometer auf. Im Januar 1914 fügt der 1884 geborene Brite seinem Erfolgskonto sieben weitere Rekorde zu.
Was für ein Weihnachtsgeschenk an sich selbst: Der britische Rennfahrer Lydston Granville Hornsted, bekannter unter dem Kürzel L. G. oder seinem Spitznamen „Cupid“, tritt zwei Tage vor dem Heiligen Abend 1913 auf der Rennbahn von Brooklands südwestlich von London mit einem Benz 200 PS an, um neue Bestmarken zu erzielen. Hornsteds Durchschnittsgeschwindigkeiten liegen bei 113,8 km/h für die halbe Meile (804,67 Meter) und 118,8 km/h für einen Kilometer, jeweils mit stehendem Start. Beide Weltrekorde sind Glanzpunkte in der außergewöhnlichen Geschichte der Benz 200-PS-Rennwagen, die vor allem in den Jahren 1910 bis 1913 in den Vereinigten Staaten von Amerika als „BlitzenBenz“ bekannt geworden sind. Zugleich erinnert Hornsteds Leistung an die legendären Rekordfahrten von Victor Hémery mit dem ersten Benz 200 PS im November 1909, als der Wagen die 200-km/h-Marke durchbrochen hat. Hémery erreicht damals Durchschnittsgeschwindigkeiten von 202,648 km/h auf der Kilometer-Distanz und 205,666 km/h auf der halben Meile bei fliegendem Start.
Hornsteds Rekordwagen ist der dritte von insgesamt sechs Benz 200 PS, die ab 1909 entstehen. Mit dem 1912 gebauten Fahrzeug gewinnt Fritz Erle unter anderem die Bergrennen in Gaillon und in Limonest (Frankreich). Dann erkundigt sich im Jahr 1913 L. G. Hornsted in Mannheim nach einem leistungsstarken Fahrzeug für Renn- und Rekordeinsätze. Der englische Rennfahrer, der als Berufe Fahrer, Mechaniker und Tester angibt, ist zu dieser Zeit bereits als Repräsentant für Benz & Cie. in England tätig. Mit dem Benz 200 PS will er an seine früheren Erfolge auf älteren Benz-Rennwagen anknüpfen.
Gegenüber der ursprünglichen Konfiguration des Fahrzeugs hat Hornsted eine Reihe von Änderungswünschen. Unter anderem erhält das Auto eine modifizierte Kühlermaske, einen aufsetzbaren Windabweiser und technische Modifikationen. Der Legende nach wird der gewaltige Auspuff des 21,5-Liter-Vierzylindermotors dabei durch den Anbau eines Ofenrohrs bis zum Fahrzeugheck verlängert.
Im November 1913 debütiert das nun blau lackierte Fahrzeug in Brooklands, und am 22. Dezember stellt Hornsted die ersten Rekorde auf. Doch damit gibt sich der junge Mann, der 1884 als Sohn des britischen Vizekonsuls in Moskau geboren wurde, nicht zufrieden und tritt im Januar 1914 mit dem Benz 200 PS zu insgesamt sieben weiteren Rekordfahrten an. Den Anfang macht er am 14. Januar mit Weltrekorden über 2 Meilen (122,05 mph, 196,38 km/h) und 5 Meilen (116,08 mph, 186,77 km/h) mit fliegendem Start. Fünf Monate später, am 24. Juni 1914, fährt Hornsted in Brooklands 1 Meile mit 124,12 mph (199,71 km/h). Dies ist der erste Rekord nach der neuen Zweiwegeregel, als DurchschnittsGeschwindigkeit von zwei Läufen in entgegengesetzten Richtungen. Das war zugleich die bis dahin schnellste in Brooklands überhaupt gemessene Geschwindigkeit. Im Juli erzielt Hornsted mit dem berühmten Fahrzeug beim Kilometerrennen in Ostende, Belgien, die beste Zeit der Rennwagen mit 189,5 km/h.
Noch im Jahr 1914 kehrt der Rekordwagen zu Benz & Cie. nach Mannheim zurück, wo er während des Ersten Weltkrieges in der Versuchsabteilung verbleibt. Nach Kriegsende montieren die Mechaniker des Mannheimer Unternehmens auf das Chassis des Hornsted-Wagens eine neue im klassischen Weiß lackierte Karosserie. Das Fahrzeug startet 1921 beim Eröffnungsrennen der Avus in Berlin und 1922 beim Kilometerrennen in Scheveningen in den Niederlanden. Im Juli 1922 geht der Wagen wieder nach Brooklands, wo er mit H. V. Barlow am Steuer erfolgreich einige Rennen bestreitet. Am 30. September 1922 wird der Wagen bei einem Unfall nahezu vollständig zerstört, als er am Ende eines Rennens über die Brüstung der nördlichen Steilwandkurve hinausschießt.
Quelle: Daimler AG