Neues Klassikermuseum in Einbeck: Der PS.Speicher

PS.Speicher Einbeck
PS.Speicher Einbeck
© Fotoquelle und Bildrechte: Michael Schlenger
Nur wenig nördlich von Kassel, aber schon im südlichen Niedersachsen liegt in abwechslungsreicher Landschaft das beschauliche Fachwerkstädtchen Einbeck. Einst ein wichtiger Industriestandort in der Region beherbergt Einbeck heute eines der sehenswertesten Klassikermuseen in Deutschland – den PS.Speicher. Seit 2014 ist dort in einem wunderbar erhaltenen mächtigen Ziegelbau der Gründerzeit – einem ehemaligen Getreidespeicher – die herausragende Sammlung des Einbecker Unternehmers und Oldtimer-Enthusiasten Karl-Heinz Rehkopf zu bestaunen.

Wer dort eine monotone Aneinanderreihung von Fahrzeugen erwartet, wird angenehm enttäuscht. Die Ausstellung ermöglicht eine brilliant in Szene gesetzte Zeitreise durch die Geschichte der Mobilität –vom Fahrrad über die Benzinkutsche bis zum Superbike der 1970er Jahre. Der Schwerpunkt liegt zwar auf Zweirädern, doch kommen auch Freunde historischer Automobile auf ihre Kosten. Die Fahrzeuge werden raffiniert präsentiert, mal in aufwendigen Dioramen, mal mit großformatigen Hintergrundbildern aus ihrer Entstehungszeit, oft ergänzt um zeitgenössische Werbung und Zubehör.

Besonders liebevoll gemacht sind die zahlreichen Kurzfilme, die die unterschiedlichen Epochen auf passende Weise wiederaufleben lassen, sei es im augenzwinkernden Stil von Stummfilmen der 1920er Jahre, sei es im grellen Stil der 70er. Immer wieder überrascht der erkennbar große Aufwand, der bei der Präsentation getrieben wurde. Hier wurde nicht gespart und auch nicht auf Standardbauteile zugegriffen. Die Szenerien wirken durchdacht und maßgeschneidert – die Macher müssen viel Freude an der Sache gehabt haben.

Sehr wirkungsvoll sind die häufigen paarweisen Gegenüberstellungen verwandter oder gar identischer Fahrzeuge. So wird ein Motorradtyp einmal in unrestauriertem Originalzustand und einmal auf neu gemacht präsentiert. Dann stehen Varianten aus Ost und West gegenüber, etwa der DKW 3=6 und sein ostdeutscher Cousin, der IFA F9. Ebenso kann man die Ingolstädter DKW RT 125 direkt mit der Zschopauer IFA RT 125 vergleichen. Bei den Zweirädern fällt die Dominanz schön patinierter Maschinen auf, darunter sehr viele aus deutscher Vorkriegsproduktion. Neben den großen Marken wie BMW, DKW, Horex, Triumph, Victoria und Zündapp sind auch zahlreiche Konfektionäre vertreten, die unter anderem den Sachs-98-Einbaumotor verwendet haben. In Einbeck selbst war seinerzeit ebenfalls ein solcher Produzent ansässig, das Fahrradwerk HWE. Ebenfalls eindrucksvoll präsentiert wird die Vielfalt an deutschen Rollermodellen der 1950er Jahre, auch hier sind Modelle aus BRD und DDR vereint und laden zum Vergleich ein.

Ein moderner Anbau – dessen architektonische Qualität und Materialanmutung mit dem historischen Bau leider nicht mithalten kann – bietet reichlich Platz für Sonderausstellungen, die ebenfalls aufwendig gemacht sind und mit unkonventionellen bis einzigartigen Fahrzeugen aufwarten können. Vermisst hat der Verfasser bei seinem Besuch nur ein Exponat: Den von Konstrukteuren der Auto Union nach dem Krieg auf russische Anweisung entwickelte Formel 2-Rennwagen Typ 650, der lange Zeit im englischen Donington als „Silberpfeil“ ausgestellt war und inzwischen zur Sammlung von Karl-Heinz Rehkopf gehört. Möglicherweise befand sich das historisch und technisch hochinteressante Stück als Leihgabe in einer anderen Ausstellung.

Wer sich übrigens zwischendurch stärken will, kann das in einem Seitentrakt des PS-Speichers in der „Genusswerkstatt“ tun. Auch im Kulinarischen setzt sich der Qualitätsanspruch fort, der dieses begeisternde neue Museum auszeichnet. Eine Klasse für sich ist auch der Museumsladen, der sogar alte Originalteile sowie antiquarische Bücher und Zeitschriften bereithält.

Fazit: Für die deutsche Klassikerszene ist der PS-Speicher eine unbedingte Bereicherung, hier kommen Jung und Alt voll auf ihre Kosten. Für den Besuch sollte man auf jeden Fall großzügig Zeit einplanen.

Text: Michael Schlenger