Inhalt des Beitrags
- In diesem Jahr feiert das Automobil seinen 130. Geburtstag
- Auch das Jahr 1951 hatte es in sich
- Der Goggo-Roller – Urahn der GLAS-Fahrzeugpalette
- Glas – das Familienunternehmen
- Der Goggo-Roller – kultig von Anfang an
- Aus dem Goggoroller wird das Goggomobil
- Goggo-Roller im Museum ErfinderZeiten in Schramberg
In diesem Jahr feiert das Automobil seinen 130. Geburtstag
Die entscheidende Initialzündung für alle Motorwagen setzten 1886 Carl Benz und Gottlieb Daimler. Weitere runde Geburtstage schließen sich an, genannt seien die Gründungen großer Marken wie z.B. Mercedes Benz (1926), BMW (1916) oder Rolls-Royce (1906).
Auch kleinere Meilensteine feiern ihr Jubiläum, so zum Beispiel der unvergessene elektrische Zigarrenanzünder, der vor 110 Jahren das Licht der Welt erblickte. Zu erwähnen wäre auch die Gurtpflicht die vor 40 Jahren eingeführt wurde oder die alle Autofahrer belastende Kfz-Steuer, die vor 110 Jahren zum ersten Mal die Staatskasse füllte.
Im Jahre 1956, exakt vor 60 Jahren drohte erstmals die Flensburger Verkehrssünder-Kartei den Autofahrern bei Verkehrs-Delikten mit einem Eintrag.
Auch das Jahr 1951 hatte es in sich
Vor 65 Jahren wehte noch der Wind des Aufbruchs durch Deutschland. Langsam begann man, wieder an die Zukunft zu glauben. Wirtschaftliche und politische Barrieren wurden weitgehend aufgehoben. Der Bundesminister für Wirtschaft Ludwig Erhard schaffte mit seiner eingeführten „Sozialen Marktwirtschaft“, ganz entgegen der Meinung vieler Fachleute, ein günstiges Klima für den Wiederaufbau der Wirtschaft in Deutschland. Es ging wieder bergauf. Bundespräsident Theodor Heuss, dessen ehemaliger Dienstwagen ebenfalls in Schramberg ausgestellt ist, stellte 1951 die neue Nationalhymne der Bundesrepublik vor. Auch sie spiegelte das wachsende Selbstbewusstsein der Deutschen wieder.
Bei den Fahrzeugen war es der Motorroller, der von Italien aus seinen Siegeszug nach Deutschland antrat. Der Motorroller mit Rundumschutz galt damals als komfortables Fahrzeug zu günstigem Preis. Das Jahr 1951 war auch das Geburtsjahr des sehr erfolgreichen „Goggo-Rollers“.
Der Goggo-Roller – Urahn der GLAS-Fahrzeugpalette
Hinter der Bezeichnung „Goggo“ verbirgt sich der Name des Familienunternehmens „Glas“. Bereits 1883 wurde das Unternehmen Glas gegründet. Mit einem engagierten Team wurden hochwertige Landmaschinen in Handarbeit hergestellt. Bald wurde die Firma zu einem der wichtigen Landmaschinenhersteller in Deutschland.
Aus Platzgründen verlegte man das Werk von Markt Pilsting nach Dingolfing (Bayern), das bald als „Goggo-Stadt“ bekannt wurde. Mit dem Beginn des 2. Weltkrieges hieß es für die Familie Glas durchhalten. Erst im Jahr 1948 ging das Werk von den Amerikanern wieder an die Familie Glas zurück. Nächtelang dachte Hans Glas über Auslastung der Produktionskapazitäten und die Zukunft des Unternehmens nach. Mit Landmaschinen und Alu-Bierkisten allein war der Betrieb dauerhaft nicht zu stemmen. Zudem war ihm bewußt, dass mit einem wieder aufstrebenden Industriestaat ein weiterer Rückgang bei den Landmaschinen kommen wird.
Mit großem Gespür für die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen beschloss er in den Kraftfahrzeug-Markt einzusteigen um Anschluss an die Nachkriegskonjunktur zu halten. Sein Sohn Andreas Glas hatte sehr großen Anteil an diesem Schritt. Auf seiner Italien-Reise entstand nämlich die Idee, die eine neue Ära bei der Firma Glas einläutete.
Andreas Glas begeisterte sich damals für die vielen flotten vollkarossierten Roller, die das italienische Straßenbild zierten. Im Vergleich zum Motorrad boten sie guten Schmutz- und Wetterschutz. Zuhause angekommen überzeugte er seinen Vater von der Idee einen Roller zu bauen. So startet das Unternehmen auf zwei Rädern in den Kraftfahrzeug-Markt, der kurz nach der Währungsreform noch völlig darnieder lag. Die Herren Glas waren davon überzeugt, dass ein bezahlbarer motorisierter Untersatz, der Traum eines jeden Normalverdieners in der aufblühenden Nachkriegszeit war.
Die ersten Prototypen des Goggo-Rollers entstanden nach kurzer Entwicklungszeit bereits am Anfang des Jahres 1951. Sie hatten noch 120 ccm Motoren. In Serie gingen die Roller im Juli 1951 mit 125 ccm Zweitaktmotoren und Dreigang-Getriebe.
Den Namen bekam der Goggo-Roller übrigens vom jüngsten Enkelsohn von Hans Glas, den man „Goggi“ rief.
An Fließbandproduktion war noch nicht zu denken, der Goggo-Roller wurde ganz in alter Handwerkermanier auf den vorhandenen Werkbänken der Landmaschinenfabrik zusammengebaut. Das Material war zu dieser Zeit noch sehr knapp und kontingentiert. Man griff auf die Werkstoffe der Landmaschinen-Produktion zurück. Den Motor lieferte Ilo. Lackiert wurden die Roller mit Farben, die man gerade bekam. Was Hans Glas in dieser kurzen Zeit auf die kleinen 8-Zoll-Räder stellte, konnte sich sehen lassen.
Parallel zur handwerklichen Produktion bauten Hans Glas mit seinen motivierten Mitarbeitern mit unglaublichem Einsatz die Produktionsanlagen, die Werkzeuge und das Fließband schließlich selbst. Der GLAS-Motorroller war somit der erste deutsche Motorroller, der in Groß-Serienproduktion gefertigt wurde.
Dank robuster Technik, guter Fahrleistungen und einem fairen Preis wurde er ein Bestseller. Der flotte Brummer erhielt innerhalb von 12 Monaten bei den ADAC-Zuverlässigkeitsfahrten einen wahren Medaillensegen. Insgesamt 43 Goldmedaillen, 9 Silbermedaillen, 4 Mannschaftspreise in Gold, 3 Mannschaftspreise in Silber und 4 silberne ADAC-Becher für die schnellste Zeit bei Roller-Sonderprüfungen. Das sprach sich herum. In der Werbung verstand man geschickt, die Vorzüge des Goggo-Rollers herauszuheben. Ein besonderer Schwerpunkt war dabei seine Reisetauglichkeit. Die wachsende Reiselust der Deutschen spielte hierbei eine große Rolle.
Die Modellpalette der Goggo-Roller wurde ständig erweitert. Dem 125 ccm Roller folgte schnell eine 150 ccm Version, auf Wunsch schon mit Seitenwagen und später der 200 ccm Roller. Bald standen sieben unterschiedliche Modelle mit oder ohne Seitenwagen zur Verfügung. Die Preise lagen zwischen 1.370 DM und 1.750 DM für die normalen Ausführungen. GLAS gehörte schon in kurzer Zeit zu den drei wichtigsten Motorroller-Herstellern Europas.
Glas – das Familienunternehmen
Die Arbeitsbedingungen, lockten viele in das wenig erschlossene niederbayerische Dingolfing. Bei GLAS sagte man herrschte ein Betriebsklima, in dem man sich sofort zu Hause fühlte. Auch die Lohntüten sollten für damalige Verhältnisse gut gefüllt gewesen sein, so dass man sich damit auch in der Großstadt sehen lassen konnte. Voraussetzung dafür – man musste fleißig arbeiten. Die Belegschaft schaffte in den besten Zeiten einen Roller in 4 1/2 Minuten vom Fließband rollen zu lassen. Das war eine Tagesproduktion von 120 Stück.
Hans Glas und seine Mannschaft schaffte es ihren ausgereiften Roller auf die Überholspur zu bringen und die schärfsten Konkurrenten Vespa und Lambretta hinter sich zu lassen.
Der Goggoroller – mit Seitenwagen – Das Familienfahrzeug des kleinen Mannes
Im Hause Glas beschäftigte man sich frühzeitig mit dem dritten Rad am Roller. Aus diesem Grund gab es neben herkömmlichen Rollern eine Ausführung mit Beiwagen.
Damit war der Goggo-Roller absolut reisetauglich. Das Goggo-Gespann war das Fahrzeug des kleinen Mannes, der sich kein Auto leisten konnte und doch mit der Familie verreisen wollte. Viele Goggo-Besitzer packten Zelt, Kleidung und Verpflegung in den Seitenwagen und genossen Camping-Romantik. Der mit Gepäck und zwei Personen beladene Roller fuhr immerhin Tempo 70 kmh.
Obwohl dem Beifahrer auf langen Strecken durch die niedrige Sitzposition dicht am Luftfilter ernsthafte Gehörschäden drohten – hieß es: “ Bella Italia, wir kommen“!
Die massiven Motorroller mit Beiwagen wurden echte Verkaufsschlager.
Der Goggo-Roller – kultig von Anfang an
Das Fahrzeug traf den Nerv, der nach Motorisierung schreienden Nachkriegsgeneration. Dazu galt der Roller als besonders formschön und elegant.
1954 wurde Deutschland nicht nur Fußballweltmeister, sondern es war auch das Jahr in dem der Produktionsrekord von 18.691 Stück erreicht wurde.
Sepp Herberger und seine Spieler wurden auf ihrem Siegeszug durch Deutschland auch nach Dingolfing eingeladen. Jeder Weltmeister erhielt von der Firma Glas einen der sehr populären „54er Goggo 200“ Motorroller. Zwölf Roller in Luxusausführung mit elektrischem Anlasser, standen als Geschenk für die Weltmeister bereit. Andreas Glas übergab die Fahrzeuge an die neuen Besitzern. Nach der Übergabezeremonie sollte jeder Spieler mit seinem neuen Roller eine Ehrenrunde drehen. Für Nichtfahrer waren sogar Fabrikfahrer engagiert. Doch Max Morlock, der Weltklasse-Stürmer, fuhr selbst, seine Frau Inge nahm auf dem Sozius Platz. Irgendwie spielte ihm wohl die Kupplung einen Streich und der Roller sauste los. Frau Morlock, nichts ahnend, wurde wie von einem störrischen Gaul abgeworfen – sehr zur Belustigung der jubelnden Dingolfinger.
Aus dem Goggoroller wird das Goggomobil
Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und dem damit verbundenen positiven Echo in der Fachpresse boomt der Absatz der ausgereiften und begehrenswerten Goggo-Roller.
Trotzdem tüftelte man unermüdlich bei GLAS hinter den Kulissen am Fortschritt. Es galt den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren. Hans Glas ahnte früh: „Wenn die Leute mehr Geld verdienen, steigen sie auf ein Auto um“. Als er 1952 am letzten Oktoberfest-Sonntag von München nach Hause fuhr und lauter miesgelaunte Motorrollerfahrer mit verzweifelt sich festklammernden Frauen auf dem Sozius durch den strömenden Regen fahren sah, fasste er den Entschluss, so rasch wie möglich ein autoähnliches vierrädriges Fahrzeug zu entwickeln, das unter 3000 D-Mark kosten und sich durch besondere Wirtschaftlichkeit auszeichnen sollte. Aus dem Goggo-Roller wird das Goggomobil – ein viersitziger Kleinstwagen mit einem Zweizylinder-Zweitaktmotor mit 250 Kubikzentimeter Hubraum.
Hans Glas hatte recht, schon bald zeigte sich, dass der Roller keine wachsende Zukunft mehr hatte. Wie dem Motorrad fehlte ihm das Dach, das die neuen Anzüge und Kleider gut verdienender Bundesbürger vor Regen und Schnee schützte.
Schon 1956 wurde die Produktion des Rollers eingestellt, um dem erfolgreichen neuen Goggomobil die ganze Aufmerksamkeit Teil werden zu lassen. Die Bauzeit des Goggo-Rollers beschränkte sich auf die Jahre zwischen 1951 bis 1957. Es wurden insgesamt 46.666 Roller gebaut. Heute ist ein Goggo-Roller eine echte Rarität.
Goggo-Roller im Museum ErfinderZeiten in Schramberg
Das Museum ErfinderZeiten in Schramberg präsentiert einen Goggo-Roller 150 aus dem Jahr 1952. Ein ganz frühes Modell und ein Goggo-Roller 200 mit Seitenwagen aus dem Jahr 1954, welchen wohl unsere grandiosen Weltmeister Fritz Walter und Co von der Firma Glas zu ihrem Erfolg erhalten haben.
Text und Fotos: Auto & Uhrenwelt Schramberg