Reorganisation und Nationalisierung der Auto- und Flugzeugindustrie folgte nach zwei Schlüsseldekreten (Dekrete des Präsidenten Edvard Beneš) im Jahre 1945. Betroffen waren 2868 Großbetriebe. In diesen Unternehmungen (über 500 Angestellte) gab es Betriebsräte und es formten sich Organisationen wie der Betriebsausschuss (ROH = Gewerkschaftliche Revolutionsorganisation), bestückt mit Personen aus der Kommunistischen Partei. Die Nationalisierung an sich sollte nicht den Abgang der Eigentümer aus den Unternehmungen bedeuten, besonders derjenigen, die das betreffende Unternehmen leiteten.
Anders war es bei kleinen Unternehmungen. Die wurden erst nach Februar 1948 verstaatlicht und bis dahin war hier die Situation günstiger. Es wäre aber irrtümlich vorauszusetzen, dass all diese Veränderungen unmittelbar nach dem kommunistischen Umsturz durchgelaufen sind. Der Prozess dauerte bis in die Hälfe der Fünfzigerjahre und die Übernahme der Unternehmungen fing zuerst mit den großen Firmen an. Als letzte kamen Gewerbsleute an die Reihe, die allein arbeiteten. Im Unterschied zu den Nachbarstaaten, die unter dem Einfluss der UdSSR standen, war die Tschechoslowakei wahrscheinlich die einzige, wo private Unternehmen völlig ausgerottet wurden.
Mitte Juni 1945 erlies der Industrieminister Bohumil Lausman, gestützt auf das Beneš-Dekrets Nr. 5, dass in 24 bedeutenden Industriebetriebe eine provisorische Nationalverwaltung einzusetzen ist. Im § 3 heißt es ausdrücklich: „Die Nationalverwaltung ist in alle Betriebe einzusetzen, wo es die Aufrechterhaltung eines störungsfreien Betriebes und wirtschaftlichen Lebens erforderlich macht, im Speziellen in Betrieben die in den Händen von „staats-unzuverlässigen“ Personen sind.“ Zu diesen Betrieben ist auch AERO höchst-wahrscheinlich zu zählen. Das Dekret vom 25.08.1945 sah die Nationalisierung der Banken, Bergwerke und der Schwerindustrie mit mehr als 500 Mitarbeiter vor.
Anfangs Jahr 1946 erschien ein Artikel im „Rude Pravo“ (Rotes Recht) über „Missstände“ die auch in AERO herrschen: Verstaatlichung nicht in der Praxis vollzogen… Herr Kabes sen. soll die Zeitung mit diesem Artikel gelesen haben, die Zeitung abgelegt, seinen Mantel genommen und für immer die Firma AERO verlassen haben. Am 25.02.1946 schrieb JUDr. Kabes jun. eine Mitteilung an die Arbeiterschaft in der Firma, dass er die Firma verlassen werde. Unter dem politischen Druck kündigte er zum 30.06.1946 (?).
Am 28.03.1946 stimmt die tschechoslowakische provisorische Nationalversammlung diesen Verstaatlichungsgesetzen zu und verabschiedete das Verfassungsgesetz Nr. 57/1946 Sb., das alle präsidialen Dekrete zu Gesetzen machte und somit Bestandteil der Gesetze- und Verordnungssammlung in der Verfassung wurde.
Im Mai 1948 verweigerte Präsident Beneš noch die Unterschrift unter die neue kommunistische Verfassung,
am 07.06.1948 trat er zurück. Sein Nachfolger wurde Klement Gottwald (Vorsitzender der Kommunistischen Partei und Vorsitzender der Nationalen Front).
Aero und Sodomka
Die Firma Carrosserie Sodomka Vysoké Mýto, arbeitete eng mit Aero zusmmen. Sie erfüllte die Kriterien der Nationalisierung zunächst nicht (hatte weniger als 500 Angestellte). Nationalisiert wurde sie daher erst am 28. Juni 1948. Auch nach der Verstaatlichung behielt J. Sodomka den Direktorsposten, da er sich einer großen Unterstützung der Angestellten (angeblich auch der dortigen Kommunisten) freute. In den Fünfzigerjahren war es aber für die Kommunistische Partei undenkbar, dass ein ehemaliger Besitzer diese Funktion bekleiden könnte und so musste man irgendeine staatsfeindliche Aktivität inszenieren und ihn dafür verurteilen. So ist es übrigens Tausenden von fähigen, fleissigen und talentierten Leuten ergangen.
Diese Abhandlung wurde zusammengestellt von Michael Strauch aus Auszügen von Veröffentlichungen und Informationen von Herrn JUDr. Kabes jun. (Firma AERO), Herrn Jaroslav Matoulek (Mitautor von ‚Kbely Letiste na okraji Prahy‘), Herrn Karel Jicinsky (Autor Automobily AERO a jejich doba), Herrn Dr. Jirka Pollak (Motorjournalist) für Texte, Dokumente und Übersetzungen, Herrn Josef Knourek (ACC Praha, Redakteur Aerovkar) und Herrn Karel Sebesta (ACC Praha). Ich bedanke mich für die Unterstützung bei den oben genannten Personen recht herzlich.