Tipps: Massenunfall, Wild-/Tierschaden – Was ist zu tun?

Abwicklung von Massenunfällen

Das typische Beispiel für einen Massenunfall im versicherungstechnischen Sinn ist der Nebelunfall auf der Autobahn oder der Blitzeis-Unfall.

Von einem Massenunfall wird bereits gesprochen, wenn mindestens 20 Fahrzeuge in eine Karambolage verwickelt sind und der Unfallhergang nur schwer nachvollziehbar ist. Bei solchen Unfällen ergeben sich oftmals Beweisprobleme für den Geschädigten. Rettungskräfte veranlassen meistens, dass noch fahrfähige Fahrzeuge zur Seite geschafft werden, andere werden mit technischen Hilfsmitteln von der Unfallstelle entfernt, um verletzte Personen versorgen zu können. Die Spurensicherung findet nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt statt.

Porsche 356 - Ausführung Polizei
Porsche 356 – Ausführung Polizei

Dies ist nicht nur für die beteiligten Autofahrer eine ungute Situation sondern auch für die Versicherer, die mit der Schadensregulierung befasst sind. Daher haben die Versicherer schon vor über 30 Jahren Regelungen zu einer praktikablen Abwicklung von Massenunfällen getroffen. Diese Regelungen werden von Zeit zu Zeit verändert. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) hat diese Vereinbarungen der deutschen Kraftfahrtversicherer zur Schadenregulierung nach Massenunfällen zugunsten der Unfallbeteiligten im letzten Jahr wieder einmal geändert.

Ganz aktuell sieht eine solche Regulierung nunmehr folgendermaßen aus:
Nach den neuen Regeln werden die Schäden grundsätzlich in voller Höhe von den Kfz-Haftpflichtversicherern der beteiligten Fahrzeuge übernommen. Dies ganz unabhängig davon, ob für das verunfallte Fahrzeug eine Kaskoversicherung bestand oder nicht. Und noch ganz wichtig: Bei der Regulierung eines Massenunfalls wird der Schadenfreiheitsrabatt des Halters nicht belastet.

Voraussetzungen für die Regulierung als Massenunfall

Für eine solche freiwillige Regulierungsaktion müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
1. Die Polizei darf keinen Verursacher festgestellt haben.
2. Es müssen mindestens 40 Fahrzeuge beteiligt gewesen sein; ist der Unfallhergang nur schwer nachvollziehbar, reichen auch bereits 20 beteiligte Fahrzeuge.
3. Das gesamte Unfallgeschehen muss in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang
stattgefunden haben.

Fast alle Versicherungsunternehmen lassen die Vereinbarung gegen sich gelten. Eine jeweils aktuelle Liste der teilnehmenden Versicherungsunternehmen an der Schadenregulierung nach Massenunfällen ist auf der Homepage des GDV als PDF-Dokument veröffentlicht.

Wie läuft die gemeinsame Regulierung ab?

Die Lenkungskommission des GDV entscheidet aufgrund der Unfallschilderungen der Polizei, ob eine gemeinsame Regulierungsaktion eingeleitet wird oder nicht. Bei einer gemeinsamen Aktion werden ein oder mehrere Kfz-Haftpflichtversicherer mit der zentralen Regulierung der Sach- und Personenschäden beauftragt. Die regulierenden Versicherer schreiben die an dem Massenunfall beteiligten Geschädigten, soweit sie ihnen bekannt sind, an und benennen die Ansprechpartner zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

Niemand wird zur Teilnahme an einer solchen Regulierung gezwungen. Die Geschädigten können immer frei entscheiden, ob sie an der gemeinsamen Regulierungsaktion teilnehmen oder nicht. Falls sich ein Geschädigter gegen die Teilnahme entscheidet, liegt es an ihm, den konkreten Schädiger zu ermitteln und die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen.

Wild- und Tierschaden

Gerade Herbst häufen sich Unfälle mit Wild. Ansprüche gegen den Jagdpächter, Waldbesitzer oder die für den Straßenabschnitt zuständige Behörde gibt es in der Regel nicht, weil Wild im juristischen Sinne eine herrenlose Sache ist. Etwas anderes gilt nur im Rahmen von Jagdveranstaltungen. Bei Treib- und Drückjagden sind die Jagdveranstalter verpflichtet, das Wild nicht in Richtung befahrender Straßen zu treiben und dadurch die Wildwechselgefahr über verkehrsreiche Straßen zu erhöhen.

Vor besonderen Gefahrenstellen wie etwa Wildwechselstellen oder Gegenden mit hoher Wilddichte muss das Verkehrszeichen „Wildwechsel“ angebracht sein. Fehlt der Hinweis auf die Gefahrenstelle kann der Träger der Straßenbaulast für den Wildschaden – ausnahmsweise – eintrittspflichtig sein.

Treten z. B. in einem Straßenabschnitt häufig Wildwechsel auf, muss die für diesen Straßenabschnitt zuständige Stelle (Gemeinde, Stadt, Landkreis, Land, Bundesautobahnverwaltung) zumindest durch Schilder hiervor warnen und unter Umständen die Höchstgeschwindigkeit einschränken. Unterlässt sie dies, kommt eine Haftung unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung in Betracht.

Wer kommt grundsätzlich für Ersatzleistungen in Frage?

Kostenerstattung durch Teilkaskoversicherung
Die Teilkaskoversicherung ersetzt meist Schäden am Fahrzeug, die durch einen Zusammenstoß mit Haarwild entstanden sind.
Zum Haarwild gehören beispielsweise Wildschwein, Reh, Hirsch, Fuchs oder Hase; Unfälle mit Federwild sind dagegen nicht bei allen Versicherungen mitversichert. Einige Versicherungen bieten Versicherungsschutz für Unfälle mit sämtlichen Tieren an. Abgedeckt
sind in diesem Fall sogar Unfälle mit Haustieren.
Kostenerstattung durch Vollkaskoversicherung
Können Sie nicht nachweisen, dass der Schaden am Fahrzeug durch den Zusammenstoß mit Wild oder infolge von Ausweich- oder Bremsmanövern entstanden ist, kann der Schaden über die Vollkaskoversicherung reguliert werden. Zu beachten ist allerdings, dass bei Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung eine Rückstufung in eine ungünstigere Schadenfreiheitsklasse erfolgt.
Tierkollisionsbeihilfe des ADAC e. V.
Der ADAC ersetzt seinen Mitgliedern bei Tierkollisionen Schäden bis zu 300 Euro, soweit der Schaden nicht durch eine Versicherung ausgeglichen wird. Bestehende Versicherungen sind vorrangig in Anspruch zu nehmen. Diese Clubleistung gilt nur für Schäden am eigenen Fahrzeug des Mitglieds, unabhängig davon, wer das Fahrzeug geführt hat.

Weitere Ausführungen entnehmen Sie bitte dem Merkblatt, das Sie im Schadenfall zusammen mit dem Schadenmeldungsformular schriftlich anfordern können bei ADAC e. V., Tierkollision – GKS, Hansastraße 19, 80686 München.

„Sonderfall“ Ersatz Rettungskosten bei Ausweich-/Bremsmanövern

Wird der Schaden nicht durch das Wild direkt verursacht, sondern entsteht der Schaden durch einen Ausweichversuch ohne Berührung mit dem Wild, so kann Ersatz von der Teilkaskoversicherung unter dem Aspekt „Rettungskosten“ gefordert werden. Weicht ein Autofahrer einem Tier aus, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, so sind die Folgeschäden grundsätzlich nicht durch die Teilkaskoversicherung gedeckt. Ein Ausweichmanöver als „Rettungsmaßnahme“ ist jedoch erlaubt. Damit ist nicht die Rettung des Tieres, sondern vielmehr die Vermeidung eines Schadens am Auto gemeint. Kommt es dabei zum Unfall, kann der Autofahrer Schadensersatz vom Versicherungsträger verlangen. Dabei gilt: Der drohende Schaden muss stets größer sein als das freiwillig eingegangene Schadensrisiko (Bundesgerichtshof AZ IV ZR 276/02). Dies ist nur bei großen Tieren wie Reh oder Wildschwein der Fall. Ein Ausweichmanöver vor einem Hasen gilt nicht als Rettungsmaßnahme – der Fahrer geht bei der Teilkaskoversicherung leer aus (Bundesgerichtshof AZ 1V ZR 321/95).

Beweispflicht/Beweislast und Verhalten nach dem Unfall

Der geschädigte Autofahrer bzw. der Fahrzeughalter muss wissen, dass er für den Wildschaden gegenüber seiner Kaskoversicherung beweispflichtig ist. Wildschäden sollten daher unverzüglich bei der Polizei oder dem Jagdpächter gemeldet werden. Die Polizei oder der Jagdpächter müssen in diesen Fällen eine sog. Wildschadensbescheinigung ausstellen. Diese erleichtert die spätere Beweisführung. Sie wird auch regelmäßig von den Versicherern im Rahmen der Schadensmeldung verlangt, nur bei Kleinschäden wird darauf verzichtet.

Wenn der Geschädigte nach dem Wildunfall – was wohl zumeist so ist – nicht den Jagdpächter oder Förster kennt, sollte im Zweifel immer die Polizei kontaktiert werden. Diese kann und wird dann dem Autofahrer gegebenenfalls Jagdpächter oder Revierförster nennen. Der Autofahrer sollte auch darauf hinzuwirken, dass die Polizei, der Jäger oder der Förster einen Verkehrsunfall mit Wild nicht nur ungeprüft protokolliert, sondern dass diese am Unfallort und in seiner näheren Umgebung sowie am betroffenen Kfz selbst eine gründliche Spurensuche durchführen. Dies ist vor allem dann wichtig, wenn das Wild nach der Kollision nur verletzt wurde und flüchten konnte. Die Schäden sowie Blutflecken und Haarreste an der Karosserie müssen dokumentiert und bestätigt werden, ebenso, welche Tierart für den Unfall die Ursache war. Selbstverständlich sollte auch der Geschädigte selbst – unabhängig von der offiziellen Unfallaufnahme – großzügig Fotos an der Unfallstelle machen und Personalien von Zeugen notieren, sofern solche vorhanden sind.

Unfallspuren am Auto dürfen nicht beseitigt werden, bevor die Versicherung oder ein von ihr beauftragter Sachverständiger diese begutachten konnten.

Sonderfall Schadenverursachung durch Hunde und Pferde

Hunde zählen ebenso wie Pferde zu den Luxustieren. Für diese haftet grundsätzlich deren Halter, auch wenn er kein Verschulden an dem Unfall trägt (weil der Hund zum Beispiel frei herumstreunt). Es gilt hier die sogenannte „Gefährdungshaftung“. Ausnahmen von der Gefährdungshaftung gibt es nur, wenn Tiere beruflich gehalten werden oder dem Unterhalt des Besitzers dienen, z. B. also Schutzhunde von Nachtwächtern oder Blindenhunde. Der Halter haftet bei diesen Tieren nur dann, wenn ihm nachgewiesen werden kann, dass er sein Tier nicht ausreichend beaufsichtigt hat.

Wem gehört angefahrenes Wild?

Angefahrenes Wild gehört dem zuständigen Jagdpächter. Es darf nicht mitgenommen werden. Wer das Wild mitnimmt, macht sich strafbar.

Bremsen für Tiere

Wer zahlt, wenn wegen eines Tieres stark gebremst wurde und ein anderer Verkehrsteilnehmer deshalb auf das bremsende Kfz auffährt? Kommt es zu einem Auffahrunfall, weil der Vorausfahrende wegen eines Tieres stark abbremst, so stellt die Rechtsprechung darauf ab, wie groß das Tier war, wegen dem gebremst wurde: Wer wegen eines kleinen Tieres, z. B. einem Igel oder Enten, bremst, um es nicht zu überfahren, muss damit rechnen, eine Mitschuld angerechnet zu bekommen, wenn der andere auffährt.

Bei größeren Tieren wird die Gefahr für Personen bei einem Zusammenstoß bei der Abwägung berücksichtigt.

Sonderfall „Marderbiss“

Viele Kaskoversicherer gewähren auch bei Schäden durch Marderbiss Ersatzleistungen im Rahmen der Kaskoversicherung. Zumeist ist der Marderbiss in der Teilkaskoversicherung enthalten, bei einigen Versicherern auch in der Vollkaskoversicherung. Im Schadensfall muss der Versicherungsnehmer zunächst klären, ob sein Versicherer überhaupt den Marderbiss versichert hat und gegebenenfalls, in welcher Art der Kaskoversicherung.

Die meisten Kaskoversicherer ersetzen nur den unmittelbaren Schaden an dem Fahrzeugteil, welches das Tier direkt beschädigt hat, z. B. den angebissenen Kühlwasserschlauch. Die weit teureren Folgeschäden, die z. B. durch den Kühlwasserverlust am Motor entstehen oder auch Schäden insbesondere an der Fahrzeugelektronik oder am Katalysator sind meist nicht im Versicherungsumfang enthalten. Solche Folgeschäden werden nur von wenigen Versicherern gedeckt, zudem ist dann meistens die Ersatzsumme begrenzt.

Da auch diesbezüglich die Versicherungsbedingungen stark voneinander abweichen, muss im Schadensfall individuell geprüft werden, welche Leistungen in den jeweils gültigen Allgemeinen Kraftfahrzeugversicherungsbedingungen (AKB) vereinbart sind.

Für Anregungen und Fragen rund um das Verkehrsrecht stehen Ihnen, wie auch allen Mitgliedern der ADAC Ortsclubs, die Clubjuristen unter der Rufnummer (0 89) 76 76 – 24 23 oder per Mail unter recht@adac.de gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leiter Juristische Zentrale

Quelle: ADAC