Röhr 8 mit Autenrieth Karosserie – Höhepunkt der Markenhistorie

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war in Deutschland vom Aufstieg und Niedergang zahlloser Automobilmarken geprägt, die heute oft nur noch Spezialisten geläufig sind. Es ist faszinierend zu sehen, wie sich in dieser turbulenten Epoche aus oft bescheidenen Anfängen zukunftsweisende Konstruktionsprinzipien herausbildeten, die die eigentlichen Urheber überlebten. Die wechselhafte Geschichte der Marke Röhr ist ein anschauliches Beispiel dafür.

Die Produktion von Röhr-Automobilen hat eine interessante Vorgeschichte: Nach Ende des 1. Weltkriegs taten sich der ehemalige Jagdflieger Hans Gustav Röhr und der Flugzeugingenieur Joseph Dauben zusammen, um nach neuartigen Prinzipien Automobile zu entwickeln. Bei wechselnden Arbeitgebern schufen sie zwischen 1919 und 1924 einige Prototypen mit hochmodernen Merkmalen wie Einzelradaufhängung, Tiefbett-Kastenrahmen und Leichtbauweise.

Röhr 8 mit Autenrieth Karosserie
Röhr 8 mit Autenrieth Karosserie (Einzelstück)

Erst 1926 gelang es Röhr, mit dem Industriellen Hugo Greffenius einen Geldgeber für die Produktion von Fahrzeugen nach seinen Vorstellungen zu gewinnen. Dazu wurde die Röhr Auto AG gegründet, die noch im selben Jahr das Werksgelände der insolventen Falcon-Automobilwerke in Ober-Ramstadt bei Darmstadt übernahm. Die Firma Falcon ist einen kurzen Seitenblick wert: Sie baute ab 1922 zwei 4-Zylinder-Modelle, insgesamt wohl rund 400 Wagen. Die Aufbauten stammten u.a. von den Karosseriewerken Georg Autenrieth in Darmstadt. Wie andere Manufakturhersteller auch fielen die Falcon-Werke dem großen Markensterben in der deutschen Automobilindustrie Mitte der 1920er Jahre zum Opfer.

Für die Produktion von Röhr in Ober-Ramstadt entwarf Chefkonstrukteur Dauben einen Wagen mit 8-Zylinder-Motor – den Röhr 8. Dabei nutzte er die bei den vorherigen Prototypen gemachten Erfahrungen. So verfügte der ab 1927 gebaute Röhr 8 über einen aus Blech gefertigten Tiefbett-Kastenrahmen, der eine niedrige Bauweise und geringes Gewicht ermöglichte. Für einen ganz neuen Fahrkomfort sorgte zudem die Einzelradaufhängung an beiden Achsen.

Allerdings überzeugte der Motor in punkto Leistung (40 PS) und Verbrauch nicht. Nach rund 100 Exemplaren wurde der Röhr 8 daher 1928 mit einem größeren Motor ausgestattet, der nun 50 PS leistete. Auf der Automobilausstellung in Berlin 1928 sorgte die richtungsweisende Konstruktion des neuen Röhr 8 Typ R 9/50 PS für Aufsehen. Der Absatzerfolg ließ nicht auf sich warten: bis 1930 wurden mehr als 1.000 Wagen gebaut. Die Serienkarosserien lieferte meist Autenrieth in Darmstadt.
1930 stellte Röhr auf der bewährten Basis einen neuen Motor mit 2,5 Liter und 55 PS vor. Doch der nun als Röhr 8 Typ RA bezeichnete Wagen verkaufte sich angesichts der Weltwirtschaftskrise nur schleppend. 1931 musste die Röhr AG 1931 Konkurs anmelden. Gustav Röhr und Chefkonstrukteur Dauben wechselten daraufhin zu Adler nach Frankfurt.

Die Konkursmasse der Röhr Auto AG übernahm 1931 eine Schweizer Holdinggesellschaft. Das Unternehmen wurde in Neue Röhr Werke AG umbenannt und fertigte zunächst den Röhr 8 Typ RA weiter. 1932 wurde ein größeres Modell vorgestellt, der Typ F. Das Chassis basierte auf Entwürfen der Vorgängerfirma, der Motor war jedoch eine Neukonstruktion. Der 3,3 Liter 8-Zylinder mit 75 PS war eine ursprünglich für Wanderer gedachte Entwicklung des Konstruktionsbüros Porsche. Die Maschine, die kopfgesteuerte Ventile aufwies, ermöglichte eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

Vom F-Modell wurden bis 1934 rund 250 Wagen ausgeliefert. Nach wie vor war Autenrieth der bevorzugte Karosserielieferant. Dabei fertigten die Darmstädter auch eine extravagante Stromlinienvariante, die im folgenden Video zu sehen ist. Dieses herrliche Fahrzeug kehrte nach langen Jahren in den USA nach Deutschland zurück – in bemitleidenswertem Zustand. Der neue Besitzer unterzog den Wagen einer langwierigen Vollrestaurierung. Mangels erhaltbarer Originalsubstanz musste vieles nachgefertigt werden, dabei wurde erkennbar kein Aufwand gescheut.

https://youtu.be/9BeVao-7id8
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Das Video zeigt den Röhr 8 mit Autenrieth Karosserie im Schloss-Park Schwetzingen anlässlich der Vorstellung der Programmpunkte für die Classic-Gala Schwetzingen 2015.

Unter den wenigen überlebenden Röhr 8 ist dieses Fahrzeug zweifellos eines der großartigsten. Wagen wie dieser erinnern daran, dass gehobene Automobile in der Zeit vor dem 2. Weltkrieg oft mehr waren als nur Fortbewegungsmittel: sie waren rollende Kunstwerke. Schwer verständlich ist indessen, dass ein so hochwertiger Wagen wie der Röhr 8 nur über eine 6-Volt-Elektrik verfügte. Ein Beispiel dafür, dass es Anfang der 1930er Jahre anders ging, ist die Mittelklasse-Limousine L760 des französischen Herstellers Licorne, die bereits eine 12 Volt-Elektrik aufwies.

Gleichzeitig zeigte Ford mit dem auch in Deutschland gefertigten V8, dass leistungsmäßig ebenfalls mehr möglich war.

Wie ging die Geschichte der Marke Röhr weiter? Angesichts der mageren Absatzzahlen des 8-Zylinder-Modells übernahm Röhr 1933 von Detra in Frankfurt die Lizenzproduktion des Tatra Typ 75. Der Wagen wurde dann mit anderem Motor als Röhr Junior verkauft. Die Karosserien für die Cabrio-Version kamen übrigens wieder von Autenrieth. Mit Einzelradaufhängung rundum kam der Röhr Junior am Markt sehr gut an. Allerdings versäumte es Röhr, die Produktion zu rationalisieren. Ein Reinfall war zudem der 1934 vorgestellte Röhr 8 FK Olympier. Der von Porsche entwickelte Wagen verfügte über einem 8-Zylinder-Kompressormotor mit 100 PS und die Drehstabfederung des späteren VW Käfer, verkaufte sich aber nur in wenigen Exemplaren.

Die sich zuspitzende finanzielle Lage von Röhr mündete 1935 in ein Vergleichsverfahren mit den Gläubigern, in dessen Verlauf die Firma zerlegt wurde.

Noch im selben Jahr rollte der letzte Röhr Junior aus den Fabrikhallen in Ober-Ramstadt. Die Lizenz für den Wagen übernahm Stoewer in Stettin, wo das Modell als Greif Junior bis 1939 weitergebaut wurde. Damit verloren sich 20 Jahre nach den ersten Entwürfen von Gustav Röhr die letzten Spuren der Marke. Von den rund 4.000 gebauten Röhr-Automobilen haben nur einige Dutzend überlebt.

Original-Anzeige Stoewer Greif Junior
Original-Anzeige Stoewer Greif Junior © Fotoquelle: Sammlung Michael Schlenger

Zusammenstellung: Michael Schlenger
Hauptquelle: www.roehrauto.de