Ausstellung 110 Jahre Zürcher Automobilbau

In der Messe Oerlikon Zürich wurde die Ausstellung «110 Jahre Zürcher Automobilbau» im Rahmen der Weihnachts-Sammlerbörse 2014 gezeigt. Die Ausstellung organisierte das Swiss Car Register, unter fachlicher Aufsicht vom Oldtimer-Experten Herrn R.Temperli und Oldtimerhistorie-Kenner Urs-Paul Ramseier. Das Patronat übernahm das Verkehrshaus Luzern, das auch einige Leihgaben beisteuerte.

Im Zentrum der Ausstellung standen Fahrzeuge, die einen Bezug zu Zürich haben und die lokale Handwerks- und Designkunst wiedergaben.

110 Jahre Züricher Automobilbau
110 Jahre Züricher Automobilbau © Fotoquelle und Bildrechte: Verkehrshaus CH

Turicum 1904

Das älteste Fahrzeug ist ein offener Einsitzer der Marke Turicum aus dem Jahr 1904, der zweite Prototyp. Die Karosserie stammt von Tüscher, Zürich. Sehr speziell an diesem Fahrzeug sind einige Konstruktionen am Turicum. Der Motor besteht aus zwei gegenläufigen Kolben. Das kleine 1-Zylinder-Aggregat mit 359 ccm entwickelte 8 PS. Gelenkt wurde mittels gewöhnungsbedürftiger Fusslenkung und der Antrieb erfolgte über ein unkonventionelles Reibradgetriebe. die eine ruckfreie Schaltung ermöglichte. Dieses Getriebe war seiner Zeit weit voraus. Die Doppel-Federung der Vorderachse mittels halbeliptischer Feder wurde vom Prinzip der Uhrenindustrie abgeleitet. Gefahren wurde über patentierte Metallspeichenräder, die später oft kopiert wurden. Konstrukteure des Turicum waren Martin Fischer und P.Vorbrodt.

Das ausgestellte Unikat ist eines der zwei erhaltenen Exemplare und wurde als Leihgabe vom Verkehrshaus Luzern zur Verfügung gestellt.



Ausstellung 110 Jahre Züricher Automobile
Ausstellung 110 Jahre Züricher Automobile © Fotoquelle und Bildrechte: Dr. Georg W.Pollak, sc.

FISCHER 10/20 1908-1914

Der FISCHER 10/20, wurde im Zeitraum zwischen 1908 -1914 vom Turicum-Konstrukteur Martin Fischer gebaut. Er besaß einen Schiebermotor, der aus einem Hubraum von 2,8 Liter 33 PS produzierte. Fischer war auch Inhaber mehrerer Patente, zum Beispiel für eine Radwechselvorrichtung, Kraftübertragung mittels besonderer Verzahnung.

Tüscher Karosserie auf Fremdchassis

ahrendes Chassis S.S. Baujahr 1938 - Karosserie Tüscher
Fahrendes Chassis S.S. Baujahr 1938 – Karosserie Tüscher © Fotoquelle und Bildrechte: Dr. Georg W.Pollak, sc.

Das Chassis und Technik des SS von 1938, Hersteller S.S. Cars Coventry, später Jaguar, wurden mit einer Karosserie von Tüscher eingekleidet. Der Wagen mit Antrieb eines 6-Zylinder-Motors mit 2,5 Liter Hubraum wurde vor 40 Jahren renoviert. Das Cabrio befindet sich heute in 2. Hand.

Delahaye 135 Coupé des Alpes 1938

Eine Augenweide ist der Delahaye 135 Coupé des Alpes, Baujahr 1938, mit einer Karosserie von Tüscher. Die Werkstätte Tüscher in Zürich baute auf das französische Chassis in Einzelanfertigung eine Karosserie. Von diesem Typ wurden nur vier Fahrzeuge hergestellt. Bestellt wurde der Delahaye von Frau Bühler, Gattin eines Winterthurer Bankdirektors. Die Farbkombination entnahm sie einer mitgebrachten Zitrone und Streichholz, was im Auftragsbuch vermerkt wurde. Einmalig ist die kontrastierende Lackierung der Kotflügel, da nur am Heck ausgeführt. Die Kotflügel wurden durch eine gleichfarbige massive Zierleiste mit der vorderen Karosserie technisch und optisch verbunden.

Delahaye 135 Coupé 1938
Delahaye 135 Coupé 1938 © Fotoquelle und Bildrechte: Dr. Georg W.Pollak, sc.

Das Prachtstück wurde nur wenig gefahren, dann und wann von der Direktorengattin, die durch ihre auffällige Kleidung in der Stadt bekannt war. Der Delahaye, mit sehr geringer Kilometerleistung von 55.000 km, ist im Originalzustand erhalten und befindet sich in dritter Hand. Der Lack stammt aus der damaligen Zeit, lediglich die Räder und Stoßstangen wurden vor 30 Jahren neu verchromt. Der heutige Besitzer, Herr Temperli, war mit diesem Delahaye erfolgreich bei mehreren Concours d’Elegance. Robert Temperli erklärt gerne Details, die zum Betrieb dieses außergewöhnlichen Wagens gehören, zum Beispiel das elektromagnetische Getriebe. Die Vorwahl geschieht an einer Minikonsole die links am Lenkrad angebracht ist. Die Rückwärtsbewegung wird durch das Umschalten des Getriebes mittels konventionellen Schalthebels erledigt. Dabei ist Vorsicht angebracht, denn die Untersetzung ist so klein und das dadurch entwickelte Drehmoment so stark, dass die kurze Achswelle gerne bricht. „So eine Achswelle sollte man immer im Kofferraum bereit haben“ betont der Besitzer aus eigener Erfahrung.

Beinahe wie ein großes Spielzeugauto sieht der Rapid aus. Josef Ganz konstruierte diesen «Minimal-Volkswagen» mit einem Gegenkolbenmotor. Das Image der Firma Rapid als Herstellerin von Landmaschinen verhinderte aber den wirtschaftlichen Erfolg. Nach einer Vorserie von 36 Wagen wurde die Produktion bereits wieder eingestellt.

Josef Ganz’s Volkswagen

Josef Ganz’s Volkswagen wurde bei «Rapid Maschinen und Fahrzeuge AG» in Dietikon ZH nach den Plänen vom berühmten Konstrukteur gebaut. Dass Ganz nicht der rechtmässige Erfinder des deutschen Volkswagens (Volkswagen Standart) ist, «verdankt» er den Wirren damaliger Zeit und dem Einfluss seines Konkurrenten F. Porsche, der bei der Obrigkeit besser angesehen war.
 Dieses Auto sollte die Mobilität in der Nachkriegszeit einer breiten Masse ermöglichen. Das Firmenimage und wachsende Konkurrenz, sprachen gegen eine erfolgreiche Vermarktung und so wurden 1946 nur 36 Exemplare gebaut. 


Fotos zu 110 Jahre Zürcher Automobilbau

Futuristisch sieht der Prototyp Rinspeed Micro Max aus. Das nicht einmal vier Meter lange Fahrzeug wartet mit einem zukunftsweisenden Mobilitätskonzept der ETH Zürich auf (Abbildung siehe Plakat der Ausstellung).

Grimsel Elektroauto

Das Grimsel Elektroauto der ETH Zürich wurde 2014 Weltmeister und besitzt vier Nabenmotoren wie der Lohner-Porsche vor 100 Jahren. Die Monocoque-Karosserie besteht aus Kohlefasern. Der Abntrieb leistet 200PS und beschleunigt auf 100 kmh in nur 1,785 Sekunden. Das Gefährt wiegt lediglich 168 Kg und hat damit eine überragendes Leistungsgwicht.

Der sehr große «Hochlenker» Bus von 1961 der öffentlicher Verkehrsbetriebe Zürich, gebaut ebenfalls von Tüscher, ergänzt die Ausstellung der Züricher Fahrzeuge.

Automobilbau in der Schweiz

Vollständigkeitshalber wird ergänzt, dass es im Zeitraum seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 60er-Jahre in der Schweiz an die 200, zumeist kleinere Betriebe, mit dem Fahrzeugbau beschäftigten. Den Rahmen sprengten nur die Luxus Sportwagen vom Hersteller Peter Monteverdi in Basel. Weiterhin gab es noch etwa 80 Karosseriewerke.

Urs-Paul Ramseier ist ein direkter Nachkomme der berühmten Karosserieschmiede Worblaufen bei Bern. Der Besitzer, F.Ramseier bekleidete «Rolling Chassis» für betuchte Kunden und zwar in außerordentlich guter Qualität. So haben sich zum Beispiel von sieben hergestellten Delahaye deren fünf erhalten, zum Teil im makellosem Zustand.

Die Firma Worblaufen arbeitete von 1929 bis 1959. Die Produktion musste eingestellt werden, da es auf dem Markt kaum noch Autos mit Chassis gab. Bis dahin baute Ramseier Karosserien für Alfa Romeo, Bentley, BMW, Bugatti T 57 Chassis 57260, Citroen, sieben Delahaye, Isotta-Fraschini, Jaguar, Lancia, Mercedes und Talbo-Lago.

Nach dem WWII entstand ein interessantes Kabriolet, das zwei Modelle vereinte, Paccard Clipper und Super Eight. Die Karosserie zeichnete sich durch einen ungewöhnlichen Übergang der vorderen Kotflügel in die Türen aus.

Auf dem Genfer Autosalon 1950 wurde noch ein Bentley Cabriolet Mark VI ausgestellt. Die Firmendokumetation bereichert das immense Archiv des Swiss Car Registers.

Text und Fotos: Dr. Georg W.Pollak, sc.